Lobenberg: Der Kreid ist in 2024 ganz klar der dramatischste Wein bei Rings! Häufig sogar der leisere, reduziertere Wein im Vergleich zum Saumagen, aber 2024 kommt er so durchdringend, kompromisslos klar und unglaublich zupackend daher wie noch nie. Das Erstaunliche ist immer wieder, dass er komplett ohne Holz auskommt. Es ist der einzige Wein, der rein im Edelstahl ausgebaut wird und trotzdem könnte man zumindest auf großes Holz tippen, weil er durch seine griffigen Gerbstoffe ein bisschen den Eindruck erweckt. Aber das ist hier einfach nur satte Mineralität, schier brachiale, kalkige Kraft. Konsequent im Stahl, denn es ist eine Hommage an Papa Rings, der immer diesen ganz klaren, stahligen und schnörkellosen Rieslingstil geliebt hat. Kreid ist ein einzelnes Gewann im südlichen Teil des Saumagen GG von Rings. Das höchstgelegene Gewann im Saumagen überhaupt, auf über 300 Metern. Der Boden ist hier anders als im restlichen Teil des Saumagen, neben Kreide enorm viel Kalk und auch Eisen. In der Nase sehr steinig, salzig und rauchig-reduktiv mit Noten von nassem Stein, Austernschale und Feuerstein. Sehr kühl. Dann ein wirklich vibrierendes Spiel aus kristalliner Zitrusfrische und kalkiger Noblesse. Das kuriose ist, dass der Kreid trotz dieser Dramatik irgendwie kein lauter, sondern ein fokussierter, fast kontemplativer Riesling. Feinst ziselierte Aromen von Limette, Zitronenabrieb, ein Hauch weiße Grapefruit, dazu grüner Apfel, grüne Birne, gerade erst angeschnitten, mit einem Hauch floraler Frische. Ganz subtil dahinter weißer Pfirsich, fast schwebend, eher angedeutet als präsent. Nichts Überreifes, nichts Breites – stattdessen glasklare Definition. Im Mund dann einschneidend: Messerscharfe Präzision, salzige Mineralität, die quasi physisch greifbar ist. Der Wein spannt einen straffen Bogen, baut Zug und Energie auf wie ein Pfeil auf der Sehne. Nicht auch nur ein Gramm Fett, keine Wärme, keine Schmeichelei. Das ist Rasierklinge, das ist Gestein, das ist geballte Energie. Die Säure pfeift, kristallin, stahlig, aber dabei perfekt eingebunden. Wie geht das bitte?! Zitrische Kühle belegt die Zunge. Leicht herber Limetteneinschlag, auch Quitte, grüne Aprikose, Zitronenmelisse, leichte Ingwerschärfe. Der Wein tänzelt nicht, er durchschneidet. Kalk, Salz, Zitrus – in rasender Abfolge, in orchestrierter Präzision. Als hätte man ein Stück weißen Fels gelutscht, während eine Zitronenpresse über einem ausgeleert wird. Die Augen werden schmal bei all dieser Spannung, das ist einfach nur irre! Kreid ist ein Monument in dieser Brillanz, ein ganz großer Riesling, der nicht gefallen will, sondern fordert. Wow!
»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!