Lobenberg: Der Roth Lay wächst auf Schieferterrassen direkt zur Mosel. Der Schiefer ist klassischer Devonschiefer mit sehr hohem Eisengehalt, also rötlich gefärbt. Verwitterungsgestein. Der Wein wird nach der Ernte in ganzen Trauben angequetscht. Kurze Maischestandzeit im Kühlhaus, ohne, dass die Gärung beginnt. Vorsichtiges abpressen und Vergärung mit spontaner Hefe im großen Holzfass. Er verbleibt bis zum übernächsten Frühjahr der Vollhefe. Das ist Reinhard und Sarah Löwensteins langsamer Wein. Sehr tiefe, ruhige Nase, wie immer zeigt der Roth Lay keine überschwängliche Fruchtigkeit, hat nichts Lautes oder übermäßig Expressives an sich. Er ist die Ruhe selbst in seiner Verwobenheit aus milder gelbroter Frucht. Ein Hauch Eisen und etwas Anis darunter. Wahnsinnige Präsenz und Intensität, aber komplett anders als etwa beim Röttgen, gleichzeitig so balanciert und samtig. Die Nase strahlt eine aufregende Kühle unter der warmen, milden Zitrusfrucht aus, als würde alles über dunkles Gestein laufen. Das Einzigartige an Roth Lay ist ja seine ruhige Präsenz, er ist voll da, intensiv und druckvoll, aber auf eine so feinziselierte, in sich ruhende Art, dass es jedes Mal wieder verwunderlich ist diesen Wein im Glas zu haben. Einfach ein großer, in sich stimmiger, sehr balancierter Riesling. Wunderbar cremig und fein, fast etwas burgunder-artig, bevor der elektrisierende Schiefernerv im Nachhall zupackt. Der 2021er hat eine irre kühle Art, wirkt präzise und fokussiert, etwas hellfruchtiger als sonst. Ein bisschen Litschi und grüne Birne an den Seiten, Anflüge von Ananasschale, weißer Pfeffer. Man denkt ein bisschen an einen großen Grünen Veltliner in dieser cremig-dichten, sehr harmonischen Textur. Aber das schieferwürzige, tanninbeladene Finale ist doch typisch Mosel. Aus 2020 war der Roth Lay eine Charmeoffensive, in 2021 ist es ein großer Wein und in seiner Feinheit und Finesse an eine noch bessere und schlankere Version von 2016 erinnernd. Der Wein verbleibt lange im Mund und noch länger im Gedächtnis. Ein wunderbarer Roth Lay und ein großer Moselriesling, der auf seinem feinen steinigen Sockel sitzt wie in Stein gemeißelt. 97-98+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.