Lobenberg: Lilian Ladouys hat sich in den letzten 10 Jahren unglaublich gemausert und ist heute durchaus ein direkter Verfolger von Meyney, Lafon Rochet und Le Boscq, die wiederum kurz hinter Phélan Ségur und alle zusammen unterhalb von Montrose, Cos und Calon Ségur laufen. In Saint-Estèphe hat es eine unglaubliche Entwicklung gegeben. Manch alt eingesessene Namen müssen sich der Qualität eines Lilian Ladouys, mehr noch der Qualität von Meyney und Le Boscq, wirklich erwehren und kommen manchmal durchaus ins Hintertreffen. Lilian Ladouys ist also auf dem Weg an die erweiterte Spitze. Das Weingut ist seit 2008 im Besitz von François und Jacky Lorenzetti. Mehr als 90 Prozent vieler einzelner kleiner Parzellen erstrecken sich über insgesamt 45 Hektar in der gesamten Appellation Saint-Estèphe. Also ein großes Weingut. Die Reben stehen auf Kiesinseln und Sand, dem vorherrschenden Terroir des nördlichen Médoc. Einzelne Plots stehen aber auch auf Ton über Kalkstein, was in Saint-Estèphe auch sehr verbreitet ist. Lilian Ladouys braucht warmes und trockenes Wetter, wie viele der inzwischen dank des Klimawandels zu Superstars heranreifenden Weingüter des nördlichen Bereichs. Das gilt auch für die nördlichen Nachbarn von Saint-Estèphe wie Charmail, Clos Manou, Doyac und Carmenere. Alle diese heutigen Superstars hatten früher zu kühle und feuchte Terroirs. In den Jahren ab 2009 und seit dem großen Klimawandel bewirtschaften diese Weingüter aber wahrscheinlich sogar die bevorzugtesten und besten Terroirs der gesamten Médoc-Halbinsel. Auch deshalb ist Saint-Estèphe neben dem nördlichen Medoc in den letzten Jahren so unglaublich gut geworden. Das betrifft nicht nur die kleinen Boutique-Weingüter, auch die besten klassifizierten Stars. Der 2019er Lilian ist schwarzblau mit rubinrotem Rand. Leichter Wasserrand dazu. Sehr duftige Pumpernickel- und Eukalyptus-Nase. Hohe Intensität. Gute Lakritze mit reichlich Schlehe und Kräutern der Provence, viel Estragon. Aber nochmals Pumpernickel. Dann schieben sich Schlehe und Sauerkirsche durch. Auch ein bisschen rote und schwarze Johannisbeere. Sanddorn, eine leicht stechende Minze und eine leicht pfeffrige Schärfe. Ein supercleaner und superdefinierter Mund. Schwarze Kirsche mit Cassis. Butterweiche, seidige, aber sehr vorhandene und präsente Tannine. Saftiger, geschmeidiger, extrem leckerer Mund. Mittlere Länge, sehr schlüssig. Tolle Reife bei gleichzeitig toller Frische zeigend. Ein Wein in superber Definition wie aus einem Guss. Er bleibt zwar auch dieses Jahr hinter dem sagenhaft guten Le Boscq und auch Meyney. Das liegt aber einfach daran, dass Meyney und Le Boscq in 2019 noch näher an die großen Namen wie Phélan Ségur, Calon Ségur, Cos und Montrose herangerückt sind. Ein sehr, sehr guter Lilian Ladouys. Besser noch als die hervorragenden 2016er und 2018, weil einfach noch ein Quäntchen mehr Frische dabei ist. Ein berauschend schöner und archetypischer Saint-Estèphe. 94-95/100