Lobenberg: Der S ist, wie alle Weine bei diesem Weingut, aus der Hand des schon von der Krone berühmten Peter Perabo. Das S steht für den dichtesten Wein aus ältesten Reben. Es ist der älteste Spätburgunder-Weinberg des Gutes. Wie schon beim normalen Pinot hier das gleiche Thema: gelber Schiefer mit Löss-/Lehmanteilen. Wärmerer Boden, besser versorgt, das ergibt wuchtigere Weine. Im offenen Holzgärständer vergoren und Ausbau zu rund einem Drittel im neuen Holz, burgundische Barriques. In 2021 wurden alle Trauben vollständig entrappt, weil die zarte Struktur der Trauben einen Rappeneinsatz nicht bevorzugt hätte und weil die Rappen teils nicht voll ausgereift waren. Es war eben ein Jahr wie in den 90er Jahren, regenreicher und kühler, mit ganz feiner Säure- und Tanninspur, die schon Grip hat, aber so hintersinnig und sublim daherkommt. Kein Blockbuster wie 2020, man wird nicht aus der Kurve getragen von der Power, sondern es ist eher ein saftig-kühler, tänzelnder und verspielter Ausdruck wie ihn der Rüdesheimer Berg zuletzt nur noch selten gezeigt hat. Wir sind in dunkler Sauerkirsche, geflämmtem Fleisch und dunkler Himbeere, jedenfalls etwas beeriger als sonst. Der Rüdesheim S ist wie immer der charmantere und zugänglichere Wein, er zeigt und bietet mehr right out of the gate. Assmannshausen ist dunkler und fordernder. Wer von einem Burgunder verführt werden will, der muss mit dem Rüdesheimer S gehen. Das ist eine Art Volnay aus dem Rheingau. Der Rüdesheimer ist so unglaublich intensiv und einnehmend, man wird fast aus der Kurve getragen von dieser kirschigen Explosion. Er birst vor Spannung. Im Vergleich zum wilderen Assmannshäuser S ist das dennoch die große Entspannung, nimmt einen mehr in den Arm. Seidig und fein, das macht einfach Freude. Dass er so schön ist sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er in 2028 noch viel besser sein wird als heute. Peter Perabo macht stets Weine für die Strecke, auf ganz lange Sicht, das sind keine schnellen Konsumweine und so sollten sie auch verstanden werden.
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.