Die Rolle der Weinblogger

Mein letzter Kommentar zur Weinauswahl und -bewertung durch den gehobenen Weinhandel und die Qualität und Konstanz einzelner, marktdominierender Weinbewerter wurde sehr lebhaft und oft kontrovers diskutiert. Das hat mir gezeigt, wie sehr Sie dieses Thema beschäftigt. Es gab zahlreiche Stimmen aus der Branche. Auch einzelne Kritiker und Weinjournalisten meldeten sich persönlich zu Wort. Dabei habe ich die meiner Meinung nach sehr guten Jahres-Standardwerke wie den spanischen »Guía Peñín«, den italienischen »Gambero Rosso« und den französischen »Guide Hachette« inklusive der »RVF« sogar ausgelassen. Das sind exzellente Nachschlagewerke, José Peñín sogar ein hervorragender Verkoster, der perfekte Einstieg ins Thema, aber oft eben ohne aktuellen Tagesbezug aktueller Weine. Generell habe ich in meinem letzten Artikel bei vielen Autoren bemängelt, dass selbst einige der bekanntesten Verkoster sich in ihrer eigens gestellten Qualitätsskala zu oft beschränken und damit selbst ihr Urteil nivellieren und oft zu glatt bügeln. Fehlender Mut zur Polarisierung und fehlende Begeisterung bei vielen Bewertern. Vor allem ging es mir aber um die Konstanz der einzelnen Bewerter. Ich wollte aus meiner eigenen Erfahrung heraus aufzeigen, wie konkrete Kritiker urteilen und ticken. Das ist nämlich unserer aller Landkarte auf der Suche nach dem »Heiligen Gral«. Man muss seinen Weinhändler oder Weinjournalisten richtig und konstant einschätzen können. Nur so kann man seine Urteile nachvollziehen und daraus ableiten, ob einem der Wein zusagen wird oder nicht.

Welche Rolle spielen Blogger und Social Media heutzutage?

Blogger betraten vor einigen Jahren in Scharen den Meinungsmarkt, sodass die Weinwelt der Meinungen nahezu explodiert ist. Es gab vor einigen Jahrzehnten nur eine Handvoll arrivierter Weinnasen mit Deutungshoheit und von den Verlagen und Zeitungen erteilte Carte blanche. Robert Parkers Wineadvocate war die Revolution der ersten Stunde. Er sorgte erstmals für einen echten Mehrwert – war Anwalt für den Weintrinker. Er belehrte den Leser nicht, sondern nahm ihn mit auf eine Reise. Dabei war er durchaus kritisch, auch austeilend. Immer mit klarem, konsistentem eigenem Geschmack als Eichmaß, nicht Everybody’s Darling, aber eben immer nachvollziehbar. Robert Parker teilte die Weinwelt klar auf, gab ihr ein Profil und sortierte Weine wie ein Bibliothekar ein. Mit dem Aufkommen des Internets gab es dann zunächst eine Phase des Austauschs. Die Weintrinker konnten reagieren, sich selbst artikulieren. Dies fand zunächst überwiegend in Weinforen statt. Der mutig polarisierende Wein-Journalist Mario Scheuermann war hier einer der löblichen Vorreiter. Auch bei Robert Parker läuft das Forum oft heiß. Aber obwohl nur wenige Jahre existent, scheint dieses Medium schon wieder veraltet. Denn es ist für unsere sich immer rascher drehende Welt zu langsam und wurde durch andere Medien – soziale Medien – wie Facebook oder Instagram ersetzt, wo sich viele Weinliebhaber tummeln und international austauschen.

Nicht nur die Medien verändern sich, …

… die ganze Weinwelt dreht sich mit. In den letzten Jahren hat sie sich aufgeteilt, in kleine Subkulturen. Es gibt die Bordeauxtrinker, die Liebhaber burgundischer Weine, Regionalweintrinker, Naturweinfreunde und eine Bandbreite an »Back to the roots«-Anhängern. Und all diese Subkulturen haben ihre eigenen Meinungsbildner und Stimmen. Davon lebt die Weinbloggerszene. Sie ist in Deutschland sehr lebendig, aber längst nicht so aktiv wie im englischsprachigen Raum, denn Blogs leben von der Reichweite. Doch Reichweite bedeutet leider nicht immer auch gute Qualität. Im Gegensatz zu Facebook, wo man mehr Weintipps aufschnappen kann, das Medium aber nur kurze Mitteilungen erlaubt, gehen Blogs in die Tiefe und erlauben reportagenähnliche Ausmaße. Schlechte und gute politische Meinungsmache über Wein oder begeisterte Rezensionen des persönlichen Geschmacks. In meinem Gute-Weine-Magazin lasse ich nur die besten Blogger zu Wort kommen, von mir ausgewählt und in ihrer Weinbegeisterung zu mir passend. Auch Spitzen-Winzer liefern ihre Kommentare ab. Das Detail spielt eine immer größere Rolle – somit der bewusst gewählte Content. Denn es sind heutzutage längst nicht mehr nur die Verlage und Magazine, welche die Themen setzen und auswählen. Die Leser entscheiden selbst, was sie interessiert, wen sie lesen wollen und auch ein bisschen was sie »hören« wollen.

Hier kommen wir zur Achillesferse eines jeden Blogs: die Professionalität des Autors. Einen Blog kann jedermann betreiben. Magazine und Guides haben dagegen einen gewissen Grad der ausgewählten Professionalität. Die kann aber auch manchmal durchaus hinderlich sein und Kreativität einschränken. Bei den Verkostern, die ich hier in meinem Magazin zu Wort kommen lasse, handelt es sich um durchweg kompetente Autoren. Sowohl Amateure als auch Profis. Jeder gibt eine andere Perspektive ab. Im Vordergrund stehen keine Punkte oder Noten, sondern das Geschichtenerzählen, das Vermitteln der Weinvielfalt und das Informieren. Gerade die Naturalwine-Szene wühlt uns hier auf. Denn wie bewertet man einen Orange-Wein in Noten, der unfiltriert daherkommt? Als fehlerhaft, weil er nicht klar im Glas ist? Das wäre schlichtweg ignorant. Und so sind herkömmliche Verkostungsschemata ungeeignet zur Beurteilung eines solchen Weins. Hinter jedem Wein steckt auch die Philosophie des Winzers. Manch einer vinifiziert einen vielschichtigen Potenzialwein, der in der Jugend abweisend ist, andere füllen ihre Topweine mit 11,5 % vol. ab und diese besitzen grenzenlosen Trinkfluss. Daher benötigt ein jeder Wein neben der reinen Bewertung auch Hintergrundinformationen. Am Ende wollen wir doch alle wissen, was uns der Winzer mit diesem Wein sagen wollte, was seine Absicht war, wieso der Wein schmeckt wie er eben schmeckt – und natürlich ob er uns denn wohl schmeckt?

Und wir wollen Geschichten hören, die Faszination Wein nacherleben – in Bild und Wort. Blogger wecken Neugier, sind damit weniger Einkaufsberater, sondern Animateure. Sie stehen für mehr Vielfalt im Glas, Wissensdurst und Neugier. Damit sind sie eine ideale Ergänzung zu Weinguides und den einschlägigen Kritikern und auch etwas näher am Konsumenten, denn sie sind oft selbst Semiprofessionelle, also Weinliebhaber und vor allem Trinker. Und jene Profis unter den Bloggern sind meist hoch spezialisiert auf ein Fachgebiet, liefern somit am schnellsten Neuigkeiten, entdecken die schönsten Weine, denn sie sind informiert, haben den engsten Draht zum Thema und können sich umgehend dazu äußern. Allerdings darf man eine Sache nicht vernachlässigen: So spannend manche Blogs auch sein mögen, sie werden doch vor allem von selbst hoch weinaffinen Trinkern gelesen und verweilen damit in der Nische. Kein Blogger hat eine ähnliche Reichweite und Marktrelevanz wie die großen Weinkritiker Parker, Suckling und Galloni. Damit erreichen sie nur die wenigsten Weinkäufer. Die Revolution verweilt also im Kleinen.

Blogger

Geschätzte Blogger sind da vor allem Dirk Würtz, Winzer, Weinstimme, VDP-Mitglied und wahrscheinlich in Deutschland der Blogger mit der größten Reichweite. Kein relevantes Ereignis ohne treffend zusammenfassenden Kommentar von Würtz. Etwas politisch vielleicht, der Mann hat Meinung und tut sie laut hörbar kund. Der kann auch mal Kontra-Indikator sein.

Dann haben wir da noch Felix Bodmann, der als Schnutentunker bloggte. Zusatz: Für Susanne Werth-Rosarius ist dieser Artikel unvollständig ohne auf seinen grandiosen Artikel »Meine erste Ersatzflasche« zu verweisen.
Drunkenmonday kommt mit Paul Truszkowski und Nico Medenbach, die beide hervorragend probieren und einen gekonnten Mix aus Amateur und Profi darstellen und klare Kante zeigen – echte Meinungen.

Der »Altvordere« Manfred Klimek, der wahre Captain Cork, der zwar auch in der Welt am Sonntag eine Weinkolumne besaß, vielleicht aber in den Social Media mit mehreren Projekten die meisten Anhänger fand mit seiner aufwühlenden, manchmal überspitzt quenglerischen, aber trotz aller Lautstärke meist im Keim berechtigten Art – ein lautstarker Entertainer.

Oder wir haben da Gerhard Retter, Sommelier und Mitbetreiber der Cordobar. Eine ruhige Stimme, immer gewitzt, gebildet und inhaltlich beachtlich. Obwohl er keinen eigenen Blog betreibt, findet er seine Anhänger in den sozialen Medien – jemand den die Weintrinker hören wollen.

Nicht zu vergessen: Stuart Pigott. Bekannt als Autor diverser Weinbücher, schreibt Kolumnen in einer bundesweiten Tageszeitung und schaffte sogar das Thema Wein im Fernsehen einer breiten Masse zugänglich zu machen. Und natürlich nutzt er auch seine eigene Plattform unter www.stuartpigott.de. Ein innovativer, eigenständiger Kerl. Durch und durch mit britischem Humor, extrovertiert und innovativ. Er entdeckt neue Winzer, setzt sich für diese ein. Manchmal in seiner polarisierenden Art auch kritisch hinterfragbar, denn manchmal geht forsch und neu vor Klasse. Aber auf jeden Fall ist Pigott wuselig, interessant und eine extrem positive Belebung der deutschen Riesling-Szene. In Deutschland und den USA ist er ein wichtiger Meinungsmacher. Wären wir England, man hätte ihn schon zum Ritter seiner Majestät geschlagen!

Und dann haben wir da Blogger, die enorm in die Tiefe gehen. Ein Christoph Raffelt (originalverkorkt.de), der seitenlang über die Loire und Champagne referieren kann, oder den wohl wichtigsten Blog aus der Schweiz vvWine. Auch aus der Schweiz ist Vinifera-Mundi, die dann auch nach Parker-Manier Weine bewerten und obwohl sie Amateure sind, einen professionellen Anspruch haben.

Meine Blogger

Meine persönlich ausgesuchten und zu mir passenden Blogger für den Gute-Weine-Blog sorgen fachlich extrem kompetent aber mit lockerer, unterhaltsamer Schreibe für einen gekonnten Mix aus Wort und Bild.
Da wäre zum Beispiel Nils Lackner, Sommelier, Mixologist und Drink-Consultant. Er reist durch ganz Europa und ist beratend tätig. Ein Autor, der viel zu erzählen hat, aus der Branche und von seinem Lieblingsgetränk, dem Champagner.
Oder Susanne Werth-Rosarius, »Amateur du vin« und sagenhafte Geschichtenerzählerin oder wie sie selbst sagt: »Weinempfehlungen abseits der bekannten Verkostungslyrik«.
Wo hat man denn zuletzt einen Weinkrimi in einem Magazin gelesen? Viele Weinfachzeitschriften legen leider den Fokus zu sehr auf die Bezeichnung »Fach« und vermissen mit ihren analytisch-emotionslosen Kommentaren die Unterhaltung, ebenso als würden sie Autos oder Elektroartikel testen. Manche Blogger oder auch Teilzeit-Weinjournalisten schreiben eine Art Laboranalyse. Wollen wir denn jeden Ernte- und Gärfehler wissen?
Wir dagegen haben neben Susanne und Nils noch Nico Medenbach, Blogger aus Leidenschaft und genießender Weintrinker, der immer auf der Suche nach hochindividuellen, andersartigen Weinen ist, und der nicht nur rote Bordeaux, sondern gekonnt auch die Faszination von Orange-Weinen näherbringen kann. Jemand, der auch mal in einer Weinbeschreibung »geiler Stoff« fallen lassen kann. Natürlich bekommen Sie auch Informationen aus erster Hand und Eindrücke vom Fachhandel.
Markus Budai berichtet von seinen Verkostungstouren und Winzerbesuchen, wie z. B. aus der Champagne und Burgund. Selbst geschätzter Weinblogger, dann Autor für den Weinwisser, Effilee und andere Weinmedien, und für mich im Einkauf, Tasting und Marketing tätig.
Und Thiemo Kausch aus dem Marketing begleitet mich auf Reisen mit Storys, Bildern und Videos, die Beiträge dürfen auch gut aussehen. Und natürlich vermittle ich Ihnen hier auch meine Eindrücke von Reisen aus erster Hand. Verkostungsnotizen, Jahrgangsberichte und Kommentare.

Meine Winzer kommen auch zu Wort. Denn sie kennen die Zusammenhänge im Weinberg und ihre eigenen Weine wie kein anderer.


Es gibt also immer etwas zu berichten, zu entdecken. Und letztendlich lernt man dabei etwas über seinen eigenen Geschmack. Die Frage lautet also nicht nur welche Blogger wichtig und gut sind, sondern viel mehr noch welches Thema Sie interessiert.

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