Von Heiner Lobenberg

Blau, blauer, Blaufränkisch

»Mit Essen spielt man nicht«, hat uns Mutter früher eingebläut (neben den sattsam bekannten Sätzen vom leer gegessenen Teller und seinem Einfluss auf das morgige Wetter und die Sache mit den Füßen unter dem Tisch). Mit Wein auch nicht, sollte man meinen, wenn man sieht und liest, mit welch geheiligtem Ernst so mancher Weinliebhaber sich seinem Lieblingsgetränk nähert. Wein, so scheint es, ist eine – fast hätte ich geschrieben Bier – ernste Angelegenheit.

Ich hab aber mit Wein gespielt und ich empfehle dieses Spiel durchaus zur Nachahmung.

Wir waren nämlich in Urlaub, an der holländischen Nordseeküste, in einem wunderschönen Ferienappartement. (Übrigens mit Blick auf Loch 1 und Loch 9 des örtliches Golfplatzes – da braucht es kein Fernsehprogramm). Nun sind die Niederlande ja nicht gerade als Weinbau- oder Weinliebhabernation bekannt. Und auch meine erste Begegnung mit einem zeeuwse Claret (seeländischer Claret – ein etwas undefinierbarer Rosé) schreit nicht unbedingt nach Wiederholung. Und die örtliche Weinversorgungssituation ist auch sehr übersichtlich.

Was liegt also nahe? Wein von zu Hause mitbringen!

Und daraus wird das Wein-Urlaubsratespiel. Das geht ganz einfach: Ich besorge die benötigte Anzahl Flaschen, die Firma Lobenberg liefert diese zuverlässig, mein Mann hat strengstes Verbot, den Karton zu öffnen. Er darf ihn aber bis zum Ferienort transportieren und jeden Abend bekommt er eine Flasche verdeckt vorgesetzt und muss den Inhalt erraten, also Rebsorte (oder Cuvée), Herkunft und Alter. Wenn er noch den Erzeuger dazu rät, gibt es einen Sonderpunkt. Natürlich habe ich die passenden Gläser mitgenommen und damit die Sache nicht zu eindeutig ist, bekommt er die Weine dann auch schon mal im »falschen« Glas serviert.

Die Weine des diesjährigen Spiels waren (in order of appearance und mit jeweils der ersten Bemerkung des Probanden versehen)

2013 Riesling »Benn« trocken, Katharina Wechsler
(Im Leben kein Riesling! Aber nicht schlecht!)

2010 Sequillo Cellars Red, The Sadie Family
(Kommt der von der Rhône?)

2013 Vinho Verde Soalheiro, Quinta de Soalheiro
(hmm, auch kein Riesling, oder?)

2013 Barbera d’Alba, Elio Altare
(Ist das ein Bordeaux? Irgendwie muss ich an Cabernet Franc denken.)

2013 Le Retout Blanc, Du Retout
(Was ist das denn, das ist ja spannend!)

und

2011 Blaufränkisch Moric Reserve, Moric
(Wow!)

92–93
/100

Sale

Riesling Benn

Katharina Wechsler

Rheinhessen

f

Riesling, trocken

z

mineralisch
frische Säure

a

Lobenberg: 92–93/100

Suckling: 95/100

91–92
/100

Quinta de Soalheiro

Minho, Moncao e Melgaco

f

Alvarinho, trocken

z

leicht & frisch
mineralisch

a

Lobenberg: 91–92/100

Parker: 92/100

96–97+
/100

Holzkiste

Le Retout Blanc

du Retout

Bordeaux, Haut Medoc

f

Cuvée, trocken

z

voll & rund
mineralisch
exotisch & aromatisch

a

Lobenberg: 96–97+/100

Gerstl: 19/20

93–94
/100

Stubits

Burgenland

f

Blaufränkisch, trocken

z

strukturiert
saftig
pikant & würzig

a

Lobenberg: 93–94/100

Falstaff: 91/100

Und über den erzähle ich heute ein wenig mehr.

Es ist übrigens gar nicht so einfach, einen Blaufränkisch ohne Netz und doppelten Boden zu erkennen. Natürlich werden auch außer-önologische Hinweise miteinbezogen und so war dem Herrn aufgefallen, dass bisher kein Anbaugebiet zweimal vertreten war, weswegen er Deutschland und Frankreich sofort ausschloss. Übersee wurde nach kurzem Überlegen ebenfalls verneint und so war er schnell bei Österreich. Und da hing er dann erst einmal fest (»Das ist kein Zweigelt. Nein, sicher nicht!«)  Während er also noch rätselt, habe ich Zeit ein wenig zum Thema Baufränkisch zu erzählen.

Der Blaufränkisch ist bei uns in Deutschland besser als Lemberger bekannt, eine Rebsorte, die gerne mit dem Trollinger zu leichten, süffigen Schoppenweinen verschnitten wird, auf die »echte« Weinkenner mit etwa der gleichen Begeisterung herabschauen, wie auf einen rheinhessischen Dornfelder. In Österreich ist der Blaufränkisch nach dem Zweigelt die am häufigsten angebaute Rotweinsorte. Die meiste Verbreitung findet er im Burgenland, weswegen dieses Gebiet auch den Beinamen »Blaufränkischland« bekommen hat. Und dort wird er nicht nur als Frucht und Farbe gebender Verschnittpartner, sondern als eigenständige Rebsorte mit komplexem aromatischem Profil angesehen und behandelt.

Das wiederum kann kaum jemand besser als Robert Velich mit seiner Moric-Linie. Einmal im Leben (mindestens) sollte man sich seine Flagship-Blaufränkischs aus den Steilhanglagen, den Neckenmarkt und den Lutzmannsburg, gönnen. Doch auch der Blaufränkisch Reserve lässt das ungemeine Potential der Moric-Weine erkennen.

Es gibt Weine, die begeistern gleich beim ersten Schluck und es gibt Weine, die öffnen sich erst allmählich. Hier haben wir es mit erster Kategorie zu tun. Auf die Nase prasselt eine ganze Armada von Düften ein, Brom- und Himbeeren, reife Süßkirsche, florale Noten, Zigarrenkiste, warmer Waldboden nach einem erfrischenden Sommerregen, dazu Kräuter, Gewürze und Schwarztee. Man mag kaum aufhören zu riechen, weil man fürchtet, es könnten einem noch ein paar Nuancen entgehen.

Im Mund setzt sich die Aromenvielfalt fort, kurze Erinnerung an das elegante Veilchenlakritzaroma eines Pinot noir, zarte Fruchtsüße, straffe schlanke Säure, elegant seidiges Mundgefühl führt zu einem wirklich langen Abgang.

Und jetzt blitzt die Erinnerung auf an die unvergessenen Trinkerlebnisse mit den großen Moric Blaufränkisch und die Sache ist klar: Blaufränkisch, Moric!

Und was das Spiel angeht, bis auf den Retout blanc wurden alle Weine geraten. Der Retout ist aber auch sauschwer, ein weißer Bordeaux aus den Rebsorten des Jurançon, da soll einer drauf kommen.
 

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