Von Heiner Lobenberg

Was definiert Typizität?

Nicht nur landschaftlich und wirtschaftlich gibt es eine klare Grenze zwischen Norditalien und dem Süden. Auch weinbautechnisch lässt sich Italien zweiteilen. Während im Norden die ganz großen Weine von Weltruf im Piemont und Umgebung entstehen und Verona, Mailand oder Turin wirtschaftlichen Wohlstand bescheren, nimmt der Grad der Industrialisierung über Apulien bis Sizilien deutlich ab. Der Süden ist besonders agrarisch geprägt und es herrscht weniger Kaufkraft. Im gleichen Maße verändern sich die Weine.

Sizilien ist nicht unbedingt bekannt dafür, dass hier Weine von Weltrang entstehen. Die ganz großen Blockbusterweine, die Aufmerksamkeit aus allen Ländern bekommen, stammen aus dem Norden. So sind die Weine der Insel oft eher wärmer im Geschmacksprofil, manchmal platter oder im Weißweinbereich schnell einfach gestrickt. Die Weine sind klimatisch bedingt von einem anderen Stil, denn hier ist es überwiegend heiß und viele Rebanlagen müssen bewässert werden. Auch entspringen der Südinsel massenweise Weine aus gigantischer Produktion, wie man sie zu günstigen Preisen im Einzelhandel findet.

Nicht zu leugnen ist aber, dass sich in den letzten Jahren viel getan hat und bei einigen Betrieben höchster Qualitätsanspruch besteht. Diese Winzer setzen besonders auf die Typizität der Region mittels autochtoner Rebsorten, anstatt sich am internationalen Stil zu orientieren. Doch was bedeutet Typizität im Kontext Wein?

Giusto Occhipinti und Giambattista Cilia sind Quereinsteiger und starteten als Architekten in den 80ern das Weinprojekt COS. Sie erzeugen Weine, wie man sie nicht von der Insel erwarten würde. Diese sind derartig kühl und schlank, dass man sie kaum einer heißen Region zuordnen würde. Die WInzer kehren zurück zum Ursprung, indem sie aus autochtonen Rebsorten wie Nero d’Avola Spitzenweine erzeugen. Schon früh, als Amphoren kaum diskutiert wurden, setzten sie diese ursprüngliche Arbeitsweise wieder ein. Die Arbeit ist auch wenn sie neusten Standards folgt, sehr puristisch. So werden die Weine weder geschönt noch filtriert.

Mit ihren Weinen definieren sie ein neues Verständnis von Sizilien. Und es ist nicht verwunderlich, dass gerade Quereinsteiger eine neue Herangehensweise praktizieren und damit für Veränderung sorgen. Als Sommelier oder Weinkritiker könnte man behaupten, die Weine sind untypisch, denn derartig kühle und puristische Weine prägten bislang nicht das Gros Siziliens. Doch beweisen sie, dass hier Weine von ganz anderem Charakter erzeugbar sind. Es sind Weine, die enormen Trinkspaß bieten und die Typizität neu definieren. Denn Typizität bedeutet eben immer auch, dass diese von Menschen geprägt wurde. Und wenn eine neue Generation von Winzern dabei ist, das Leitbild Siziliens neu zu definieren, wird es Zeit, das eigene Verständnis von einer Region zu hinterfragen.

Der Wein: COS Nero di Lupo 2013

Der Nero di Lupo wurde zu 100 % aus der autochtonen Rebsorte Nero d’Avola gekeltert. Er besitzt die Farbe der Schale einer knackigen Herzkirsche und wandert leicht trüb ins Glas, da er, wie alle Weine von COS, nicht filtriert oder geschönt wurde. Das Rubinrot des Weins erinnert an einen zart transparenten Bourgogne rouge.

Auch sonst empfinde ich die Nähe zum Burgund doch logischer als die Zuordnung zu meinem bisherigen Weinverständnis von Sizilien. Der Nero di Lupo riecht nach reifer Nektarine, dunklen und roten Beeren und etwas Marzipan.

Am Gaumen erscheint er enorm schlank, besitzt quasi kein Tannin und hat leicht laktische Anklänge, die an säuerlichen Joghurt erinnern. Besonders die feine Säure verblüfft hier. Sie sorgt für Trinkfluss. Bei all dem bleibt der Wein stets simpel, will niemals komplex sein. Jeder Schluck bringt Genuss. Damit ist der Wein nicht sättigend. Mit seinen 12 % vol Alkohol bleibt er kühl in der Frucht und beeindruckt ob seiner Schlankheit. Neben roten Früchten kommt am Gaumen eine feine Kräuterwürze hinzu. Obwohl der Wein enorm sauber in seiner Machart ist,  besitzt er trotzdem einen leichten aber stets kontrollierten animalischen Hauch. Der COS wirkt so elegant, da er kein Holz gesehen hat, sondern nur Amphoren und Beton. Puristisch stellt er die Frucht in den Vordergrund.

Ich empfehle den Nero di Lupo aus Weißweingläsern oder kleineren Rotweingläsern zu trinken und ihn eher etwas kühler, um die 16 Grad Celsius zu genießen. Dann kommt die Klarheit des Weins besonders gut zur Geltung.

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