Unterwegs im Burgund: Der Jahrgang 2014

Kaum eine andere Region übt eine derartige Faszination aus wie das Burgund. Hier, besonders im Herzen der Region der Côte d’Or, entstehen immer noch Weine, an denen sich Winzer aus aller Welt orientieren. Pinot Noir und Chardonnay, die Bodenvielfalt und das Kleinklima sind die ausschlaggebenden Faktoren. Für die ganz große Bühne bedarf es aber noch der Signatur des Winzers. Denn bei aller Liebe zu den mythenhaften Lagen wie Musigny, Chambertin, Romanée-Conti und Co. sei gesagt, dass mit einer lieblosen Umsetzung des Lagenpotenzials sämtliche Qualität verloren geht.

Im April habe ich unsere Winzer besucht, um mir einen Eindruck vom Jahrgang 2014 zu verschaffen. Dieser könnte einer der stillen Schläfer werden. Ich habe das Gefühl, bei aller Aufmerksamkeit die man schon 2015 schenkt, dass hier ein herausragender Jahrgang entstanden ist, der allen Liebhabern klassischer Burgunderjahrgänge ein begeistertes Grinsen über die Lippen zaubern wird. Denn selten habe ich einen Jahrgang erlebt, der eine so klare Handschrift besitzt – vom einfachen Bourgogne bis hin zum Grand Cru. Das Schöne am 2014er Jahrgang ist, dass er die Herkunft ins Glas zaubern kann. Die Weine besitzen durch die Bank den Fußabdruck ihrer Gemeinde und Lage. Und nach mengenmäßig katastrophalen Jahrgängen gibt es erstmals wieder eine entspannte Mengensituation im Burgund. Viele Winzer haben erwähnt, dass sie im Weinberg und am Sortiertisch wenig Arbeit hatten, weil das Lesegut sauber und von guter Qualität war.

Wie ist der Jahrgang einzuordnen?

Stilistisch ist 2014 eine spannende Kombination aus Jahrgängen wie 2008, 2010 und 2012 – und wie manche Winzer anmerkten 1989 und 1999. Aber so richtig lässt sich der Jahrgang nicht zuordnen. Denn 2014 hat etwas weniger Fleisch als 2012, ist problemloser als 2008 und nicht so verschlossen wie 2010. Was die Pinot Noirs angeht, so hat man hier meist eine kühle und sehr klare Frucht. Die Weine haben in der Jugend überraschenden Charme und fallen rotbeerig aus. Dahinter steht ein vibrierendes Säurespiel. Die besten Rotweine sind knackig und besitzen trotzdem eine ordentliche Struktur. Auch für den Chardonnay ist 2014 ein sehr großer Jahrgang, vielleicht sogar noch besser als für den Pinot Noir. Eine weiße, helle Frucht vereint salzige Noten, Eleganz und Subtilität. Reife, ausladende Chardonnays, die auch aus der neuen Welt stammen könnten, habe ich 2014 selten probiert. Alles ist super präzise, rassig und herkunftsgetreu! Das heißt unterm Strich, dass 2014 zu den balanciertesten Jahrgängen der letzten zehn Jahre gehört. Die Weine sind in der Jugend überraschend zugänglich, haben aber großes Potenzial zur Lagerung, was manchen Winzer zum Vergleich mit 2008 anstellt, der auch erst nach Jahren seine wirkliche Größe zeigt und allmählich aufblüht. Was die Schattenseiten angeht, so muss man auch betonen, dass manche Weine in der Basis einfach gestrickt ausfielen. Hier hat sich dann besonders das Potenzial der besten Lagen gezeigt. Daher gibt es 2014 eine sehr authentische und klassische Hierarchie der Weinqualitäten, sodass man tatsächlich sagen kann, dass vom Village über 1er Cru bis zum Grand Cru beim Großteil der Winzer wirklich nachvollziehbare Qualitätssprünge zu bemerken sind. Ein großes Problem wird sein, dass viele der feinsten Weine zu früh getrunken werden, da sie unglaubliches Sexappeal in der Jugend besitzen und dem Hedonismus frönen! Das Positive ist, so wie viele Winzer anmerkten, dass Qualität und Quantität in diesem Jahrgang zueinanderfanden. Das bedeutet für uns Konsumenten, dass man endlich wieder zugreifen darf und mit etwas Glück auch die raren Weine ergattern kann.

Chablis

Domaine William Fèvre

Mein erster Besuch im Chablis führt mich zu William Fèvre – einer der großen Erzeuger des Chablis. Doch man muss ganz klar sagen, dass es hier zwei Qualitätsschienen gibt: Chablis aus zugekauften Trauben und großen Chablis der eigenen Weinberge. Diese laufen unter der Bezeichnung »Domaine William Fèvre«. Alain führt mich durch das Weingut und zeigt mir wo die 1er und Grand Crus ausgebaut werden. Denn die Domaine greift auf einen enormen Fassweinkeller zurück. Der Ausbau findet größtenteils im gebrauchten Holz statt – man hat somit die klare Herkunft im Glas. Und hier liegt auch die Kernkompetenz der Domaine. Kaum ein Betrieb hat so viel Rebfläche der großartigen Lagen im Kerngebiet des Chablis. Daher führt mich Alain auch durch die Weinberge, wo man eindrucksvoll die unterschiedlichen Expositionen der Grand Crus sehen kann, die quasi alle an einem großen Hang gelegen sind. Immer noch gibt es große Probleme im Chablis ob der nördlichen Lage. Frostschäden zählen für die Domaine zum Alltagsgeschäft. Doch die Öltanks, die in den Weinbergen stehen und im Notfall als Heizstoff für die zarten Knospen dienten, werden hier schon lange nicht mehr genutzt. »Zu teuer und ökologisch nicht akzeptabel«, merkt Alain an. Heute steht in den gefährdeten Parzellen der Grand Crus der »heiße Draht« mit dem man mittels Strom Wärme zufügt. Dieses Extrem zeigt sich auch in den Weinen. Chablis ist in bester Form immer ein puristischer, vom Boden und Klima betonter Wein: Steinig, kreidig, mit dezenten Aromen von frisch gepopptem Mais, Austernschale und Zitrusfrüchten. Die Spannung macht der Minimalismus. Ich probiere den Chablis Montmains 1er Cru 2014. Dieser wurde im Vergleich zu 2012 um eine weitere Parzelle erweitert. Früher kamen 60 % von Butteaux, der mehr Mergel und Ton besitzt, in die Cuvée, was den Wein rustikaler machte. 2014 ist eleganter! 30 % in neuem Holz. Blitzklare saubere Nase, viel weißer Spargel, Birne, Forellen-Birne genauer gesagt, auch am Gaumen schön knackig mit feinen Kimmeridge-Noten, ein wenig Popcorn, rauchiger Charakter. So muss 1er Cru schmecken. Ein weiteres Highlight ist beispielsweise der Vaulorent 1er Cru 2014, der für mich immer der beste 1er Cru des Hauses ist. Er kommt nussig und rauchig daher und trotz seiner Präzision besitzt er auch eine gewisse Cremigkeit am Gaumen. Les Preuses ist ein ganz toller Grand Cru, der das kühle Klima des Chablis hervorhebt. Zum Abschluss gibt’s Vaulorent Grand Cru aus 2012, da es in 2014 kaum Menge gab. Der hat eine ganz popcornartige Nase, wirkt leicht buttrig ohne Holzeinsatz. Daneben ist mehr asiatische Birne, auch etwas dunkles, faszinierendes, da der Wein noch etwas verschleiert ist. Am Gaumen erkennt man schon das Potenzial und die perfekten Proportionen die 2012 ermöglicht hat.

La Chablisienne

Es geht weiter zu »La Chablisienne«. Eine Kooperative der etwas anderen Art, weil man hier Qualität sucht. Der Stil ist ganz anders, deutlich kräftiger und noch weniger von der Frucht getrieben als Fèvre. Das liegt auch an der Vinifikation. Holz und gelbfruchtige Aromen mag man hier nicht. Die Weine werden überdurchschnittlich kräftig gepresst, daher haben sie eine immense Struktur ob der Gerbstoffe – gute Essensbegleiter. Wer die technischen Hintergründe kennt, weiß, dass man hier behutsam und penibelst Vorarbeit leisten muss. Denn nur gesundes und reifes Lesegut hat das Potenzial auch alle Teile der Traube für den Wein abzugeben! Der Chablis verbleibt zudem lange auf der Feinhefe. Man betreibt wenig Bâtonnage, damit die Weine präziser und nicht zu breit und cremig daherkommen. Man gibt den Weinen Zeit. So wird der  Village-Chablis zur selben Zeit wie alle Grand Crus auf die Flasche gebracht.

Am meisten beeindruckt hat mich hier der Petit Chablis. Man mag es kaum glauben, aber diese »Basisqualität« bringt enorme Komplexität im Glas. Der Chablis ist zart hellgold mit grünen Reflexen. Im Bouquet verhalten, sehr rauchig, etwas gelbe Melone, vor allem die Schale, Stroh, auch Birne und weiße Blüten. Am Gaumen zeigt sich dann die feine Gerbstoffstruktur. Das hat Charakter und verlangt nach einem Speisenbegleiter. Ein wahrer Gastronomiewein! Sehr gelungen ist auch der Chablis 1er Cru Fourchaume 2014. Er besitzt ein großartiges Bouquet, ist rauchig, hat Minze, Nektarine, auch weiße Blüten. Am Gaumen fällt er lang und persistent aus. Gelungen ist auch der Vaulorent 1er Cru Chablis 2014: Er stammt aus einer sehr feinen Parzelle, etwas weiter weg vom Grand Cru gelegen. Er fällt fleischig aus, man hat zarte Nektarine, auch Pampelmuse, im Hintergrund ist der Chablis dann rauchig. Am Gaumen bleibt er super balanciert, leicht bitterer Abgang, was den Wein interessant macht, schöner Mittelmund, viel Grapefruit, auch feine, frische Kräuter. Ein großartiges Terroir.

Côte de Nuits

Sylvain Pataille

Mein erster Besuch führt mich ganz in den Norden der Côte de Nuits, nach Marsannay. Die Gemeinde ist komplett aus dem Dornröschenschlaf erwacht, dank Charakterköpfen wie Bruno Clair und nicht zuletzt Sylvain Pataille. Beide haben Marsannay sein Gesicht und seine Würde gegeben. Letzterer ist aktuell der Winzer der Stunde, wenn es darum geht das Terroir Marsannays herauszuarbeiten und die hohe Qualität solcher Lagen wie »Clos du Roy« zu vermitteln. Sylvain erzeugt Wein seit 1990. In Beaune und Bordeaux studierte er Önologie und Weinbau, und berät einige Winzer im Burgund. Pataille zählt zur absoluten Spitze der Appellation und demonstriert wie unterschätzt deren Weine sind. Der Besuch verdeutlicht mir erneut wie sehr Wein und Winzerpersönlichkeit miteinander verbunden sind. Genie und Wahnsinn liegen hier dicht beieinander. Ich probiere seine 2014er im Weißweinkeller. Die Decke ist derart niedrig, dass Sylvain stets den Kopf ein wenig eingezogen hält. Wie nur wenig andere Winzer beherrscht Sylvain den Umgang mit Weiß- als auch Rotwein gleichermaßen. Und mit seinem Rosé Fleur de Pinot setzt er neue Maßstäbe in puncto Seriosität der Roséweine. Dieser wird nicht aus den Abzugssäften gewonnen, sondern ist eine Mischung aus den Mazerationssäften und direkt abgepressten Trauben. Dies ergibt einen kräftigen Roséwein, der niemals primärfruchtig ausfällt und sicherlich einige würzige Fischgerichte ideal begleitet. Neben seinem Topwein, dem Marsannay »L’Ancestrale«, überzeugt mich vor allem immer wieder ein bestimmter Wein. Es ist der Pinot Noir von der Einzellage »Clos du Roy«. Allgemein wird sie von den Winzern Marsannays zu einer der besten drei Lagen der Gemeinde gezählt. Bei Sylvains Interpretation fällt der Wein stets enorm puristisch aus, wirkt ungeschminkt und transportiert die kühle Frucht auf beachtliche Weise. 2014 gefallen mir auch seine Chardonnays enorm gut. 2014 ist ein Jahrgang, der dem Charakter der Weine bestens liegt.

Bruno Clair

Danach geht es direkt weiter in Marsannay. Bruno Clair ist die Institution und das Gedächtnis Marsannays. Früher Avantgardist, heute der Klassiker. Er hat Marsannay verändert wie kein anderer Winzer. Ein Betrieb in dem sehr klassisch gearbeitet wird. Hier schmeckt man Wein für Wein die Herkunft heraus – es macht große Freude.
Ein feiner Einstieg ist der Aligoté 2014. Im Bouquet sehr rauchig, etwas gelbe Melone, Stroh, auch Pfirsich aber nicht reif, sondern knackig. Dahinter auch eine florale Note. Aber der Wein ist eher mineralisch als fruchtig. Am Gaumen spritzig, knackig, fast rieslingartig, aber mit etwas runderer Säure. Man hat viel Nektarine, auch Minerale, ja, salzige Noten. Ein wunderbarer Aperitif! Im Tank ausgebaut, um die Frische zu bewahren. Ich probiere noch einige gelungene Weißweine, doch die Stärke liegt klar bei den Pinots. Also geht es weiter mit dem Savigny les Beaunes 1er Cru La Dominode.
Ein »Vin de Garde« par excellence! Kirschig, dicht, verwoben, würzig. Er ist ausgeglichen, hat ein feines aber sattes Tannin. Ein ganz großer Schuss der hier gelungen ist. Elegant und frisch, super Struktur. Lang. Viel Schlehe und eingelegte Sauerkirsche. Der Gevrey-Chambertin Clos St. Jacques ist wahrscheinlich das Paradebeispiel für einen 1er Cru, der Grand-Cru-Niveau besitzt. Eine legendäre Lage, die sich Größen wie Fourrier, Rousseau und auch Clair teilen. Clair hat die Parzelle umgeben von Fourrier und Jadot. Ganz hübsches kirschrot – durchscheinend rot. Das Bouquet ist so fein, so vielschichtig. Man muss verweilen. Zerquetschte Kirsche, Nelke, weiße Blüten und ganz wenig rauchige Noten. Am Gaumen ist der Clos St. Jacques super strukturiert, alles zieht an einem Strang. Ein ganz ruhiger Wein, der lange ausklingt. Kein Wunder, dass alle die Lage als Grand Cru betrachten. Bonnes Mares 2014 steht an. Dieser Teil kommt eher aus Morey-Saint-Denis als Chambolle-Musigny. Im Abgang muss er sich noch finden, aber wer trinkt schon Bonnes Mares in der Jugend? Das ist groß! Clos de Bèze 2014 folgt. Der Franzose würde hier sagen »PMG«, also »pour ma gueule« was soviel bedeutet, wie: Den behalt ich am liebsten für mich. Oder: Der fließt durch meine Kehle.

Bruno Clair

Pascal Marchand / Domaine Maume

Im Süden geht es weiter nach Gevrey-Chambertin, neben Vosne-Romanée wohl das Herz der Côte de Nuits. Die Domaine Maume liegt fast genau gegenüber von Trapet. Der Keller ist provisorisch, aber gut ausgestattet. Mark Fincham ist Kellermeister. Die Domaine Maume wurde 2012 komplett verkauft – eine Entscheidung der Inhaber. Aus heutiger Sicht eine einmalige Chance, denn solche Verkäufe passieren kaum. Die Domaine selbst war nicht bekannt für exzellente Weine, sondern schwankte. Doch die Lagen zählen zu den feinsten. Pascal Marchand schnappte sich mit seinem Investor die Domaine. Marchand ist Frankokanadier und lebte in Québec. Er is ein Liebhaber großer Burgunder, den es ins Herz der Region verschlug. Und ganz klar: Maume besitzt Mazis-Chambertin! Maume ist ein ganz klassischer Erzeuger, alte Schule, große Ambitionen. Man betreibt etwas Pigeage, aber nur mit den Füßen. Fincham mag keine »Soft-Extraktion«, die viele Winzer heute praktizieren. Er sagt, man könne dies mit einem finessenreichen Grand-Cru wie Musigny machen, aber ansonsten muss man dem Terroir glasklar folgen und dies richtig herausarbeiten, sonst hat man nur einen Bruchteil der Herkunft und Qualität im Glas. Und Gevrey-Chambertin eignet sich ideal dafür. Fincham sagt, dass er stark extrahieren möchte. Er nutzt auch gerne die Stängel, weil er keinen Chambolle vinifizieren will, sondern den Gevrey-Charakter, also fleischige und kräftige Pinots. Die Domaine Maume erzeugt erklärungsbedürftige Weine, die im besten Sinne klassisch sind. Das bedeutet aber auch, dass sie in der Jugend verschlossen ausfallen, eine dunkle und würzige Frucht besitzen, teils auch erdige Aromen. Mit der Reife entsteht dann der Phoenix aus der Asche – so einfach ist das. Und Mark schwefelt kaum. Er selbst sagt, dass seine Pinots regelmäßig weniger Gesamtschwefel besitzen als manche Burgunds vom Biodynamiker. Der 2013er Gevrey-Chambertin Village ist ein Blend aus zehn Parzellen u. a. »La Justice«. Hohe Qualitäten gehen hier ein. Man hat zart Sauerkirsche. Die 30 % neues Holz merkt man nicht. Feuerwerkskörper, eine sehr dunkle Frucht, feine Würze. Am Gaumen ist der Village super und hat eine schöne Säurestruktur, etwas erdige Aromen. Klassisch gut. 2014 Mazis-Chambertin ist eine der großen Offenbarungen meiner Reise: Tiefes Bouquet, würzig, dunkle Beeren, rauchig. Mineraler Unterton. Am Gaumen sehr zupackendes, schleifendes Tannin. Tolle Parzelle, alte Reben. Ganz klassischer Mazis. Superfeines Tannin im Ausklang, Super Konzentration, massiv, richtig druckvoll. Braucht Zeit. 55-jährige Reben im Schnitt, ein Teil ist sogar 80 Jahre alt. Bewundernswert ist die Salzigkeit, die sich durchzieht. Fassproben aus 2015 lassen erkennen, dass es ähnlich gut weitergeht. »Man konnte 2015 nichts Falsches aus den Trauben extrahieren«, merkt Fincham an.

Jean Grivot

Große Vorfreude: Mein Terminkalender ist mit feinsten Adressen aus Vosne-Romanée bestückt. Die Gemeinde bleibt Epizentrum für die besten Pinots der alten Weinwelt. Es gibt kaum eine Gemeinde die mehr Weltstarwinzer beherbergt als Vosne-Romanée. Romanée-Conti, Leroy, Grivot und d’Eugenie liegen Haus an Haus – die Grand Crus Parzelle an Parzelle. Grivot ist einer der absoluten Top-Betriebe. Er misst nur rund 15 Hektar, dazu gehören großartige Terroirs wie Clos de Vougeot, Echezeaux, Richebourg oder 1er Cru Les Suchots. »Best of the best« sozusagen. Mich empfängt Mathilde. Die Mittzwanzigjährige übernimmt gemeinsam mit ihrem Bruder mittlerweile den Großteil der Arbeit. Vater Etienne hält sich mehr im Hintergrund und steht beratend zur Seite. Grivot ist für Burgund-Puristen ein Paradies. Beste Lagen, 100 % Herkunftstreue. Mathilde vergärt nur im Stahltank und komplett entrappt, weil dies sauberer und neutraler ist, und die Weine zarter erscheinen lässt. Die Weine – selbst die Grand Crus – sehen alle nur gebrauchtes Holz. Alles definiert sich über das Lagenpotenzial. Der Village sieht genauso wenig Holz wie der Richebourg. Was für eine Ansage! Ich probiere 2013, 2014 und ein bisschen 2015 aus dem Fass, bis hoch zum Richebourg. Grivot ist eigentlich ein Betrieb bei dem man keine Punkte vergeben muss. Die Weine sind durch die Bank exzellent, aber eben sehr rar – leider. Der Stil lässt sich als extrem lagenbezogen, feinbeerig, zart und vibrierend beschreiben. Pure Finesse, selbst beim Nuits-Saint-Georges, der hier floral und verspielt daherkommt, anstatt rustikal und erdig.

Domaine d’Eugenie

Komplettes Gegenprogramm gibt es dann bei d’Eugenie. 2006 von Francois Pinault, der Besitzer von Château Latour und einer der wohlhabendsten Franzosen, erworben. Für Kenner: Man erwarb hier die Domaine Engel! Frederic Engerer wurde als Verwalter verpflichtet, der auch Latour an die Spitze katapultierte. Man muss es klar so sagen: Ein Prestigeprojekt, dem es an finanziellem Spielgeld nicht mangelt. Beste Kellertechnik, ideale Voraussetzungen. Michel Mallard, der Kellermeister, empfängt mich. Er ist gerade dabei die 2014er auf die Flasche zu füllen. Ich probiere also Weine, die seit wenigen Tagen oder nur wenigen Stunden abgefüllt sind. Vom 2014 Vosne Romanée Village bis zum Grand Cru Clos de Vougeot (die Domaine besitzt sagenhafte 1,4 Hektar, mit Reben aus 1954!) zieht sich ein klarer Stil durch. D’Eugenie ist immer etwas kräftiger, auch dunkler in der Frucht, was auch dem Stil Vosne-Romanées entspricht. Aber die Weine haben bei aller Konzentration auch Finesse. Große Burgunder, die zum Reifen gemacht sind. Und wer den Qualitätsanspruch nachvollziehen will: Die jüngeren Reben des Grand Cru Clos de Vougeot kommen einfach in die Village-Qualität!

Olivier Bernstein

Es zieht mich weiter zum nächsten Prestige-Projekt. Im Herzen Beaunes hat sich Olivier Bernstein als Mikro-Negociant etabliert. Einst verkaufte er Partituren klassischer Werke, dann TGVs. Letztendlich verwirklichte er sich seinen Traum. Infiziert wurde er von Großmeister Henri Jayer. Bernstein hat eine konsequente Philosophie: Beste 1er- und Grand-Crus Burgunds lagengetreu zu vinifizieren und das volle Potenzial herauszuholen. Dementsprechend sind die Weine kräftig extrahiert – auch ein 1er Cru sieht 100 % neues Holz und kann es schlucken. Die Herausforderung liegt darin solche Qualitäten zu finden, die komplett neues Holz vertragen können. Bernstein ist etwas für Geduldige, aber mit Reifegarantie. Dementsprechend fallen auch die 2014er bei Olivier am kräftigsten aus. Die Weine Bernsteins haben meiner Meinung nach das höchste Potenzial in 2014. In der Jugend zeigen sie sich noch alle etwas verschlossen. Am Gaumen spürt man die vielschichtige Textur, die Konzentration und das penibel gelesene Traubenmaterial. Es gibt einfach keine Kompromisse. Selbst die Villages sind fleischig.

Patrice Rion

An Vosne-Romanée schließt im Süden Nuits-Saint-Georges an, bevor es dann weiter an die Côte de Beaune geht. Es stehen noch zwei Adressen an, die ein ähnliches Terroir teilen und einen ähnlichen Spirit besitzen. Maxime, der Sohn von Patrice Rion, empfängt mich. Das Weingut liegt in Primeaux, einem kleinen Weiler vor Nuits-Saint-Georges. Man trennte sich von der Rion-Familie, weil man Biodynamie betreiben wollte und vielleicht eine klarere Qualitätsphilosophie verfolgte. Die Domaine steht für wenig Holzeinsatz, Vergärung im Stahl, Schwefelung wo es sein muss und feine Lagen in Nuits-Saint-Georges und Chambolle-Musigny. Alle Weine sind ganz subtil und zart, selbst die Farbe. Mir gefällt, dass alles seine Balance hat und am richtigen Platz sitzt. Das sind unaufdringliche Weine, die bei einer Verkostung schnell untergehen können. Über einen ganzen Abend genossen sind sie aber die wahren Sieger – Finesse, Finesse und Finesse. Die Chambolle-Musignys sind zart und feminin, sauerkirschlastig und floral, wie es sein muss. Und in Nuits-Saint-Georges summen die Weine ebenfalls eine zarte Melodie, so wie viele Winzer dies heute versuchen, aber nicht vermittelt bekommen, denn die Böden sind hier eisenlastiger und schwerer.

Prieuré Roch

Mein letztes Highlight an der Côte de Nuits ist die Domaine Prieuré Roch. Das ist wieder »Top of the Pops« und Biodynamie in Reinform. Henry Roch, der Mitbesitzer DER Domaine de la Romanée-Conti – seine Tante ist Lalou-Bize Leroy – füllt hier nach seinem gôut Pinot Noir ohne Schminke ab. Biodynamie, 100 % Rappen, unfiltriert, nicht geschönt. Anstatt zu schwefeln füllt man mit etwas CO2 ab, damit die Weine frisch bleiben. Etwas Pigeage, aber nur mit den Füßen, nur geringes, seltenes Remontieren, Ausbau 18–24 Monate – Ausnahme ist der Ladoix im Holz. Mich empfängt Yannick Champ, ein im positiven Sinne Verrückter. Er stammt aus Paris, studierte Medizin, verlies die Stadt und blieb im Burgund. Die Philosophie ist streng und kompromisslos. Yannick chaptalisiert nie, säuert auch nie auf, er will den Jahrgang in der Flasche haben. Und wenn der Grand Cru Clos de Vougeot dann eben nicht genug »Power« im Sinne der gesetzlichen Mindestalkoholwerte hat – so wie 2011 – dann füllt Yannick einfach keinen Grand Cru ab. Hier probiere ich nur den Jahrgang 2013. Über 2014 spricht man noch gar nicht. Der Jahrgang wird erst später angeboten. Ich starte mit de Ladoix Le Cloud 2013. Wie immer super elegant, würzig, ausgeglichen, leicht nussig, viel gegrillter Sesam, dahinter Sauerkirsche. Am Gaumen super straight, lang. 2010 haben sie eine Parzelle erworben: Pinot Noir, 50-jährige Reben. Die Lage war davor konventionell, sie braucht nach Yannicks Auffassung zehn Jahre um komplett umgestellt zu sein. Daher ist dies der einzige Wein, den man schon nach zwölf Monaten abfüllt. Ein super süffiger Wein, der manchmal nur 11,5 % Alkohol hat. Delikatesse pur! Die alten Reben vom Clos des Corvées kommen in den »Vieilles Vignes«. Sie sind 70 Jahre alt. Der Wein ist tief dunkel, trüb. Das Bouquet dunkel, würzig, man hat angequetschte Kirsche, etwas Minze. Am Gaumen strukturiert, druckvoll und straight. Lang. So delikat und salzig. Ein großer Wein! Der Nuits-Saint-Georges 1er Cru Clos des Argillieres 2013 ist dann nochmals konzentrierter, hat Pflaume und Feuerwerkskörper im Bouquet. Am Gaumen ist er so würzig, saftig, lang und komplex, dicht. Er hat ein ganz mürbes Tannin, saugt sich an den Gaumen. Großartig.
In Vosne-Romanée besitzt man den Top-1er-Cru Les Suchots. Das Bouquet ist so verzahnt und würzig. Am Gaumen ist alles wie aus einem Guss, charmant, so komplex und druckvoll und wie alle Weine rauchig. Erst hinten raus kommt die helle Frucht. Geschliffen, balanciert und sicherlich der süffigste »Les Suchots« des Burgunds. Das ist das Unglaubliche. Die Weine sind alle richtig süffig. Ganz großes Kino, wenn man das Andersartige im Burgund zulässt!

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