Offener Brief von Jens Priewe

Vor guten zwei Wochen hat unser Chef Heiner Lobenberg einen Artikel zum Thema Weinbewertungen geschrieben:

Weinbewerter: Qualität und Konstanz

Ein Artikel, der einen wahren Findling ins Rollen gebracht hat. So fanden auf allen möglichen virtuellen Plattformen viele rege und differenzierte Diskussionen statt.

Jens Priewe hat sich auch seine Gedanken zum Thema gemacht und gestern in Form eines offenen Briefes auf den Artikel reagiert:

»Lieber Heiner,

Du hast in dem Blog auf Dei­ner Web­site neu­lich ein heik­les Thema ange­schnit­ten: ›Wein­be­wer­ter: Qua­li­tät und Kon­stanz‹. Viel von dem, was Du da schreibst, ist rich­tig, eini­ges unge­recht und in einem Punkt irrst Du …«

Kommentar von Heiner Lobenberg:

Lieber Jens,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ich kann dir oft folgen und vieles übernehmen. In einem wichtigen Punkt sind wir aber verschiedener Meinung. Du redest von Kopf und Koordinatensystem. Objektive Weinbeurteilung mittels Struktur und Verstand. Jens, das halte ich für wenig machbar und auch für wenig animierend und Neugier weckend. Du bist natürlich kein Verkäufer von Wein, aber wie ein Waschmaschinentest oder eine Laboranalyse ist es doch letztlich uninteressant. Es geht doch bei Wein nur zum Teil um objektive Fakten, mehr um subjektiven Genuss. Klar können wir Fehler benennen und eindeutige Abweichungen von Erwartungen und Standards benennen und bewerten. Das ist das Koordinatensystem. Aber das darüber Hinausgehende ist doch so wichtig. Ich will in deinem Sinne nicht objektiv sein, (ich will und kann auch nicht 100 Chianti Annata mit 87–89 bewerten, das sagt doch nichts aus, ich würde ganz sicher in gemeinsamer Probe mit dir – je nach meinem subjektiven Geschmack – bis 84 runter und bis 92 hoch gehen) und ich glaube Parker auch nicht. Das meinte ich auch nicht mit konsistent. Wenn ich oder Parker oder Galloni oder Dunnuck oder Suckling klare individuelle Geschmäcker, Präferenzen und Vorlieben haben, ist das doch völlig in Ordung. Darauf kann sich doch nach einiger Zeit der Leser einstellen, damit kann er was anfangen. (So wie Rolf Bichsel für die Vinum in Bordeaux IMMER Moulin Haut Laroque, Phélan Ségur und Monbrison toll findet.) Positiv und folgend, wenn er eine Übereinstimmung mit seinem Geschmack feststellt, oder als Kontraindikator, wenn der Leser unsere Vorlieben und Präferenzen für sich ablehnt. Aber wir müssen gleichbleibend darin sein, berechenbar, nicht launisch (wie Neal Martin). So verstehe ich Konsistenz. Ich plädiere für Meinung und Subjektivität, nur gleichbleibend muss es sein!

Lieber Gruß und Dank
Heiner Lobenberg Bremen

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