Von Heiner Lobenberg

Erdverbundenheit
– Dominique Léandre-Chevalier (DLC)

In vielerlei Hinsicht ist ein Winzer auch nur ein Landwirt, welcher seine Früchte ca. 60–80 cm über der Erde jedes Jahr auf neue von hölzernen Rebstöcken erntet. In wie weit er dabei mit der Natur Synergien schafft, d. h. durch geschickte Eingriffe sie in ihrem Handeln unterstützt und ohne chemische und bio-chemischen Helferlein ihr freien Lauf lässt, obliegt einzig und alleine dem Winzer. Auf der anderen Seite gibt es auch eine ganze Menge an vornehmlich Trauben-Landwirten, die nur die Mengen Optimierung im Sinn haben und potentielle Risiken auf Seiten der Natur durch exzessiven Düngen und dem Einsatz von Pestiziden und Herbiziden zu minimieren versuchen. Schlussendlich hat der Weintrinker als solches die Wahl, was ihm sein Weingenuss wert ist. Das der naturnahe und unterstützende Ansatz hier oft nicht der günstigere ist, brauche ich wohl nicht extra zu betonen.

Reb-Tuning

Mit Dominique Leandre-Chevalier und seinem Chateau Le Queyroux hat die Gattung der naturnahen und qualitätsverrückten Hexenmeister des Weinbaus vermutlich seinen Vorsitzenden gefunden. Dominique ist positiv irre. Irre in seinem Qualitätsstreben im Einklang mit der Natur, irre in der Art Bodenbewirtschaftung und irre in der Bestockung seiner Weingärten. Auf seinen drei Hektar Reben in der etwas in Vergessenheit geratenen Region »Blaye« im der Cotes de Bordeaux pflanzt er seine Stöcke in Dichten von 10.000, 11.111 und 33.333 Stück pro Hektar. Der Schnitt liegt bei 5.000 bis 8.000 Stöcke pro Hektar. Ein unglaublicher Aufwand und nahezu Einzigartig auf der Welt. Doch warum macht Dominique so etwas? Die Antwort ist ganz einfach: natürliche Ertragsreduzierung. Es gibt nur 500–600 Gram Trauben pro Rebstock. Zudem wendet er eine spezielle Pflanzart bei seinen Wurzelechten Petit Verdot Reben an, die sogenannte »Provignage« Methode. Bei dieser wird ein Teil jeder Rebe quasi als Wurzel-Verlängerung in 50 Zentimeter Tiefe eingepflanzt, mit dem 30 Zentimeter entfernten Nachbarstock verbunden und auf nur zwei Augen zurückgeschnitten. Ein Teil der Rebe wird durch diese Tieferlegen quasi zu Wurzel umgewandelt und ergibt ein noch besseres Verhältnis zwischen Wurzel, Blätter und Trauben. Sieben Jahre hat es gedauert, bis aus dem Weinberg oben im Bild sein erster Wein gekeltert werden konnte.

11.111 vs. 33.333

Ein weiteres »irres« Projekt war sein 11.111 vs. 33.333 Reben pro Hektar Vergleich. Bis auf die unterschiedlichen Pflanzdichten sind beide Weine zu 100 % identisch ausgebaut. Der gleiche Weinberg, der gleiche Boden, beides 100 % Merlot Trauben der gleichen Klone, gleiche Ernte Zeitpunkte und gleicher Ausbau. Nur eben einmal 11.111 Rebstöcke pro Hektar und einmal 33.333. Wovon andere nicht zu träumen wagen setzt Dominique Léandre-Chevalier einfach mal um. Wenn Passion zu Realität wird.

Der Pferdemann

Auch in der Bearbeitung seiner Weinberge geht Dominique Leandre-Chevalier eine schonenden, aber pragmatischen Weg. Soweit möglich wird der Boden mit einem Pferd bearbeitet. Die Hufen garantieren eine möglichst kleine Verdichtung der Erde, den Schutz des Leben in den unteren Erd-Schichten und der natürliche Begrünung zwischen den Rebzeilen. Doch dort, wo sein Pferd aus Platzgründen nicht arbeiten kann, musste eine leistungsstarke, aber naturschonende technische Lösung gefunden werden. Somit beriet Dominique den Hersteller des Caval 3×3 bei der Entwicklung eines Hightechs drei-rädrigen Multifunktionsgerätes, welches ähnlich wie ein Pferd, möglichst wenig Bodenverdichtung verursacht. Ermöglicht wird dieses durch eine Verteilung der Last auf f+nf Punkte und eine Auflockerung des Bodens hinterher.

Bordeaux = Bordeaux?

Der Chateau Le Queyroux »Le Joyau« ist so etwas wie das Aushängeschild des Weingutes. Der 2010er ist ein Cuvée aus 65 % Merlot, 25 % Cabernet Sauvignon und 10 % Petit Verdot. Die Pflanzdichte beträgt hier »nur« 10.000 Rebstöcke pro Hektar. Selbstverständlich profitiert auch dieser Wein von dem Vegetationsverlauf des 2010er Jahrgangs. Doch im Vergleich zu vielen Weinen des Bordelais aus diesem extremen Jahr, besitzt der 2010er Chateau Le Queyroux »Le Joyau« keine Überkonzentration in der Frucht oder im Alkohol. Die Nase dieses Weines ist schon eine kleine Sensation. Man könnte meinen, die Toskana trifft über ein Umweg durch das Bordeaux auf Südfrankreich. Ein duftet nach schönster Herzkirsche, Tabak, Garique, Rosmarin und Thymian. Unten drunter findet man Anklänge von Leder, Erde und feinste Holzwürze. Dabei wirkt alles präzise und trotzdem bestens miteinander verwoben. Am Gaumen gibt es aktuell ein festes, aber sehr feines Tannin, ein nicht wegzudiskutierende mineralische Ader und unendlich wirkende Schichten zum Kauen und Entdecken. Zu der verhaltenen 2010er Konzentration gesellt sich durch die Struktur des Weines eine fast schon Burgundische Finesse und Eleganz. Als Gesamtkunstwerk erinnert der 2010er »Le Joyau« an eine Mischung eines großen Weines aus der Toskana, dem Süden Frankreichs und dem klassischen Bordeaux. Doch Schlussendlich ist es einfach ein großer Wein eines erdverbundenen Winzer-Großmeisters. Nicht mehr und auch nicht weniger.

In einer 2010er Bordeaux bis 30 € Probe, zusammengestellt von Heiner Lobenberg für Drunkenmonday, hat dieser Wein mit großem Abstand den ersten Platz in unserer Runde gemacht. Ich lehne mich mal sogar soweit aus dem Fenster und behaupte, dass ich sehr selten einen besseren und kompletteren Bordelaiser Rotwein in diesem Preissegment getrunken habe. 94–95+ Punkte. Wer ihn jetzt schon trinken möchte gibt ihm am besten 2–3 Stunden Luft oder trinkt die angebrochene Flaschen am zweiten Tag aus.

Quelle: www.drunkenmonday.de

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