Bordeaux 2016:
Heiner Lobenbergs Reiseblog

2016 – der magische Rhythmus – ein denkwürdiges Weinjahr

Um dieses vom Wetterverlauf historisch so außergewöhnlche Jahr einordnen zu können, lohnt der Blick in die Geschichtsbücher des europäischen, ja, vielleicht sogar weltweiten Weinbaus. Die Qualitätsexplosion über den Großteil aller Weine in allen Preisbereichen und Weinbauregionen ist natürlich auf den – Europas Weinregionen besonders begünstigenden – Klimawandel und auf den rasanten Wissenszuwachs im Weinberg bzgl. Klonauswahl, Ertrag und biologisch natürliche Arbeit zurückzuführen. Dennoch gibt es darüber hinaus schon hundert Jahre zurückbetrachtet erstaunlich rhythmische Qualitätsschwankungen im 5-Jahres-Rhythmus – eine schwingende, absolute Qualitätsdominante. Je näher am Atlantik, also näher an den großen Klimaquellen Golfstrom mit Quereinfluss des pazifischen »El Niño«, desto deutlicher. Klar zu sehen an der weltweit bedeutendsten Weinregion der Welt: BORDEAUX. Ob 1945–1947, 1955, 1959–1961, 1970–1971, 1975, 1981–1982, 1985–1986, 1989–1990, 1995–1996, 1999–2001, 2005–2006, 2009–2010 und nun 2014–2016, immer lag um den 5er-Rhythmus ein absoluter Qualitätshöhepunkt. Und in Verbindung mit der zuvor angesprochenen, fast dramatischen Verbesserung im Weinberg (und da ist in Biologie und Nachhaltigkeit noch Luft nach oben, speziell in Massenbetrieben) ist auch klar, warum das Duo 2015/2016 (noch feiner, aber wohl absolut gleichauf mit 2009/2010) höher einzuschätzen ist, als noch 2005/2006 und 2000/2001. Und diese Twins sind klar besser als die Superjahrgänge der 90er oder 80er.

Hier geht es direkt zu den Verkostungsnotizen …

2016, also der jüngste »Best of all times«-Superjahrgang, ist dennoch ein historischer Glücksfall in Bordeaux und auch in Deutschland, denn die Winzer sind haarscharf an der Katastrophe vorbeigeschrammt. Satte Regenmengen im Winter, Frostgefahr in der Blüte, perfekter Frühsommer … der Start war glücklich, aber letztlich richtig gut. Dann Monate Trockenheit im warmen, manchmal heißen Sommer. Angst vor der Wiederholung des fetten, alkoholischen 2003. Die Vegetation stoppte dann aus Selbstschutz, die Photosynthese der reichlichen Sonne ging mangels Wasser nicht mehr in Saft und Reife, Stillstand bis Ende August. Fast unaufholbarer Reiferückstand bei hoher, erhaltener Säure der blockierten Reben trotz langer Vegetationsperiode. Wenn jetzt der seit Jahren übliche feuchtwarme Herbst mit dem üblichen hohen Niederschlag gefolgt wäre … nicht auszudenken … ein Desaster aus Unreife und Fäulnis. Aber das Universum war verbunden mit den Winzern. Das Wünschen und Flehen hat geholfen. Ausreichende Regenmengen Anfang September brachten den »reset« in der Vegetation. Dann folgte ein so perfekt noch nie gesehener, trockener, milder Indian Summer bis Anfang November. Jeder konnte ernten wann er wollte, konnte warten bis zum Optimum, je nach Philosophie des Winzers und nach Bearbeitungsart der Weinberge – die immer optimaleren Biodynamiker mit ihrer totalen Gesundheit und Widerstandskraft im Weinberg natürlich zeitlich vor den Konventionellen. Alles kam mit sattem, reifen Tannin und hoher Säure, ähnlich 2010, in die Keller. Aber wegen des Sommerstops war der Alkohol geringer und die Frucht intensiver. Weine für die Ewigkeit mit brillanter Jugend und großer, von niedrigem Alkohol gerade nicht beeinträchtigter Frucht-Finesse. Köstlich und lecker vom Fass, wie in Jahrzehnten. Wie ganz große Kalifornier (Ridge Monte Bello ist 2016 auch so groß) und das ist bzgl. Cabernet Sauvignon sicher ein Kompliment für Bordeaux.

Bordeaux und Deutschland präsentieren Hand in Hand nach dem berauschend feinen, fruchtig feinen Charmejahrgang 2015, einen bemerkenswerten, historisch glücklichen Superjahrgang 2016. Ich befürchte, wir müssen dann wieder bis zum nächsten 5er-Wechsel auf solch ein Traum-Duo warten. Die deutschen Spitzenwinzer werden sich 2016 preislich nur moderat bewegen. So sind wir zum Glück eben hier, in der gemäßigten, intelligenten und nachhaltigen Mitte Europas. Das gilt ganz sicher auch für die intelligenten, weitsichtigen Bordelaiser unter 60 bis 70 Euro Endverbraucherpreis. Das beste Preis-Qualitäts-Verhältnis liegt dabei sicher noch unter 50, womöglich zwischen 15 und 40 Euro. Die richtigen Winzer wissen das eben und denken langfristig. Die geldgeilen Zocker der Top-Crus, die weinfernen Investoren und Markendenker aber werden preislich sicher wieder spinnen, auch wenn »best ever« natürlich lockt … Gelegenheit macht eben Diebe.

2016 Bordeaux – wie immer mit Max Gerstl

Sonntag, der 26. März 2017 – Airport Bordeaux

Strahlende Sonne und eine superbe Wettervorhersage, wie es sich gehört für einen großen Jahrgang.

Erst mal ab in den Norden. Côtes de Blaye, das war ein Highlight 2015. Zwei extreme Bioweingüter, Château Belair La Royère und der Château Queyroux Joyau von Dominique Léandre-Chevalier DLC setzen mit dichter Frucht, sehr moderatem Alkohol und berauschender Köstlichkeit in dieser frühen Form erstaunlich hohe Maßstäbe. Dichte dunkle Frucht, butterweiches, sattes Tannin und pikante Säure. Intensiver, aromatischer und trotz der Dichte fast noch feiner und frischer als die auf gleichem Niveau befindlichen 2015er. Dazu ein Neuling: Château Léognan aus Pessac. Sechs Hektar Biowein in 10.000 Stock Dichte 1989 von der Domaine de Chevalier gepflanzt und im Erstwein abgefüllt – jetzt erstmals vom neuen Besitzer separat vinifiziert. Eine tolle Entdeckung und qualitativ zwischen Pontac Monplaisier und Seguin angesiedelt. Wenn diese superbe Spitzenqualität symptomatisch sein sollte, haben wir zwei grandiose Probewochen vor uns.

Montag, der 27. März 2017 – der zweite Tag

Völlig unglaubwürdig, das falsche Jahr um nach 2015 einen Blog zu schreiben … wer soll mir das abnehmen, dass 2016 noch besser ist als 2015? Und dass das Duo 15/16 besser ist als 09/10? Der Biodynamiker Clos Puy Arnaud auf 100 % Kalkstein in Castillon ist mit seiner ultraguten Cabernet Franc endgültig angekommen bei Clos Rougeard und Thierry Germain in der Loire. 96/100 Unsterblich elegant und lang. Clos Louie aus 130 Jahren alten wurzelechten Reben im Mischsatz unter 20 Hektoliter pro Hektar setzt mit 99–100 Maßstäbe auf dem ganzen rechten Ufer. Biodynamisches La Rose Figeac in Pomerol ist mit 95+ gleichwertig zum Biodynamiker Fonroque in Saint Emilion. Bio ist absolut Trumpf auf dem rechten Ufer. Moulin Haut Laroque in Fronsac ist zwar nicht zertifiziert auf Lehm über reinem Kalkstein, aber das war eine Offenbarung. Der 16er wird dereinst so groß wie die zum Dinner verkosteten, brilllanten 1937 und 1900. Wir wurden so reich beschenkt, ein magischer Abend!

Dienstag, der 28. März 2017 – ein Bildungshöhepunkt

Der dritte Tag – der Höhepunkt der Bildungsreise. Zwei Stunden Vortrag im Wohnzimmer, nur Max und ich mit Francois Mitjavile auf Château Tertre Roteboeuf in Saint-Émilion.

Der Magier mit enzyklopädischem Wissen und Erklärer der Seele Bordeaux. Lange, langsame Reife auf bestem Terroir (Tertre Roteboeuf ist ein Kalkstein-Amphitheater mit Südausrichtung), dazu viel Laub für Schutz und perfekte Fotosynthese. Späte Lese im Gegensatz zu ultrafrühen Biodynamikern mit burgundischem oder Loire-Charakter. »DAS IST NICHT DAS WESEN VON BORDEAUX«, sagt Francois. Aber spät und natürlich ohne Überreife, Entrappung, spontane Vergärung im Zement, Ausbau in neuem Holz mit tiefem, intensivem Toasting. Tertre Roteboeuf zeigt IMMER perfekt die Typizität des Jahrgangs. 2015 war nahe der Perfektion, 2016 ist perfekt! Wenn man denn reife und sehr aromatische, intensive Weine ohne Überextraktion liebt. Und sein Roc de Cambes in Bourg ist mit Merlot und Cabernet Sauvignon nun mit 2016 unter den allerbesten Weinen des Jahrgangs überhaupt. Die unteren Reihen am Fluss haben 20 % Cabernet Franc statt Cab. Sauv. und sind superspannend, abgefüllt als Domaine de Cambes, extrem lecker und pikant.

Danach Pierre Lafon auf Lafon La Tuilerie, der Mann auf zwei Hektar Kalkstein. Bearbeitung mit der Nagelschere, nur perfekte Beeren, handentrappt, spontan vergoren. Perfekt! 100 % Merlot im modernen Stil. Zwei ganz große Jahre hintereinander, 2016 etwas klarer und gradlinig feiner. Ein Riesenwein für relativ kleines Geld – sehr rar und einzigartig.

Dann Graf Neipperg auf Canon La Gaffelière, voll bio, grandios und besser denn je. Auch sein Aiguilhe aus Castillon, der sich aber den noch besseren Domaine de l’A und Clos Louie geschlagen geben muss. Auch der stilistisch völlig andere, loireartige Clos Puy Arnaud mag davor sein und Peyrou ist nah dran. Alle 5 bio. In Castillon geht die wahre Post ab, obere Mittelklasse Saint-Émilions hier für unverschämt gute Preise.

Dann folgt zum Finale Benoit Trocard mit dem superfeinen, schwarzen Blockbuster Clos Dubreuil und einem der besten Pomerols überhaupt. Zwischendurch der reine Merlot Trocard Montrepos aus Lussac-Saint-Émilion, vielleicht der Preishammer überhaupt. En primeur 10 Euro und eine berauschende Intensität. Der zum Dinner gereichte, immer noch frische, schöne 1998 bewies das enorme Potenzial. Danach Pomerol. Erst der beste – je von mir verkostete – Lalande Pomerol. 100 % Merlot aus fast 100 Jahre alten Reben, zwei Hektar, Château Ambroisie. Wow! Viel besser und natürlicher als Plus de la Fleur de Bouard. Dann Clos de la Vieille Eglise, das winzige Herzstück mitten in Eglise Clinet (drei Generationen zuvor ein Weingut und eine Familie, heute herzliche Feindschaft). So raffiniert und schwarz und elegant und extrem trinkig. Viel besser geht es nicht in Pomerol.

Mittwoch, der 29. März 2017 – vierter Tag

Eine absolute Kuriosität in Saint-Émilion gleich am Morgen: Château Coutet.

Direkt neben Beausejour Duffau, Canon und B. Becot. Kalkstein in den oberen Hängen, auch Lehm und Sand weiter unten. Bio seit Jahrhunderten. Seit Beginn des Weinbaus hier. Nur hier gibt es weltweit verschwundene Pflanzen, Kröten und Salamander. Ein winziges Kleinod in Familienbesitz.

Merlot mit beiden Cabs und Malbec. Weltweit NUR HIER gibt es die Urform der Merlot mit rotem Saft, extrem kleinbeerig, mehr erdig pflaumig als moderne Brombeere und Blaubeere. Uralte Reben, ungeheuer profund, einzigartig, hoch mineralisch und erdig würzig salzig. Zwei Hektar davon ganz oben auf Kalkstein neben Duffau mit 100 Jahre alten Reben – je 50 % dieser uralte Merlot und 50 % Cabernet Franc. Nur 3.000 Flaschen, abgefüllt in mit Glas verschweißten Glasflaschen. 300 Euro jeweils für hundert Jahre Lagerung.

Einige hundert Flaschen als Cuvée Demoiselle in Normalflasche gefüllt, teurer und rarer, extrem minerlischer Ultra-Stoff, mehr Natur und Bio in flüssiger Form gibt es nicht. Hoffentlich geben sie uns was davon ab. Danach kommt der Besuch bei Cathérine Papon-Nouvel. Biodynamikerin der ersten Stunde.

Vier kleinste Weingüter. Peyrou, ihr Wohnsitz, 100 % Merlot auf Kalkstein mit Lehm in Castillon, direkt auf der Grenze zu Saint-Émilion. Superstoff und unglaublich preiswert bei realistischen 93+ Punkten und mindestens 20 Jahren Potenzial. Dann Château Gaillard in Saint-Émilion, und auch hier überwiegend Merlot. Ein ungeheuer guter Wert für das Geld. Erstmalig 2016 wie alle ihre Weingüter nicht nur komplett und zum Teil händisch entrappt, sondern Aussortierung und Selektion danach in einer Wasser-Zuckerlösung. Erfunden auf Ausone. Die unreifen Beeren schwimmen oben – also nach dem Sortiertisch noch weitere 20 % Aussortierung. Megareife Topqualität, ein Quantensprung für den 94+ Gaillard und sooo ungeheuer preiswert. Gaillard ist nunmehr da angekommen, wo früher der leider nicht mehr erzeugte Château Amelisse von Denis Durantou bei mir positioniert war. Ein echter Topwert!

Ihr Saint-Émilion Petit Gravet Aine mit zwei Hektar neben Canon La Gaffeliere profitiert auch davon. Geniale Merlot neben bekannt guter Cab. Franc. 98 Punkte wie der Nachbar CLG. Clos Saint Julien, 1–2 Hektar im Herzen Saint-Émilions auf reinem Kalksteinfels, litt etwas unter Wassermangel, das Ergebnis ist extrem konzentrierter Stoff für die Ewigkeit. Ein kleines Monster. Der Tag endet mit 100 Punkten, wie er mit 100 auf Tertre Roteboeuf begann. Das genialste Weinmacher-Duo auf Château Tour Saint Christophe, Jean-Christophe Meyrou … und der Baske Jerome Aguirre, ...

verantworten seit Jahren nunmehr 60 Hektar Reben-Investment des Hong-Kong-Milliardärs Peter Kwok, aufgeteilt in 6 Château. Drei Hektar Eigenbesitz von Jerome in Lalande Pomerol kommen dazu: Château Haut Musset. Ungeheuer natürlicher Stoff aus alten Reben im Mehrgenerationenbesitz der Familie seiner Frau mit einem der besten Preis-Qualitäts-Verhältnisse des rechten Ufers überhaupt. Dann La Patache, eines der zwei Pomerol-Weingüter. Acht Plots in verschiedenen Lagen Pomerols. Unglaublich stylischer Stoff. Schwarzfruchtig und frisch, extrem klar und rein und total geradeaus mit extrem klarer und eindeutiger Zeichnung. Neben dem etwas üppigeren Biodyn. La Rose Figeac mein wohl bester Einstiegs-Pomerol, ultraschick, reif und ultraklar. Die Krönung dieser Stilistik ist der Enclos Tourmaline. Weniger als zwei Hektar im Stil eines Château La Violette, was ja das gleiche geniale Duo dereinst vor über 10 Jahren als Auskoppelung von Château Le Gay aus der Taufe hob. Dieser Enclos Tourmaline ist soooo stylisch schick, reif und klar und so sauber, die stylischere und klarere Version eines Evangile oder des direkten Nachbarns Trotanoy. Die Krönung Pomerols nach Le Pin und Petrus, aber Geld muss man leider haben. Das wirklich spannendste Weingut dieser zwei Teufelskerle aber ist Château Tour Saint Christophe in Saint-Émilion.

Reine Kalksteinterrassen in Saint-Émilions zur Zeit angesagtester Ecke auf dem Plateau. Stylisch reif und klar in der Merlot wie ein Pomerol, pikant und himbeerig lecker in der Cabernet Franc. Und für diese, fast unglaubwürdige, verblüffend gute Qualität ein Preishammer. Alle bekannten Standard-Saint-Émilions sind chancenlos. Selbst der aus gleichen Händen gemachte Bio-Haut-Brisson tut sich schwer den Anschluss zu halten, obwohl er dem Tour Saint Christophe mit der Erweiterung von fünf Hektar auf dem gleichen Kalksteinplateau doch sehr nahe kommt. Zum Finale ein Ausflug nach Saint Colombe in Castillon. Château Le Rey. Die lage heißt Les Rocheuses, eben reiner Kalksteinfels. Hier wohnt Jean Christophe Meyrou in direkter Weinberg-Nachbarschaft zu Clos Puy Arnaud und Domaine de l’A. Uralte Reben, das neueste Projekt. Für mich in Power und gleichzeitig Klarheit und Finesse vor dem Blockbuster d’Aiguilhe und auch vor dem nur absichtlich grenzwertig unreifen Loirestil-Clos Puy Arnaud. Nur vor der Domaine de l’A von Stephane Derenoncourt und natürlich Clos Louie muss er sich beugen. Eine tolle Entdeckung. Am Ende auf dem Weg zurück von Saint Colombe Castillon nach Saint-Émilion ein kurzer Abstecher mit den zwei genialen Weinmachern zu Eric von Château Tertre de la Mouleyrea. Jean Faure, Tertre de la Mouleyre hier, oder Cheval Blanc, Angelus auf der anderen Seite ist wie Dujac / Prieure Roch versus Jean Grivot Faiveleay. Lieben oder hassen.

Sie kannten diesen ein Hektar großen Biodynamiker nicht. Nun sind sie wie ich begeistert. Eric ist der Ex-Schwiegersohn von Francois Mitjavile auf Tertre Roteboeuf. Gleiche Grundphilosophie aber eben Biodyn. mit Nagelschere. Ähnlich händisch qualitätsextrem wie Pierre Lafon auf Lafon La Tuilerie. Das kann kein normales Weingut jemals leisten. Eric steht so weit außerhalb normaler Betrachtungen, ist so ultraklar in der Weinsprache seines Merlots, da geht nichts drüber. Lauter können die 100 Punkte Ausone und Cheval sein, aber besser als der viel klarere, stylische Finessewunderwein Tertre de la Mouleyre sicher nicht. Glatte 100 für den klarsten und reinsten Wein Saint-Émilions. Mit dem direkten Nachbarn Clos Louie in Castillon, mit Tertre Roteboeuf aus Saint-Émilion und Enclos Tourmaline aus Pomerol, für mich das Allerbeste des rechten Ufers.

Donnerstag, der 30. März 2017 – 25 Grad heute, ein schöner Tag

Wir starten auf Château Jean Faure in Saint-Émilion, dem direkten Nachbarn von Cheval Blanc und La Dominique, bestes Terroir. Gleiches Terroir, Rebalter und Rebsorten wie Cheval, also viel Cabernet Franc. Der Besitzer ist Olivier Decelle.

Viel Lehm hier in den Böden, also deutlich besser mit Wasser versorgt, kein hydrischer Stress, kalte Nächte im trockenen Sommer, keine Hitzewelle, die Säure ist hier wie auf Cheval und Figeac höher denn je. Nur 3,4 pH-Wert, manche Betriebe haben sogar entsäuert 2016. Unglaublich, aber trotz hoher Reife ist Jean Faure in einer cool climate Stilistik. In Umstellung auf Bio, ab 2017 mit Zertifikat. Ein Teil unentrappt vergoren, alles spontan im Holzgärständer, Ausbau in neuen und gebrauchten Barriques und im Holzfuder. 2016 entfernt sich in seiner Stilistik noch weiter vom Mainstram. Sein Loire-Freund Thierry Germain berät ihm beim optimalen, nicht zu reifen Lesezeitpunkt der Cabernet Franc. Man kann Jean Faure in seiner extremen Natürlichkeit hassen oder lieben, es wird immer einzigartiger.

Und 2016 bis auf einen Hauch Druck und Power gleichwertig. Total elegant, super gradlinig, delikat und mineralisch lang. Ein ungeheuer saftiger Trinkfluss, dazu reif, aber immer frisch, wenn Haut-Médoc doch immer so wäre … die beiden, Haut Maurac und Clos Manou gehören irgendwie auf jeden Bestellschein. Die grandiosen Verfolger Charmail, Cambon La Pelouse und Du Retout sind langsam abgehängt. Sociando Mallet ist chancenlos, La Lagune viiiieeel zu teuer. Belgrave ist der einzige verbliebene, preislich ernsthaft interessante Konkurrent dieser zwei Superstars.

Auf einer Kalksteinplatte mit Lehmauflage direkt neben Monbousquet. Der Trockenstress war erträglich ob des Lehms. Die kalten Sommernächte bewahrten die Säure. Trotz hoher Reife und pH-Wert 3,8 mehr Tannin und mehr Säure als 2010, anders als der wunderschöne und freundliche 2015er ein Wein für die Ewigkeit. Bitte erstmal 10 Jahre warten und dann weitere 40 Jahre genießen. Der fünfte Tag am rechten Ufer lässt uns von einer qualitativen Ohnmacht in die nächste fallen, was kann da das Medoc noch steigern?

Freitag, der 31. März 2017 – sechster Tag

Bevor wir am Wochenende insgesamt drei große Händlertastings mit über 500 Weinen zu absolvieren haben, geht es jetzt erst einmal an einige »big boys«. Vieux Château Certan präsentiert sich als fast reiner Merlot, nur die ganz alten Reben der vom Trockenstress unberührten Lehmparzellen kamen in den Erstwein.

Auch wurde selbst da eine Vorlese / Aussortierung der zu befallenen Trauben vorgenommen. Das Ergebnis ist ein ganz anderer Wein als der Cabernet-Franc-orientierte 2015. 2016 ist ultrapräzise, weniger freundlich und charmant, dafür extrem klar und rein, ein frischer großer Klarer für ewiges Leben. Tanninreicher und frischer und präziser noch als der stilistisch ähnliche 2010. Danach Evangile. Ähnliche Stilistik in der schwarzfruchtigen Klarheit. Etwas weniger Druck, aber auch das ein Monument der Weingeschichte. Dann Ausone.

Der Wein des Jahrgangs? So ultra-geschliffen und fein in überwiegend roter Frucht. Eine Superspannung und Frische und saftiger Trinkfluss mit überaus reichlichem Charme über der polierten Tannindecke. Wie ungeheuer lecker und süffig und unanstrengend einladend und voll komplexer Finesse. So soll ein Wein sein. Ein Megawein in einfachster Trinkfreude. Château Pavie, ja eigentlich am gleichen Kalksteinplateau gelegen, trotz seines guten saftigen Trinkflusses ein Monster. Groß, aber klassisch überextrahiert, schwarz, massiv. Groß aber nicht mein Wein. Wie toll dagegen direkt danach der Tertre de la Mouleyre ein zweites Mal.

Oben neben Valandraud und Clos Louie. Mein persönlicher Wein des Jahres. Schwarz wie Pavie, extreme, aber superfeine, klare und ganz präzise Tanninmassen. Dazu die große Frische. Hier aus uralter Merlot in Biodynamie ein schwarzes Monster der Klarheit, Präzision, Frische und schicker Trinkfreude. Rien ne va plus. Danach der sich im direkten Vegleich etwas schwer tuende Eglise Clinet von Denis Durantou.

Auch nahe an seiner eigenen Bestform, fast gleichwertig wie der mitten in seinen Reben liegende Clos de la Vieille Eglise. Komplex und ultrafein und individuell allemal. Und der wiederbelebte, kleine Saint-Émilion Château Amelisse ist Denis auch hervorragend gelungen! Ein Höhepunkt Danach: Château La Croix in Pomerol.

Jean Philippe Jannoueix ist schon ein Magier. So ultrafein, 2016 glatte zwei Punkte vor dem Bio-Nachbarn auf gleichem Sand-Lehm-Teroir, Château Beauregard. Mehr komplexe und ultrafeine Köstlichkeit in so einem moderaten Preisbereich geht vermutlich nicht. Sein neues Projekt, der Sanktus aus Croix Saint-Émilion, kann in seiner schwarzfruchtigen Intensität da nicht ganz ran – aber das wird ein Preis-Qualitäts-Hammer! Ein 94-Punkte-Muss, und en primeur wohl mit Gaillard, und Amelisse der Knaller Saint-Émilions unter 15 Euro. Danach zum Abschluss der extrem komplexe, total polierte Le Pin-Nachbar, unter der Kontrolle der Familie Thienpont mit Beratung der Besitzerfamilie Despagne, Château Guillot Clauzel. So frisch und saftig und lecker! Pomerol hat 2016 mit La Rose Figeac, La Patache und Guillot Clauzel noch drei Superweine direkt unter dem Überwein La Croix im Angebot. Eine grandiose Appellation. Der final probierte, sehr komplexe Biowein Beauregard … liegt in seiner 16er-Präzision und Köstlichkeit zwar darüber, aber in Bezug auf Preis und Qualität sind die zuvor genannten vier Chateaux, sowohl im köstlichen Jahr 2015, erst Recht im komplex frischen Präzisionsjahr 2016, in Pomerol nicht zu bezwingen.

Samstag & Sonntag, der 1. & 2. April 2017 – Tag 7 & 8

Die großen Händlertastings sind Samstag 9 bis 15 Uhr, dann Sonntag das nächste 10 bis 14 Uhr und das dritte von 15 bis 17 Uhr.

Sechshundert Weine hatten wir in zwei Tagen auf der Tagesordnung. Das bringt nach einer Woche der Einzelbesuche eine tolle Übersicht über das gesamte Bordeaux. Die Erkenntnis: Es gibt keine wirklich schwache Appellation. Die nächste Erkenntnis: Einige Appellationen überragen!

1) Saint-Estèphe und der absolute Norden des Haut-Médoc, würzig, reif, fein und dabei sehr konzentriert. Von Clos Manou über Haut Maurac bis Charmail, alle drei ganz groß. In Saint-Estèphe sind wahrscheinlich nach den erst kommenden Montag zu probierenden teuren Superstars Cos,  und die Weingüter Phelan Segur und Lafon Roche und Meyney superb, die zweite Reihe ist mit vor Lilian Ladouys auch erstklassig besetzt.

2) Margaux und das südliche Haut-Médoc, extrem schick, geschliffen, reif und voller Finesse. Du Retout, Cambon la Pelouse und Clément-Pichon sind mindestens so gut wie 2015, allerdings anders als 2015. 2016 wohl ganz knapp hinter den drei oben genannten nördlichen Haut-Médocs. In Margaux sind von Giscours über Du Tertre bis Malescot bis Rauzan-Segla bis Monbrison bis bis bis jede Menge Highlights, reif, würzig, frisch und fein, extrem langlebig dazu. Deyrem Valentin ist der perfekte Einstieg, Palmer probiere ich erst Montag.

3) Pessac-Léognan ist vielleicht wie schon im Vorjahr der Überflieger des linken Ufers Smith, Pape Clement, Seguin, Carmes Haut Brion und Domaine de Chevalier sind die reinste Finesse, Höchstbewertungen, die reinste Freude, voller Frische und doch extrem tanninreich, poliert, köstlich und für ewiges Leben. Selbst Malartic, Léognan und Pontac Monplaisir waren groß, Fieuzal köstlich, und Haut Bailly, Mission und Haut Brion hab ich noch garnicht probiert. Weiß überragte der ultrafrische Smith alles, Fieuzal ist aromatisch köstlich, bei Clos Floridene passt alles.

4) Castillon, Fronsac, Cotes de Francs, Bourg, Blaye und die Saint-Émilion- und Pomerol-Satteliten sind besser denn je. Clos Louie aus 130 Jahren alten wurzelechten Reben ist einer der allerbesten Weine des gesamten Jahrgangs. Domaine de l’A vor Clos Puy Arnaud und Le Rey sind auch Extraklasse, Peyrou ist ein Preis-Qualitäts-Hammer. Moulin Haut Laroque in Fronsac ist sogar Weltklasse, der direkte Nachbar Tour du Moulin schwimmt da im Sog knapp dahinter mit. Nach dem besten Lalande le Ambrosier aus 100 Jahre alten Reben ist Haut Musset aus Lalande Pomerol ein ähnlicher Preis-Qualitäts-Hammer wie Teyssier in Montagne Saint-Émilion, Le Sacre in Croix Saint-Émilion und Trocard Monrepos in Lussac Saint-Émilion. Puygueraud aus Cotes de Francs und Courteillac südlich Castillons sind, was ich erst kaum glauben konnte, mindestens so superb wie 2015. Blaye stellt mit Château le Queyroux und Bel Air La Royère zwei »best ever«-Weine, extrem preiswert für klar über 95 Punkte. Francois Mitjaviles Roc de Cambes aus Bourg ist gar unter den allerbesten Weinen des Jahrgangs.

5) Pomerol hat irre langlebige, und fast extraterrestrisch feine, frische und dennoch extrem langlebige Weine erzeugt. 100 Punkte für VCC, Evangile, Enclos Tourmaline, Eglise Clinet und Clos de la Vieille Eglise. Ganz knapp dahinter Cline, La Croix und Feytit Clinet. Dann Beauregard La Rose Figeac, La Patache und Guillot Clauzel. Die Moueix-Stars Trotanoy und Co. und die potenziellen anderen Superstars wie Conseillante etc. probiere ich erst nächste Woche.

6) Saint-Émilion ist 2016 klar besser als 2015. Ausone, Tertre Roteboeuf und der winzige Biodyn.-Superstar Tertre de la Mouleyre glatt 100. Und die Verfolger Jean Faure, Tour Saint Christophe, Clos Saint Julien, Petit Gravet Aine,Canon La GaffeliereHaut Brisson, Coutet, Couvent des Jacobins und und und sind ultrafein und schick. Pavie ein Blockbuster mit Potenzial. Und die viele Superstars von Figeac bis Angelus und Troplong kommen erst noch. Ein Superjahrgang für Saint-Émilion!

Am Samstag noch zwei spannende Einzelbesuche. Erst Couvent des Jacobins Grand Cru Classé, direkt mitten im Ort. Das Kloster-Weingut, mit Klostergarten und 10 Meter tiefen Kalksteingewölben unter der Stadt. Seit vielen Generationen im Familienbesitz.

8 winzige Hektar direkt auf dem Kalkstein, 6 Hektar davon aber auf Lehm unterhalb Beauséjour Duffau, neben und Angelus. Alte Reben. Seit der in Singapur lebende junge Erbe Xavier Jean die Regie übernommen hat geht die Post ab.

Das grandiose Potenzial des bis 2013 im Dornröschenschlaf befindlichen Château wird gehoben.

Danach Château Seguin in Pessac – Insidern seit Jahren als Topwert der Appellation bekannt. Der Nachbar von Mission Pape Clement, bestes Terroir, Dichtpflanzung alter Reben: immer unter den Top 5.

Sonntagabend dann Deyrem Valentin in Margaux, so unbeschreiblich fein. Der beste und günstigste Einstiegswein, in eine der 2016 besten Appellationen.

Montag, der 3. April 2017 – der Supermonday: Premier Cru und Superseconds

Ab 9 Uhr morgens Calon Segur: Extrem fein und in einer so eleganten Frühform, butterweich und lecker wie 2009 mit einem großen Plus an Frische und Finesse. Nahe der Perfektion mit 97–98.

Montrose: Trinfertiges Finessewunder und trotz der extrem geschliffenen Tanninmassen ein Wunder der Frische und Finesse. Super präzise. War das hier schon jemals so gut? Best ever mit 99–100.

Cos d’Estournel: Wie im Himmel … der superelegante, extrem präzise, mit seidigsten Tanninmassen ausgezeichnete Cos ist sooo voller Finesse, raffiniert und frisch, unendliche mineralische Länge. Das erste Mal, dass ich uneingeschränkt begeistert bin. Glatt 100, auch wenn er wohl sauteuer wird, muss ich das anerkennen!

Lafite Rothschild: Sehr rotfruchtig und sehr fein. Poliert mit intensiver aber weicher Säure. Raffiniert und schick. Vielleicht fehlt ein Hauch süßen Drucks? 98–99. Berauschend schön, best ever, der extrem feine und köstliche 95-Punkte-Duhart-Milon, das zweite Weingut von Lafite Rothschild.

Mouton Rothschild: Das zweite Château, Clerc Milon, setzt in totaler Rafinesse ultraschicke Maßstäbe. 95–97 und das mit Vorsicht. Archetypisch! Mouton kann das noch toppen. Noch intensiver und noch schicker, ein Pomerol mit bester Kalifornien- und Pauillac-Würze. Noch nie so überragend fein. Glatt 100!

Latour: Nicht mehr en primeur, damit aus der Betrachtung. Dennoch fast ganz groß. Sehr fein wenn auch nicht in Moutons Extraklasse. 97–98.

Pichon Comtesse de Lalande: Der Überflieger der letzten Jahre. 2016 ist der Gegenentwurf zu Mouton, aber mit gleichfalls 100 glatt. Er hat zum Superschliff der satten Tannine und zur genialen Frische genau die Süße und das Volumen, das Lafite etwas fehlte. PiCoLa ist der perfektere Lafite mit seiner roten Frucht und sich selbst immer treu und typisch.

Grand Puy Lacoste: So schick und fein, als sei es der etwas kleinere Bruder von PiCoLa. Der Nachhall reifer roter Frucht mit Süßholz, Salz und weißem Pfeffer ist phänomenal. Das ist klarer und präziser als der so freundlich erotische 2015, Styling in roter süßer Frucht. Wäre Pichon nicht direkt davor gewesen … so gebe ich vorsichtig nur 97–98.

Pontet Canet: Wohl voll in der Biodynamie angekommen und verwurzelt. Die Wassermassen des Frühjahrs und den Trockenstress des Sommers konnten die extrem gesunden Reben gut wegstecken. Ein Unikat in Bio, tief und würzig, gaaaanz anders als Pichon und GPL oder Mouton. Erdig würzig reif, polarisierend in seiner einzigartigen Naturhaftigkeit, mögen oder ablehnen, aber ganz groß mit 98–100.

Leoville las Cases: Das Flagship in Saint-Julien zusammen mit Ducru. 2016 ist sehr reif und extrem frisch und in seiner irren Komplexität der dramatischste Wein des Médoc, voller Spannung, alles kracht und berührt alle Sinne. Ein ganz großer Wein wie Cos und Mouton und PiCoLa. Best ever. Ganz groß und glatte 100

Ducru Beaucaillou: Fast etwas stark extrahiert, trotzdem ein Riesenwein, nur etwas viel Power. Ein ganz wenig rustic, deshalb trotz seiner erhaben schicken Art etwas weniger Finesse als die Allerbesten. Groß dennoch. 97–98.

Margaux: Nur 23 % Erstwein, weniger denn je, dafür aber 50 Hektoliter pro Hektar Ertrag. Atemberaubende 94 % Cab. Sauv., 3 % Merlot, 2 % Cab. Franc. und 1 % Petit Verdot. Atemberaubend rein und präzise mit diesem fast reinen Cabernet, rote reiche süße Frucht wie Kalifornien in 800 Metern Höhe, Philipp Togni 2013 ... besser geht Cabernet bisher nicht, frisch und warm und köstlich. Super. Glatt 100. Auch Pavillon Rouge ein perfekter Margaux mit 95–96. Geht es besser im Médoc? Jetzt kommt Palmer ... und Pessac fehlt noch.

Palmer: Wie Pontet Canet ein extremer Biodynamiker. Nur 29 Hektoliter pro Hektar und je Pflanze weniger als 500 Gramm. Bis zu 20 Tausend Stöcke je Hektar. Extrem natürlich und würzig erdig, satte reife Kirschen auf Pflaume, ultrafein. Der wird wie Pontet immer unikathafter, so wie Jean Faure oder Coutet in Saint-Émilion, Clos Louie in Castillon und andere Naturextremisten. 97–100.

Dienstag, der 4. April 2017 – der zehnte Tag

Besuch auf Château Giscours: Nachverkostung von Giscours und Du Tertre mit dem Direktor Alexander van Beek. Giscours bestätigt seine Stellung als Primus inter Pares – der Verfolger von Margaux und Palmer. Dieses Jahr mit 98+ noch vor Rauzan und Malescot, hoher Cab. Anteil, geringer Alkohol, extrem klassisch reif und frisch. Großartig und sehr schick, die Appellation Margaux hat den totalen Lauf. Du Tertre ist eine stylische Delikatesse im oberen Mittelfeld, extrem delikat und köstlich, ähnlich wie 2015 mit Monbrison der preislich so spannende Geheimtipp der Appellation. Deyrem Valentin rundet die Liste der »must buy« nach unten ab. Ob sich jemand Palmer oder gar Margaux selbst leisten kann? Qualitativ eine Sensation, aber den Einkauf erst bei Giscours, Rauzan und Malescot zu beginnen scheint mir verträglicher zu sein.

Phelan Segur Direktbesuch danach. Erstmalig wohl vor Lafon Rochet als Verfolger von Calon Segur. Ein begeisternder Topwert nach den ziemlich teuren Superstars Cos und Montrose und Calon. Darunter besticht der köstliche best ever Meyney und zur wunderschönen Abrundung Clauzet.

Dann die UGCB, Union des Grands Crus de Bordeaux. Vier verschiedene Verkostungssäle mit allen wichtigen Weinen (aber viele Wichtige fehlen hier, deshalb die vielen Einzelbesuche) des ganzen Médoc. Ein Marathon um die Lücken zu schließen.

Saint-Julien: Leoville Barton mit begeisternder reifer Cabernetdramatik wird mit 98 Punkten doch eindeutig vom burgundischen Cabernet-Finesse-Wunder Leo Poyferre mit 99+ distanziert. Sooo groß, sooo fein, best ever! Nur Las Cases ist unerreicht darüber. Gruaud-Larose ist zwar mit 95–96 klar hinter den drei Leovilles, aber eine köstliche Delikatesse ist es dennoch.

In Pauillac besticht 97–98 Punkte Lynch Bages klar vor 95–96 Pichon Baron. Beide glasklare, fast klassische, reife und frische, maskuline Pauillac, aber weit hinter der femininen PiCoLa (Pichon Comtesse de Lalande) zurückbleibend.

Dann der Besuch auf dem winzigen Nord-Médoc Weingut Château Carmenère. Ähnlich wie der auch so weit im Norden gelegene Clos Manou ein ungeheuer ambitionierter Winzer. Wenn der nahe der Perfektion positionierte Clos Manou stilistisch zwischen Pauillac, Saint-Estèphe und Saint-Julien einzuordnen ist, so ähnelt Carmenère mehr den eleganteren und weicheren Margaux und Pessac Weinen. Sooo ungeheuer köstlich, fruchtig, reif und frisch zugleich. Der Vierte im Bunde des vierblättrigen Kleeblatts des Nordens. Clos Manou, Haut Maurac, Charmail und Carmenère.

Im Anschluss der Geheimtipp des südlichen Haut-Médoc, Château du Retout. Besser noch als 2010. Die gleiche Reichhaltigkeit aber mit weniger Alkohol, mehr Frische und Finesse. Ein superfeiner Kracher.

Final eine Gala mit vorheriger Verkostung auf Château Haut Brion / La Mission. DIE beste Appellation des Jahres? Das gilt es nun zu belegen oder zu widerlegen. In der Realität der abendlichen Probe waren mir dann beide Weine zu spröde, zu extrahiert, zu brachial in Tannin und Säure. Von allem zu viel und deshalb zu wenig Harmonie. Für mich sind die anderen Superstars der Appellation insgesamt größer und begeisternder.

Mittwoch, der 5. April 2017 – der elfte Tag

Von 9 bis 13 Uhr zum Schließen der Lücken ein großes Händlertasting bei CVBG Dourthe auf einem ihrer eigenen Châteaux: Belgrave in Haut-Médoc, direkt neben Lagrange Saint-Julien, seit Jahren aber ist Belgrave auf identischem Terroir der bessere Wein, mit 96+ einer der absoluten Tops des Jahrgangs in Haut-Médoc. Er schlägt viele Saint-Juliens der direkten Nachbarappellation. Zweitbester Haut-Médoc nach Clos Manou, echt groß. La Garde in Pessac ist sogar besser als 2015, auf dem Level von Fieuzal rouge, superb. Auch das zum Imperium (Champagne Thienot kaufte diesen großen Negoc aus Distributionsgründen vor 5 Jahren) gehörende 95–96 Le Boscq in Saint-Estèphe performt super, best ever, noch besser als 2010 und jetzt gleichauf mit dem ähnlichen Lafon Rochet.

Die Lücken: Grandiose und superb frischer und erstmalig sooo feiner Troplong Mondot. 98–100. Gleichauf und grandios Beausejour Duffau vor Pavie Macquin. Tolle Süßweine, La Tour Blanche und Doisy Daëne als tolle Verfolger von Climens. Ein tolles frisches ausdrucksstarkes Jahr für Süßweine! Dann rüber ans rechte Ufer. Château Figeac. Wow, so unglaublich fein, best ever, fast unglaublich stylisch.

Glatt 100. Danach Angelus. Viel besser als der konkurrierende Mitaufsteiger als 1er GCC A, Château Pavie. Wuchtig und zugleich frisch und raffiniert. So gut war Angelus noch nie! Auch hier 100.

Auf der »La Grappe«-Messe des Starberaters Stéphane Derenoncourt bestach sein eigener Castillon Domaine de l’A als klar zweitbester Wein der Appellation mit Rafinesse und Klarheit. Clos Louie ist auf einem anderen Stern, aber dieser ultrafeine und sexy 97 Punkte Domaine de l’A würde auch im Reigen der 1er GCCB aus Saint-Émilion eine große Nummer sein.

Die im äußersten Süden Castillons, südlich der Appellationsgrenze, gelegene Domaine de Courteillac des Weingutgründers Stephane Asseo (jetzt L’Aventure in Kalifornien) im Besitz von Dominique Mèneret, war schon ’14 und ’15 bestechend schön. 2016 feiner und erotischer als je zuvor. Ein Muss unter 10 Euro.

Donnerstag, der 6. April 2017 – der zwölfte und letzte Tag

Erst Château Bellefont-Belcier, Nachbar von Larcis Ducasse und Tertre Roteboeuf. Allerbestes Kalksteinterroir mit Lehm als Amphitheaterform gen Süden in Hanglage. Dichtpflanzung, geringste Erträge je Stock, kein Wasserstress durch das spezielle Terroir, späte Lese. Spontanvergärung in Zement. Steht Larcis Ducasse nicht nach, eher noch feiner und köstlicher. Genialer Wein. 97 Punkte als Verfolger von Tertre Roteboeuf. Der zum Dinner mit dem Regisseur genossene 1998 war nicht nur taufrisch, das große Jahr ’98 war hier ganz ähnlich wie 2016 und präsentierte sich überragend. Der noch bessere 16er lässt also Großes erwarten!

Dann Cheval Blanc. Ultraschick und stylisch, extrem präzise, sicher zu teuer, aber genial. Der Kellermeister und zukünftige Direktor Pierre Olivier Clouet nimmt sich viel Zeit für uns. Danach Le Pin, auch sooo elegant und poliert, 100 glatt wie Cheval. Der Besitzer Jacques Thienpont … hat auch vier Hektar in Saint-Émilion, Château L’If, Nachbar von Troplong Mondot. 30 Jahre alte Merlots, nicht ganz so gut wie die allerbesten aber 97–98 – ist ja auch superb.

Danach wieder UGCB. Clinet unsterblich pikant mit seinen 10 % Cabernet Sauvignon. Ein 100-Punkte-Hammer! La Conseillante war deutlich zarter, ultrafein. Zum Glück ist nicht jedes Jahr wie 2016, ab 2017 gehts sicher wieder einige Jahre zurück in die Normalität, denn sonst reicht irgendwann die Skala nicht mehr.

Nachmittags eine Serie der Besten. Bei Christian Moueix. Pomerol von oben. Trotanoy führt den Reigen mit glatt 100 an, vor dem 98–100 La Fleur-Pétrus. Best ever Hosanna und Certan de May sind knapp dahinter, auch Latour a Pomerol hält Anschluss an die Spitze. In Saint-Émilion gehört Belair Monange zur absoluten Spitze Saint-Émilions, La Serre ist zwar klar dahinter, aber auch groß. Insgesamt sind die Moueix-Weine erstaunlich hochreif und wuchtig tanninreich, dabei raffiniert und frisch und nie über den Punkt vinifiziert. Das ist insgesamt großes Kino hier.

Finale: Haut-Bailly in Leognan. Der grandios dichte aber ultrafeine 100-Punkte-Wein schiebt sich noch vor Pape Clément, Smith, Carmes Haut-Brion, Domaine de Chevalier und Seguin. Haut-Brion und La Mission sind hinter dieser 6er-Gruppe. Eine grandiose Appellation und ein mehr als würdiges Finale einer denkwürdig phänomenalen Primeur-Reise. Anbetungswürdige Weine!

Neueste Beiträge

Winzernews 2023

Winzernews 2023

Wie passt dieser Jahrgang 2023 qualitativ in die Zeit und in den Markt? Das ist der Versuch einer ersten provisorischen Einordnung nach...

Burgund 2021 und 2022

Burgund 2021 und 2022

Je häufiger ich das Burgund in den letzten Jahren bereise, desto mehr reift in mir die Gewissheit, dass die Region an einem historischen...

Wein-Schlaraffeninsel Sizilien

Wein-Schlaraffeninsel Sizilien

Durch den enormen Drive hin zu mehr Qualität hat sich Sizilien in diesem Jahrhundert zu einer der spannendsten Weinregionen Italiens...