Die Region Victoria ist kühler als die französische Region Bordeaux und heute Australiens Hotspot für erstaunliche Cool-Climate-Weine aus Pinot Noir und Chardonnay.

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Im Überblick

Weinregion Victoria

Victoria

Geschichte

Der Beginn des viktorianischen Weinbaus geht auf das Jahr 1838 im Yarra Valley zurück, wo im Yarra Valley, östlich der Hauptstadt der Region, Melbourne, erste Reben angebaut wurden. Das heißt also, hier begann man mit dem Anbau von Weintrauben knapp 20 Jahre später als in der weiter nördlich gelegenen Region New South Wales und dem Inselstaat Tasmanien. Drei schottischstämmige Viehzüchter aus Sydney pachteten 43.000 Hektar Weideland im Yarra Valley, nannten ihr Anwesen ›Yering Station‹ und pflanzten hier im selben Zuge die ersten Reben des Staates.

In Victoria wurde 1803 zwar die erste europäische (Sträflings-)Siedlung an der Sullivan Bay eingerichtet, aber bis die britische Kolonie 1851 offiziell gegründet wurde, war die abgelegene Region nur recht dünn besiedelt. Mit der zeitgleichen Entdeckung von Gold in Ballarat, Bendigo und einigen anderen Ortschaften Victorias änderte sich das aber schlagartig. Der größte Goldrausch der Weltgeschichte wurde ausgelöst und innerhalb der nächsten zehn Jahre versiebenfachte (!) sich die Bevölkerung Victorias. Mit der Bevölkerung stieg natürlich auch der Durst nach Weinen aus Victoria.

Die viktorianische Weinindustrie florierte somit parallel zum stetigen Goldfluss. Sie produzierte zu ihrer Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über die Hälfte des australischen Weins. In den 1860er-Jahren wurde Geelong – westlich von Melbourne und südöstlich der Goldfelder von Ballarat gelegen – zur erfolgreichsten Weinregion Australiens.

Zwischen 1860 und 1875 exportierte Australien beeindruckende 145.600 Kisten Wein pro Jahr nach Großbritannien, ein Großteil davon waren Weine aus Victoria. In seinem Buch ›Eine kurze Geschichte des Weins‹ erinnert der Historiker Rod Phillips daran, wie auf der Wiener Ausstellung von 1873 französische Juroren einige viktorianische Weine mit den höchsten Bewertungen priesen – jedoch zogen sie dieses Lob aus Protest zurück, als die Herkunft der Weine bekannt wurde! Weine von derart außergewöhnlicher Qualität konnten doch in Wahrheit nur aus Frankreich stammen!

Mit dem Auftreten der Reblaus 1877 in Geelong wurden weite Teile der Weinberge Victorias komplett verwüstet. Der Erfolg der Weinregion kam zu einem schnellen Ende, denn anstatt Neupflanzung auf amerikanischen Unterlagsreben vorzunehmen, mussten auf Anordnung der Regierung alle Rebstöcke in Geelong gerodet werden. Dies bedeutete das sofortige Aus der damals wie gesagt größten Weinregion Australiens. Auch in anderen Teilen Victorias sah es alles andere als glänzend aus: 1891 verfügte die GI Beechworth beispielsweise noch über 70 Hektar Rebfläche, aber 1916 waren davon nur noch zwei Hektar übrig. Einzig das Yarra Valley blieb überraschenderweise lange von der Reblaus verschont – der Schädling kam hier erst 2006 an!

In den 1930er-Jahren wurden die meisten Weinberge Victorias vollständig gerodet, um Platz für Weideland zu schaffen. Ähnlich wie in den USA gab es auch in Australien eine Abstinenzbewegung. Zudem wurde Australien während der Weltkriege vom Mangel an Arbeitskräften und der wirtschaftlichen Depression geplagt. Nach dem Wegfall der zwischenstaatlichen Handelsgrenzen konnte die viktorianische Weinwirtschaft nicht mehr mit der effizienten Konkurrenz aus Südaustralien mithalten. Anfang der 1960er-Jahre gab es nur noch zwei Dutzend Weingüter in Victoria, vierzehn davon befanden sich in Rutherglen und produzierten die damals in Mode geratenen, aufgespritzten, süßen Rutherglen Muscats.

Victoria
Eastern Peak Winery

Aber Mitte der 1960er-Jahre ging es zum Glück langsam wieder aufwärts! Es wurden erste moderne Weingüter in den Regionen Yarra Valley und Geelong gegründet. Auch in anderen Regionen, in denen der Weinbau fast oder ganz aufgegeben worden war, wie den Macedon Ranges, Sunbury, Bendigo, Beechworth und Heathcote, wurden neue Rebstöcke gepflanzt. 2023 gab es in den 21 GI-Regionen (Geographical Indication) Victorias mehr Weingüter als in jedem anderen Bundesstaat Australiens und mittlerweile liefert der Staat wieder knapp 20 Prozent der gesamten australischen Weintraubenmenge.

Klima

Das Klima Victorias ist im Allgemeinen mediterran. Insgesamt wird es entweder durch den kühlenden Wind aus dem Süden, die Nähe zum kühlenden Ozean oder – im nördlichen Teil der Macedon Ranges – durch die Höhenlage abgekühlt. Generell kann man dennoch sagen, dass es in Victoria deutlich wärmer wird, je weiter man sich vom kühlenden Ozean entfernt und ins Landesinnere vordringt. Dort wird die Wärme jedoch durch die Höhenlage der zahlreichen Mittelgebirge, die den Staat durchziehen, gemildert. Hier ist es kühler als in Bordeaux, daher sind Pinot Noir und Chardonnay historisch gesehen die erfolgreicheren Rebsorten. Cabernet Sauvignon hat in vielen, vor allem den kühleren Jahrgängen oft Schwierigkeiten, voll auszureifen. Der Klimawandel sorgt aber auch in Victoria für Änderung. Viele der ausgedehnten gemäßigten Regenwälder, die das Gebiet einst bedeckten und zur Regulierung des Wetters beitrugen, wurden längst abgeholzt. Durch den Abbau der Ozonschicht wirkt sich die Sonneneinstrahlung auf der Südhalbkugel zusätzlich noch stärker auf die Reifezeit der Reben aus. Daher wird selbst im Yarra Valley heute durchschnittlich vier bis sechs Wochen früher gelesen als in den 1990er-Jahren.

Geografie

Die Port Phillip Zone umgibt Melbourne, die Hauptstadt Victorias, und umschließt mit der Port Phillip Bay das flache Delta des Yarra River. Im Süden, nahe der Meerenge »Bass Strait", herrschen starke Südwestwinde, die durch kühle Luft aus den polaren Breiten herein gelangen und zur Abkühlung der Zone beitragen. Die Port Philipp Zone umfasst die GI-Regionen Yarra Valley, Mornington Peninsula, Geelong, Sunbury und Macedon Ranges.

Victoria
Giant Steps

Yarra Valley
Die sanft hügelige Region Yarra Valley hat sich inzwischen zum wichtigsten Anbaugebiet in Victoria und generell zu einer der besten Weinregionen Australiens entwickelt. Mitte der 1980er-Jahre gründete der Autor James Halliday sein Weingut Coldstream Hills und der französische Champagner-Gigant Moët & Chandon die Domaine Chandon. Der nationale und internationale Ruhm der Region wurde unter anderem durch die Aufmerksamkeit dieser Weingüter wiederbelebt. Heute verfügt das Yarra Valley, das sich ungefähr eine Autostunde östlich von Melbourne befindet, über mehr als 2.000 Hektar Rebfläche. Pinot Noir ist die am häufigsten angebaute Rebsorte, dicht gefolgt von Chardonnay. Zusammen machen die beiden Rebsorten fast 75 Prozent der gesamten Anbaufläche des Yarra Valley aus. Die hier angebauten Weine aus Shiraz und Cabernet Sauvignon ergeben im kühlen Klima des Yarra Valley leichtere und elegantere Stile. Um dem Klischee des von amerikanischer Eiche geprägten »Aussie Shiraz« entgegenzuwirken, bezeichnen Winzer ihren Shiraz im Yarra Valley häufiger als »Syrah«. So glauben sie die Erwartungen der Konsumenten zu erfüllen. Syrah von hier ist nicht reif und marmeladig, sondern eher attraktiv, frisch, pfeffrig, duftig und rotfruchtig. In der Regel wird viel mit Ganztrauben und wenig neuer Eiche gearbeitet.

Auch der vorherrschende moderne Chardonnay-Stil im Yarra Valley ist eher steinig und mineralisch als fett und tropisch. Die malolaktische Gärung wird zudem oft unterdrückt, um die Frische der Weine zu bewahren. Obwohl die Gärung in Holzfässern üblich ist, wird der Anteil neuer Eiche zum Ausbau im Allgemeinen auf ein Drittel oder weniger beschränkt. Trotz des krass hohen Qualitätsniveaus seiner Chardonnay-Weine ist das Yarra Valley international vor allem für die Qualität seiner Pinot Noirs bekannt. Das kühle Klima und die im Allgemeinen lange Vegetationsperiode begünstigen einen Stil, der trotz reifer roter Beerenfrucht eleganter ist als bei den Weinen aus anderen führenden Pinot-Noir-Anbauregionen Ozeaniens, wie beispielsweise dem neuseeländischen Central Otago.

Das Yarra Valley besteht aus zwei Bereichen: dem wärmeren ›Lower Yarra Valley‹ im Norden mit alten sandigen Lehmböden und dem kühleren, höher gelegenen ›Upper Yarra Valley‹ im Süden, wo der Boden hauptsächlich aus rotem Basalt besteht. Pinot Noir aus dem Upper Yarra Valley ist in der Regel definierter und mineralischer, während die Weine aus der Talsohle im Lower Yarra oft kräftiger und weniger aromatisch sind.

Mornington Peninsula
Südlich des Yarra Valley liegt die schmale Landzunge der Mornington Peninsula, sie trennt die Port Phillip Bay von der Seestraße ›Bass Straight‹. Ein Großteil der exklusiven Grundstücke direkt am Meer wird von den besser betuchten Einwohnern Melbournes für den Bau der Wochenendhäuser genutzt. Dazwischen haben sich dennoch einige kleine, aber feine Weingüter etabliert. Heute gibt es auf der Mornington Peninsula etwa 900 Hektar Reben, ungefähr 85 Prozent davon sind mit Pinot Noir bestockt. Das Klima ist hier aufgrund des starken maritimen Einflusses ausgesprochen kühl. Trotz der beschränkten Ausdehnung dieser Region gibt es entscheidende klimatische Unterschiede. So ist die Region Red Hill nahe der Westspitze der Halbinsel wesentlich kühler als der Nordosten nahe von Moorooduc, dem südlichen Vorort von Melbourne, wo zum Teil bis zu drei Wochen früher gelesen werden kann.

Geelong
Auf der gegenüberliegenden Seite der Port Phillip Bay liegt von der Mornington Peninsula aus gesehen Geelong. Geelong ist die trockenste und windigste Region der Port Phillip Bay. Zwar wurde auch hier die Weinindustrie inzwischen wiederbelebt, aber die Region hat nie ganz zu ihrem früheren Ruhm zurückgefunden, sie verfügt heute über überschaubare ungefähr 500 Hektar Rebfläche. Wie  auf der Mornington Peninsula auch liegt der Fokus auf Rotweinen aus Pinot Noir.

Sunbury & Macedon Ranges
Die Regionen Sunbury und Macedon Ranges liegen nördlich von Melbourne. Die Weinberge in den Macedon Ranges sind hauptsächlich zwischen 400 und 600 Höhenmetern angesiedelt und sind die kühlste Region auf dem australischen Festland. Auch hier sind Pinot Noir, Chardonnay und Shiraz die meistgepflanzten Rebsorten. Neben der Port Phillip Bay gibt es weitere Weinbau-Zonen im Nordosten und Nordwesten von Victoria. 1851 wurde in der Nähe von Bendigo und 1852 in Beechworth Gold entdeckt, woraufhin auch in diesen abgelegenen Gebieten jeweils eine kleine Weinindustrie entstand. Mit dem Zusammenbruch von Geelong im Jahr 1875 verlagerte sich der Großteil der viktorianischen Weinproduktion in den Norden, leider wütete aber kurze Zeit später die Reblaus auch hier und verwüstete die Weinberge - in Zentral-Victoria ab 1891 und ab 1893 in den benachbarten Weinregionen Heathcote und Bendigo. Es dauerte über ein halbes Jahrhundert, bis dem Weinbau in beiden Regionen wieder nachgegangen wurde. Heathcote ist etwas kühler als Bendigo, aber beide Regionen sind sich ähnlich: trocken, warm, kontinental und hügelig.

Heathcote weist aufgrund der Bergkämme der Mount Camel Range stärkere Höhenunterschiede auf. Auf der Ostseite von Heathcote gibt es einen Streifen roter Erde, der reich an 500 Millionen Jahre altem vulkanischem Greenstone aus dem Kambrium ist. Heute werden in beiden Gebieten, sowohl in Heathcote als auch in Bendigo, überwiegend Rotweine angebaut. Heathcote ist für die Qualität seines geschmacksintensiven, zart minzigen Shiraz hoch angesehen. Jasper Hill ist der führende Erzeuger in der Region und einer der bekanntesten Namen für Shiraz im durch Balance gekennzeichneten Blockbuster-Stil des ganzen Landes.