Von Elias Schlichting

Burgund-Reise 2019 –
Moderne Legenden am laufenden Band

Burgund-Karte

Verkostung Frankreich Burgund 2018

Das Sonnenlicht über Beaune ist durch dichte, regenschwangere Wolken gedimmt. Es braucht dennoch keinen Instagram-Filter, dass die mittelalterlichen Häuserfronten der Stadt – trotz der Film Noir Stimmung – ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit aufkommen lassen. Denn so beginnt unsere Reise entlang der Côte d’Or und die vinophilen Highlights sind quasi vorprogrammiert. Der Jahrgang 2018 wurde hier, je nach Region und Erzeuger, zum Teil auch als etwas durchwachsen aufgefasst, zu reif, zu wenig aufregende Spannung, zu wenig Ecken und Kanten. An manch anderem Ort und bei anderen Weingütern gilt 2018 aber als außergewöhnlich, herausragend, da wird 2018 zu Recht groß gefeiert. Beides können wir letztlich bestätigen. 2018 ist als üppige Reminiszenz an 2003 manchmal eher vorsichtiger einzuschätzen, an anderer Stelle ist es aber definitiv ein spannendes Jahr. Wenn Frische quasi nicht nur aus der Säure sondern auch aus der Reife kommt, der Wein quasi etwas mediterran wird, dann brilliert 2018 im Burgund, und nicht nur hier, mit ungeheurer Größe.

Blick über Mercurey

Ohnehin werden die Jahrgänge fordernder, im Sinne von extremer in allen Ausprägungen, die Weine werden trügerischer. Das spielt Winzern, die aufmerksam und dynamisch am Puls der Zeit arbeiten, absolut in die Karten. Zwar steigt die allgemeine Weinqualität absolut in ungeahnte Höhen, doch die Qualitätsschere geht auch im Spitzenweinbau langsam wieder auseinander. Je extremer das Jahr, wie eben 2018, desto mehr trennt sich die immer besser werdende Spitze von der einfachen Basis. Das gilt für alle Länder und Regionen. Diejenigen Winzer, die Jahrgänge lesen können, und deren Fokus dementsprechend auf noch peniblerer Weinbergsarbeit liegt, sind ganz weit vorne. Diejenigen, die ein Ausrufezeichen ihrer adäquaten Arbeit als Antwort hinter jedes Fragezeichen, das ihnen der Witterungsverlauf in den Weg stellt, setzen können, sind mehr denn je auf dem Weg des Erfolgs. Und zwar weiterhin mit Qualitätsschüben, die als verblüffend bis atemberaubend bezeichnet werden können. Besser denn je.

Heiner Lobenberg auf Burgund-Reise

Der Jahrgangsverlauf 2018 aufs Wesentliche reduziert: Nasses Frühjahr (letztlich die Rettung), irre heißer Sommer und Herbst. Hohe Traubengesundheit, mancherorts Trockenstress, Reifestopps und Zuckerschübe. Von außen fast trügerisch entspannt erscheinend, doch eigentlich im höchsten Maße fordernd.

Bordeaux war 2018 mit einem ähnlichen Witterungsverlauf in der qualitativen Spitze seiner Winzer erneut ganz groß, es bricht zunehmend aus dem magischen 5-Jahres-Zyklus der Topjahre aus. Die Rhône war 2018 in der Spitze ebenso grandios. So reich wie 2017 und trotzdem teilweise frisch und elegant wie 2016. Ein ähnliches Bild auch in Deutschland: super in der Spitze, offenherzig und charmant wie 2015, und doch beizeiten sogar ähnlich fein und stylisch wie 2016. Überall zufriedenstellend hohe Erträge, gerade im Burgund ein Segen.

Weinverkostung bei Maison Louis Jadot

Wie haben sich die Expressionisten der Parzellen-genauen Kleinstarbeit in einem solchen Jahr geschlagen? Obsiegt der Jahrgang über die Lage? In Jahren wie 2018 ist es nicht einfach, das gewünschte Reifestadium zu erkennen und punktgenau in den Keller zu bringen. Laubwand- Management und Wasserversorgung der Weinberge sind heute nicht mehr vorrangig aus Gründen der Traubengesundheit, sondern vor allem auch wegen der Sonneneinstrahlung und generellen Stress-Situation der Reben entscheidend. Die Tannine unter Kontrolle zu halten ist in immer UV- intensiveren, trockeneren Jahren für Weißweine fast ebenso kritisch geworden wie für die Roten. Bei konstant hoher Reife auch die Frische in der Frucht zu erhalten, ist die neue hohe Kunst. Gesunde Säuren und reife Phenole zu ernten ist der Schlüssel zu trinkfreudiger Balance. Und nur darauf kommt es an. Denn am Ende muss der Wein eben Freude und Genuss bieten.

Bruno Lorenzon

Dieses Vorwort hätte zu Beginn unserer Burgundreise wohl kaum ein Besuch eindrucksvoller untermauern können als der bei Bruno Lorenzon im beschaulichen Mercurey. Bruno Lorenzon ist DER große Meister hier im Ort. Mehr noch, er ist ein Magier und der Einzige, der Mercurey in beiden Farben, weiß und rot, hinausführt aus dem unteren Mittelfeld mitten in die Oberliga der Côte de Beaune.

Bruno Lorenzon beim Wein verkosten

Die Gemeinde Mercurey liegt im Herzen der Côte Chalonnaise im südlichen Burgund. Hier sind 95 % der Fläche mit Pinot Noir bestockt. Bruno Lorenzon ist der einzige Winzer Mercureys, der neben feinsten Pinot Noirs auch Weltklasse in Blanc erzeugt. Er ist ein echter Qualitäts-Nerd und ein Mann von fast unglaublicher Kompetenz und eindrücklichem Charisma. Lange Zeit war Bruno Rugbyspieler der internationalen Extraklasse, und mit eben jenem Rückgrat und dieser Selbstsicherheit tritt er auch auf. Er weiß, wofür er steht und welch grandiosen Schatz er sich hier aufgebaut hat. Vor dem Winzerleben war er auch Marketingmanager in einigen internationalen Weltunternehmen. London war sein Zuhause, obwohl doch die Domaine Lorenzon von seiner Familie gegründet wurde. Dennoch ging er zunächst die Welt erkunden, weil Weinbau in Mercurey zu dieser Zeit nicht genug Geld abgeworfen hätte, um die Domaine nach seinen Vorstellungen aufzustellen. Also erst mal richtig Geld verdienen und dann alles auf schwarz gesetzt. Oder auf weiß und rot. 1997 war seine finanzielle Basis fett genug, so entschied er sich mit der Domaine all-in zu gehen. Und wenn Bruno Lorenzon all-in geht, dann meint er das auch so. Eine höhere siebenstelligen Summe hat er in die Domaine seitdem investiert – größtenteils auf Pump. Aber er ist sich seiner Sache so ungeheuer sicher, dass ihn das überhaupt nicht tangiert. Und jeder, der ihn wie wir einige Stunden erlebt, würde alles auf ihn verwetten. Er weiß genau was er kann und wo er hin will. Bruno ist ein redegewandter Mann mit gleichsam intellektuellem und höchst fachlichem, eigentlich schon manischem Anspruch seine Weine betreffend. Vision und Mission zugleich.

Weinstöcke von Bruno Lorenzon
Weinstöcke von Bruno Lorenzon

Er verfügt über Parzellen in den besten Lagen der Appellation, beinahe ausschließlich Premiers Crus. Einige davon auf Grand Cru Niveau, wenn es denn eine ehrlichere Klassifikation der Côte Chalonnaise gäbe. 14.000 bis 20.000 Stöcke stehen hier auf dem Hektar, das Ganze wird mit fast chirurgisch präziser Weinbergsarbeit beackert. Und um das Gesamtkonzept zu komplettieren, sind seine Weine so messerscharf und präzise vinifiziert, dass man mit jedem Schluck den Anspruch und den Ehrgeiz von Bruno am Gaumen spürt. Er will das Allerbeste aus den Lagen der Côte Chalonnaise herausholen. Die Weißweine sind strahlend-frisch und auch 2018 so ultrapräzise, wie man es kaum für möglich hält hier unten. Sie zeigen dabei trotzdem viel Substanz und Tiefe. Die Pinot Noirs haben ein festes Rückgrat, viel Power und satte innere Dichte, was auch vom extensiven Rappeneinsatz kommt. Aber das Ganze ist so penibel austariert, dass die Weine überhaupt keine Härte oder vegetabile Noten aufweisen, sondern nur samtige Üppigkeit im Mund präsentieren. Wow! Bruno ist ein echter Künstler und Handwerksmeister zugleich, eben Vision und Mission in einer Person, der den fast manischen Perfektionismus gekonnt auf seine Weine überträgt. Ein Weinflüsterer! Ein eindrucksvoller Besuch, der uns noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Solche Betriebe sind die verborgenen Schätze, der noch immer unterschätzten Gemeinden des burgundischen Südens. Die Top-Weine gehören in die erste Reihe des Burgunds. Daran kann keiner mehr zweifeln, der sie probiert hat. Wir sind mit Bruno über die sehr, sehr begrenzten Mengen in Verhandlung. Aber es wird klappen, denn kompromisslose Leidenschaft verbindet. Vereint im Genuss.

Weinkeller Bruno Lorenzon

Verkostungsnotizen Lorenzon

Domaine Guffens-Heynen / Verget

Nachhaltig geflasht vom Meister der unfassbaren Präzision aus Mercurey, geht es am selben Tag noch weiter gen Süden. Die hügeligen Felslandschaften des Mâconnais sind unser Ziel. Selbst an der Ausfahrt nach Mâcon donnert mir gefühlt noch immer die elektrisierende Säure von Lorenzons Pièce 15 über die Zunge. Jeder andere hätte es äußerst schwer gehabt nach diesem Termin bei Bruno Lorenzon. Aber es geht nicht zu irgendwem, sondern zum Papst des Mâconnais – Jean-Marie Guffens. Seit Jahrzehnten ist er für die größten Chardonnays des Südens berühmt.

Chef-Kellermeister Verget
Chef-Kellermeister Verget

Seine Erfolge, und noch mehr seine teils prekären Aussagen über einigen Kollegen von der Côte d’Or, haben ihm viel Ruhm und noch mehr Gegenwind eingebrockt. Aber raue Winde können einen Charakterkopf wie Guffens weder davon abhalten weiter zu lamentieren, noch davon weiter mit die größten Weine des Mâconnais zu erzeugen. Parkers Wine Advocate William Kelley setzt seine besten Pouilly Fuissé punktemäßig nicht selten mit den Weinen von Lalou Bize-Leroy gleich. Majestätsbeleidigung oder den superioren Terroir-Gedanken in Frage stellende Realität? Dabei wird Guffens höchstselbst im Burgund hinter vorgehaltener Hand als eine Art Majestät gehandelt. Jeder Winzer horcht ehrfürchtig auf als wir von ihm sprechen, doch kaum einer scheint ihn wirklich gut zu kennen. Auch wir bekommen die Persönlichkeit hinter den Legenden nicht zu Gesicht. In Sologny, wo der Hauptsitz seines nicht minder gepriesenen Negociant-Businesses Verget liegt, werden wir von seinem Chef-Kellermeister empfangen. Wir stehen vor einem unscheinbaren, grauen Flachbau in der Peripherie Mâcons. Das Gebäude versprüht den Charme einer kleinstädtischen Gemeindeverwaltung. Hier gibt es weder Pomp noch Chichi. Es ist ein funktionales Gutshaus, das aufs Wesentliche reduziert scheint: große Weine ausbauen. Unter dem Label der Domaine Guffens-Heynen wird der Ertrag von gerade einmal 6 Hektar Weinbergen im Umland von Mâcon vermarktet.

Weinkeller Verget

Sein Handelshaus, das nicht minder berühmte Maison Verget, konzentriert sich mittlerweile ebenso aufs Mâconnais und ein klein wenig Chablis. Von der Côte d’Or habe man sich schon länger verabschiedet, lässt man uns wissen. Die Zusammenarbeit mit den stoischen, stolzen Winzern dort sei seit der Preisexplosion nicht mehr in ihrem Sinne machbar, versichert uns Betriebsleiter Julien Desplans. Guffens steht für einen hochkonzentrierten Stil aus stets niedrigen Erträgen, die 30 Hektoliter nie überschreiten. In unzähligen Durchgängen werden einzelne Blocks oder gar einzelne Reihen separat gelesen, mal ergibt das Moste mit 15 % vol. und mal welche mit 12 % vol. Selbst die Pressfraktionen werden jedes Jahr penibel getrennt, entweder verschnitten oder einzeln ausgebaut und abgefüllt. Schon der alte Robert Parker himself nannte Jean Marie Guffens einen »crazy guy«, was dieser aber gar nicht nachvollziehen konnte. Denn für ihn ist seine Art Wein zu machen die einzig wahre. Es sind Weine im Stil eines Francois Mitjavile von Tertre Roteboeuf. Hochreif, wuchtig und raumgreifend. Stets auf Messers Schneide tanzend und doch mit artistischer Gelassenheit niemals in die Überreife abrutschend. Präzision und Opulenz in scheinbar müheloser Harmonie vereint. Die Weine sind ein Faszinosum. Genau wie ihr Macher verfügen sie über eine intrinsische, polarisierende Kraft, weil sie unikathaft und eigenwillig sind in ihrem Zusammenspiel aus Phenolik, hoher Konzentration und schwer zu begreifender Spannung. Eine Partnerschaft mit Lobenbergs Gute Weine steht in Aussicht. Die Weine werden nur En Primeur verkauft, im Frühjahr 2020 gibt es eine beiderseits finale Entscheidung.

Weinauswahl Maison Verget

Robert Denogent

Um das Triumvirat des burgundischen Südens zu komplettieren darf natürlich die Domaine Robert-Denogent nicht fehlen. Deren Weine verkosten wir allerdings nicht in der Domaine in Fuissé, sondern zusammen mit unseren Kollegen von Gerstl aus der Schweiz im Speiseraum unseres Hotels in Beaune. Es ist ein Bild für die Götter: unzählige, handbeschriftete Probeflaschen auf den Frühstückstischen des Hotels. Außen herum vier Schweizer, ebenso viele Franzosen und zwei Deutsche – wildes gestikulieren, philosophieren, probieren, diskutieren.

Weinverkostung bei Domaine Robert-Denogent

Sprachengewirr par excellence. Ein leerer Joghurtbecher in Gastronomie-Größe aus der Hotelküche muss als Spucknapf herhalten. Einkaufs-Verkostung mal anders. Die Weine allerdings grandios wie immer. Es gibt kaum Besseres im Süden, und das sehr beständig seit langer Zeit. Robert-Denogent bleibt, trotz Verantwortungsverschiebung im Vater-Sohn-Sohn-Gespann in Richtung der Söhne, eine unerschütterliche Größe im Mâconnais. Die biologisch angebauten Weine gehören zu den wenigen von dort, die zurecht die Weinkarten der französischen Haute Cuisine zieren. Die 2018er Kollektion zeigt sich reintönig und klar, mit heller Mineralik und fein geschliffener Steinobst-Power. Überraschend präzise und elegant bei wunderschönem Fruchtausdruck. Enorm charmant und zugänglich, aber trotzdem mit ausreichend Spannung und feinem phenolischem Rückgrat. Der grandiose Einstiegswein der Domaine, Mâcon-Villages Les Sardines, ist ab dem Jahrgang 2018 nun komplett aus eigenen Trauben und eine perfekte Eintrittskarte in die Upper Class von Mâcon. Die Einzellagen Pouilly-Fuissé von unterschiedlichsten Böden sind charakterstarke, tief- gelbfruchtige Charmebolzen mit einem Hang zur Größe. Die 2018er sind am Sweet Spot zwischen Zugänglichkeit und sehr langem Leben – eben typisch Robert-Denogent.

Zu allen Weinen

Wein von Domaine Robert-Denogent

Domaine d’Eugénie

Nach dem Exkurs zu den großen Terroirkünstlern des Südens, geht es nun im Herzen der Côte d’Or weiter. Wo startet man eine Tasting-Reise entlang der Côte d’Or, die aus einer Abfolge von Highlights besteht? Wieso nicht direkt am Ziel der Herzen – in Vosne Romanée, dem vergemeindeten Nimbus des Burgunds. Hier kann man nur noch mit dem nötigen Kleingeld beim Lagen-Erwerb mitmischen. Und wenn es um die Übernahme einer ganzen Domaine geht, dann verfügt man entweder über die entsprechende Verwandtschaft hier oder ist im oberen Bereich bei Forbes gelistet. Letzteres trifft auf Francois Pinault zu, der 2006 die legendäre Domaine René Engel erwarb, und damit an einen in Wert kaum noch zu beziffernden Besitz an Top-Lagen kam. Seiner Mutter zu Ehren taufte er das Kleinod in Domaine d’Eugénie um.

Francois Pinault

Frederic Engerer, Boss von Pinaults Chateau Latour in Pauillac, zeichnet auch hier verantwortlich. Uns empfängt der Gutsverwalter und Chef-Kellermeister Michel Mallard in typischer Burgunder-Manier. Das heißt leicht verspätet und mit einer Mischung aus ehrgeiziger Anspannung und bemühter Lockerheit. 2018 war ein besonderes Jahr, vor allem besonders heiß und reif. Das erklärt die Anspannung von Michel, der, während wir die Treppe in den tiefen, kalten Keller hinabsteigen, mehrfach betont, dass es gerade in einem solchen Jahr seine höchste Maxime sei, dass keine Hitze aus dem Glas kocht. Aufgereiht auf einem Barrique steht ein kleines, aber elitäres Ensemble von Probeflaschen vor uns: Vosne Romanée Village, Clos d’Eugenie, Aux Brûlées, Clos de Vougeot, Echézeaux, Grands-Echézeaux. Terroir-mäßig sind wir hier ganz weit oben, viel mehr geht nicht. Doch große Namen wecken große Erwartungen, was die leichte Anspannung von Michel erklärt. Schon nach den ersten zwei, drei Probeschlücken steht aber fest, dass er sein anfangs erklärtes Ziel, die Hitze sofern möglich zu negieren, gut getroffen hat. Die Weine sind betont fest, eher dunkel in der Aromatik und von einer stringenten, aber durchaus stylischen, modernen Art. Selbst innerhalb des Kronjuwelen-gleichen Lagenportfolios von d’Eugenie gibt es noch einzelne Parzellen, die besondere Erwähnung verdienen.

Blick auf die Weinreben von Domaine d’Eugénie

Mit stolzem Lächeln erklärt Michel Mallard, dass ihre Parzelle im Echézeaux in einem Combe d’Orveaux genannten Gewann liegt, welches sich in Nordexposition wölbt, und heute zu den besseren in diesem umstrittenen Grand Cru zählt. Kühles, Frische förderndes Terroir ist ein willkommener Gegenpol zu einem vollreifen Jahr wie 2018. Da stellt sich die Balance dann fast von selbst ein. Mein persönlicher Favorit ist aber der, die klimatischen Ketten des Jahrgangs sprengende 1er Cru Aux Brûlées, die direkt oberhalb des Richebourg liegt. Eine schwebende Kirschfrucht-Orgie sondergleichen. Vosne Romanée reicht in diesem Wein Chambolle Musigny die seidig umgarnte Hand, dabei ist die Tiefe hier einmalig und nur Vosne Romanée. Ein Wein wie ein rotfruchtiger Laser, der seinen Terroirabdruck in die Zunge fräst, wie ein 2010er und dabei die Leichtigkeit des Seins eines 2014ers mit dem Rückgrat eines 2005ers präsentierend. Das Teil kann man getrost für die Hochzeit der Kinder weglegen, oder die der Enkel, vielleicht sogar die der Urenkel.

Zu allen Weinen

Weinfässer Domaine d’Eugénie

Verkostungsnotiz d’Eugenie

Jean Grivot

Nur ein paar Straßen weiter liegt in prominenter Nachbarschaft die Domaine Jean Grivot. Hoftor an Hoftor mit der Domaine de la Romanée Conti. Und die Besitzer sind ziemlich beste Freunde. Ein gewisser Zauber durchzieht diese staubigen Innenhöfe hinter den uralten Steinmauern. An keinem anderen Ort liegt die Magie des Burgunds so sehr in der Luft. Und durch kaum ein anderes Dorf mit 350 Einwohnern trampeln so viele Reisegruppen mit Kameras um den Hals und fotografieren immer wieder die selben fünf Weinberge. Auch das ist heute hier Realität.

Jean Grivot

Dass Winzer wie Etienne Grivot hinter hohen Mauern sitzen und Empfangsdamen unterhalten, die die Besuchstermine regeln wie auf einem exklusiveren Bürgeramt, ist also auch ein stückweit verständlicher Selbstschutz. Bei der delikaten Ware, die hier unter den alten Gemäuern ruht, ist es aber ebenso verständlich, dass die ganze Welt danach dürstet. Die Arbeit der Familie Grivot ist ein Musterbeispiel dafür, wie man dem Klimawandel begegnen kann. Etienne Grivot erzählt uns, dass er seit über 20 Jahren kontinuierlich auf die Philosophie der Balance bei später Lese hinarbeitet. Schon im Jahr 2003 war er einer der letzten im Ort, die noch geerntet haben. Frische aus der reifen, nie überreifen Konzentration. Er hat sein Weinbergskonzept sukzessive auf (zu) schnell reifende Jahrgänge eingependelt. Also den Ansatz der vorherigen Jahrzehnte Stück für Stück umgekehrt. Reife kontrolliert verzögern anstatt fördern ist nun die Devise. Über die letzten 20 Jahre hat er permanent an seinen Anbaumethoden gefeilt und die Ergebnisse studiert. Nicht ohne Stolz stellt er fest, dass er in einem Jahr wie 2018 nun die Früchte dieser mühseligen Arbeit ernten kann.

Gemeinsame Weinverkostung im Weinkeller von Jean Grivot

Grivots Lesebeginn war am 11. September 2018. Damit war er bereits eine Woche später dran als die meisten anderen in der Gemeinde. Dann kam eine Regenmeldung, viele andere verfielen in Panik die Lese schnell zu beenden, um nicht im leichten Regen ernten zu müssen. Bei Grivot führte die Meldung zu einem Lächeln, man setzte die Ernte einfach aus und nahm den Regen freudig mit. Was für ein Segen! Selbst danach waren die Alkoholgrade noch nicht zu hoch, sodass danach entspannt weiter gelesen werden konnte. Eine perfekte Reife, brillante Säuren und makellos feine Tanninstrukturen sind das Ergebnis dieser Arbeit im Jahrgang 2018. Dazu dann der immer zu 100 % entrappte Stil des Hauses (ganz im Gegensatz zu seinem besten Freund gegenüber) – das ist Vosne Romanée in Hochform. Wenn man diesen Stil schätzt, kann man sich Schöneres nicht vorstellen. Vom Bourgogne Rouge, der mit Trapets und Patailles ohnehin zu den besten der Region zählt, bis zum atemberaubenden Richebourg. Allesamt sind sie von einer Brillanz und Reintönigkeit gezeichnet, die schwer zu beschreiben ist. Der reinste Hedonismus. Heiner Lobenbergs begeisterte Verkostungsnotizen singen passende Loblieder davon.

Zu allen Weinen

Weinkeller von. Jean Grivot

Verkostungsnotizen Grivot

Faiveley

Es geht entlang bröckelnder Weinbergsmauern, über eine raue Buckelpiste namens Route des Grands Crus, in Richtung des namensgebenden »Hauptstädtchens« der Côte de Nuits. Eine traumhafte Aussicht über die herbstlich gefärbten Hänge der Côte d’Or erstrahlt hinter jeder Ecke in neuem Glanz. Das lässt leicht darüber hinwegsehen, dass einem jedes zweite Schlagloch auf diesem prestigeträchtigsten aller Feldwege fast den Kaffeebecher aus der Hand katapultiert. Die illustre Gemeinde Nuits Saint Georges ist der Hauptsitz einer der renommiertesten und mächtigsten Dynastien der Bourgogne – Familie Faiveley.

Faiveley-Vertriebsleiter Carl Cercellier

Niemand hat mehr privaten Lagenbesitz im Burgund. Stolze 170 Hektar allerfeinster Climats von Gevrey Chambertin bis Mercurey umfasst die Domaine. Vertriebsleiter Carl Cercellier erklärt, dass die Familie das Negociant-Business, welches einige noch mit dem Namen Faiveley verbinden, sukzessive zurückgefahren hat. De facto macht es nur noch unter 20 Prozent der gesamten Produktion aus. Der Rest stammt schon heute vom Eigenbesitz, ist also Domaine-Wein. Von den großen Handelshäusern des Burgunds bilden Faiveley und Louis Jadot mit Abstand die absolute qualitative Spitze, aber nur Faiveley besitzt so viele Weinberge. Der größte Weinbergsbesitz des gesamten Burgunds, und Faiveley ist auf dem besten Wege national wie international als Spitzen-Domaine, und nicht mehr als Negociant wahrgenommen zu werden.

Weingut Faiveley

Bei einem Besuch im imposanten Headquarter jagt eine grandiose Impression die nächste. Alleine das direkt an die Weinberge angrenzende Gutshaus ist schon eine Klasse für sich. Es wartet mit einem großzügigen, symmetrischen Innenhof mit Säulenrundgang auf, inklusive spektakulärem Blick auf die teilweise terrassierten Weinberge hinter der Stadt. Die neu errichtete Fermentationshalle ist nicht nur für Weinliebhaber eine Augenweide. Das ist Architektur vom Feinsten. Die Stahlkonstruktion im Stile Gustave Eiffels, einem engen Freund der Familie, erinnert bewusst an eine Bahnhofshalle. Ein Bahnschienen-Monopol begründete einst den Reichtum und die Macht der Familie Faiveley. Aber spätestens wenn man den gefühlt kilometer-langen Fasskeller betritt, der die Unterwelt von Nuits Saint Georges durchzieht wie ein Fuchsbau, ist man im Burgunder- Himmel angekommen. Die Himmelsleiter ist eigentlich eine Kellertreppe – Weinliebhaber wussten das schon immer. Schätzungsweise über 3.000 Fässer zu 228 Litern Inhalt aus der gesamten Bourgogne liegen hier – Vertriebsleiter Carl Cercellier ist sich selbst nicht ganz sicher. Eine unvergleichliche Enzyklopädie der Terroirs. Genussreicher könnte man sich kaum verlaufen als in diesem Labyrinth aus Pièces. Wenn wir einen eigenen Weinheber dabei gehabt hätten, wären wir vielleicht heute noch dort.

Faiveley-Vertriebsleiter Carl Cercellier

Mit der Verkostungsgeschwindigkeit eines routinierten Wein- Trüffelschweins steuert Heiner Lobenberg mit Carl Cercellier durch den riesigen Fasskeller, dass dieser mit dem Gläser füllen kaum hinterherkommt. Zwischendurch innehalten, zweifach und dreifach probieren, kommentieren, abwägen – bei so einer Auswahl kommen wirklich nur die allerfeinsten Tropfen des Jahrgangs ins Programm. Die 2018 sehr fruchtstarken Weißweine zeigen nicht die enorme Spannung der 2017er, sondern glänzen durch opulenten Charme. Reminiszenz an 2015 oder 2011. Die Chardonnays werden wohl eine noch längere Entwicklungszeit brauchen, als die sehr zugänglichen, ultra-charmanten Pinot Noirs. Es scheint, als habe 2018 im besten Fall Pinots hervorgebracht, die sowohl umgarnend offenherzig sind, als auch ein langes, langes Leben vor sich haben werden. Üppigen, samtig-dichten Tanninen und hoher Traubengesundheit sei Dank.

Heiner Lobenberg und Carl Cercellier beim Verkosten

2018 glänzen die üblichen Verdächtigen vielleicht noch mehr als sonst, wobei weiße Burgunder nur selektiv Eingang ins Primeur-Portfolio finden werden. Der kühlere Corton- Charlemagne sticht sogar den Batard-Montrachet aus, der etwas unter seinem Kampfgewicht leidet dieses Jahr. Daneben glänzen rot dann vor allem Gevrey Lauvaux-St-Jacques, Nuits Les Saint Georges, Chambolle Les Amoureuses, Chambertin Clos de Bèze. Keine Überraschung, aber in diesem Jahr sind sie einfach ein mundfüllender Hochgenuss und schon aus dem Fass zum Reinspringen lecker. Auch Heiner muss gestehen: selten aus dem Fass schöner probiert als dieses Jahr. Und es sind eben die ganz besonderen Lagen, die auch ein bisschen Kante zeigen. In einem Jahr, das bei manchen Weinen und Erzeugern einen Hang zur charmanten Belanglosigkeit hat, zeigt sich das umso mehr. Ein atemberaubender Corton Clos de Corton-Faiveley erhebt Anspruch darauf, einer der größten Cortons des Jahrgangs und in Faiveleys Geschichte zu werden. Aber auch mit dem Beaune 1er Cru Clos de l’Ecu bekommt man 2018 sehr, sehr viel Burgund in Hochform zu einem absolut fairen Tarif. Der einzige Trost beim Verlassen der endlosen Hallen des Bacchus ist, dass es auf zur Domaine de l’Arlot geht. Da kann man sich kaum beschweren.

Zu allen Weinen

Weinfässer Faiveley

Verkostungsnotizen Faiveley

Domaine de L’Arlot

Der südliche Nachbar von Nuits Saint Georges ist das kleine Örtchen Premeaux-Prissey. Trotz seiner wunderschönen, teilweise terrassierten Weinberge, die zu den besten der Cote de Nuits gezählt werden können, ist der Ort kaum bekannt. Das liegt ganz einfach daran, dass die hier wachsenden Weine nur als Nuits Saint Georges vermarktet werden, obwohl sie diese Güte in Village und 1er Cru ganz locker übertreffen können. Ohnehin haben die zwei Hauptstädte der Côte d’Or, Beaune und Nuits Saint Georges, unglücklicher Weise nur deshalb keine Grands Crus, weil es traditionell die Negociant-Hochburgen waren. Negociants waren schon damals die einflussreichsten Personalien der Region. Und diesen war nicht besonders daran gelegen, dass die Weinberge ihrer Haupt-Traubenlieferanten als besonders hoch eingestuft werden. Denn das hätte die Trauben für sie im Einkauf ungleich teurer gemacht. Es ist also nicht verwunderlich, dass etwa Beaune Grèves, Nuits Les Saint Georges oder auch l’Arlots Clos de Forets Saint Georges regelmäßig Grand Cru Niveau ins Glas bringen.

Vorstellung bei Domaine de L’Arlot

Dass sie diesen Titel nicht auf dem Etikett tragen dürfen, hat eben leider rein historisch-politische Gründe. Das kleine Dorf Primeaux-Prissey beheimatet neben der geheimnisvollen, biodynamischen Domaine Prieuré Roch (Familie Leroy/DRC) mit L’Arlot eine der bezauberndsten biodynamischen Domaines des Burgunds überhaupt. Das Gutshaus der Domaine de l’Arlot liegt inmitten ihrer hervorragenden Monopole-Lage Clos de l’Arlot. Durch die von Weinbergsmauern und Wälder zu allen Seiten geschützte Lage herrschen hier Idylle und Natur pur. Diese einzigartige Lage erlaubt eine unnachahmliche, vor abdriftenden Spritzungen geschützte biodynamische Wirtschaftsweise. Sträucher und Obstbäume stehen zwischen den Reben, die sich über terrassierte Ebenen mit flachen und steilen Hangabschnitten verteilen. Hier herrscht ein intaktes Ökosystem und man spürt die Besonderheit und die einnehmende Ruhe dieses Ortes bereits bei einem kurzen Spaziergang durch die Anlagen.

Blick auf das Weingut Domaine de L’Arlot

Die Lese begann hier dieses Jahr am 1. September, und zwar mit Pinot Noir, und nicht wie sonst üblich mit dem Chardonnay im Clos de l’Arlot. Die Lagen der Domaine in Vosne Romanée, also der 1er Cru Les Suchots und Romanée Saint Vivant Grand Cru, hatten im Spätsommer kaum Regen abbekommen und die Alkoholgrade drohten zu explodieren. Deshalb entschied sich Chef de cave Géraldine Godot für eine frühere Lese. Ohnehin hat sie den Stil der Domaine seit den 2010er Jahren deutlich verfeinert. Die Tage, in denen bei l’Arlot unnahbare Monumente für die Ewigkeit geschaffen wurden, sind vorbei. Die Weine zählen heute zu den zartesten Versuchungen der Bourgogne, mit ultra-feinem Rückgrat und geradezu femininem Parfüm. Auf Grund der peniblen Arbeitsweise haben sie dabei allerdings nichts von ihrer Lagerfähigkeit eingebüßt. Der Chardonnay aus dem Clos de l’Arlot ist einer der besten, in manchen Jahren vielleicht DER beste Weißwein der Côte de Nuits. Die 2018er der Domaine können am besten mit »force tranquille«, also ruhender Kraft, beschrieben werden. In jedem Jahr vereinen sie die typische Kraft und Tiefe von Nuits Saint Georges mit einer für die Gemeinde ungewöhnlichen Feinheit. Und ein opulentes Jahr wie 2018 und dieser feine Stil des Hauses vermählen sich zu einer grandiosen Balance der höheren Art. Die Weine sind ebenso bezaubernd und speziell wie es dieser mythische Ort verspricht.

Zu allen Weinen

Wein von Domaine de L’Arlot

Verkostungsnotizen L’Arlot

Cachat-Ocquidant

Von Premeaux-Prissey aus geht es dann noch ein Stückchen weiter südlich in Richtung Beaune. Das kleine Örtchen Ladoix, am Hangauslauf des Corton Berges gelegen, markiert den Übergang zur Côte de Beaune. Hinter den Türen eines zunächst sehr unscheinbaren Wohnhauses verbirgt sich mit Cachat-Ocquidant eine Domaine, wie sie bodenständig-burgundischer kaum sein könnte. Nachdem uns seine Hunde lautstark angemeldet haben, empfängt uns der Hausherr persönlich. Ein herzlicher Mann um die 60, dessen schroffe Hände ohne Umschweife verraten, dass hier der Patron noch selbst im Weinberg steht.

Kellermeister von Cachat-Ocquidant

Wenngleich auch hier die nächste Generation schon in den Startlöchern steht. Der Kellermeister von Cachat-Ocquidant war früher für die Weißweine im berühmten Hause Coche-Dury zuständig. So klein, familiär und unscheinbar wie die Domaine nach außen wirken mag – in diesem winzigen, düsteren Keller schlummern brillante Burgunder für die Freude. Die Chardonnays aus Ladoix und Pernand Vergelesses sind von strahlender Reintönigkeit, mit reifer, erfrischender Frucht, heller Blütenduftigkeit und feinsalziger Mineralik unterlegt. Auch die Weinbergböden von Ladoix weisen bereits den rötlichen Schimmer von hohen Eisenanteilen auf, für den das Umfeld des Corton berühmt ist. Die Pinot Noirs der Domaine müssen aber nicht für lange Jahre in den Keller um charmant zu werden, wie es in dieser Region sehr häufig der Fall ist. Die Domaine steht für eine zugängliche, feinfruchtige und delikate Handschrift im vollständig entrappten Stil. Und zwar bis hoch zum Corton Grand Cru. Letzterer entstammt einer Monopole-Lage der Domaine, dem Clos des Vergennes. Dieser zugängliche, und dennoch äußerst lagerfähige Grand Cru, ist ein rotfruchtiges Wunderwerk und sicher einer der größten Preishammer der Côte d’Or. Hier gibt es Wahnsinnsqualitäten aus handwerklicher Kleinstarbeit zu unglaublich fairen Preisen. Das wird leider immer seltener im Burgund. Aber es gibt sie noch, wenn man nur gründlich sucht. Die grandiosen Familien-Manufakturen in den kleineren Gemeinden, die solch herausragende Weine keltern und dennoch unter dem Radar fliegen.

 

Weine von Cachat-Ocquidant

Louis Jadot

Ein Dejavu besonderer Art. Durch die Vermittlung eines Freundes, des berühmten Trierer Gastronomen (Schloss Monaise) und intimen Jadot-Kenners und Liebhabers Hubi Scheid, bekamen wir den Hinweis auf einige besondere Weine von Louis Jadot. Nur Domainenweine von eigenen Weinbergen und im deutschen Markt noch nicht vertreten. Früher, zu Zeiten Heinrich Bitters beim Importeur Ludwig von Kapff, war Jadot ein fester Bestandteil bei Lobenbergs. Dann wechselte Jadot zu einem Generalimporteur. Dank des super sympathischen und welt- bzw. marktoffenen Verkaufsdirektors Siegfried Pic, ein Elsässer, wird das jetzt der Start einer zweiten, ganz direkten Liebe.

Louis Jadot

Jadot ist mit seinen eigenen Weinbergen dank des genialen Kellermeisters Jacques Ladiere fast auf dem Niveau des anderen großen Hauses und Superstars Faiveley. Aber es gibt bei Jadot nicht soviel eigene Weinberge, da muss man gut selektieren, die Negoc-Ware ist zwar gut, aber wir wollen mehr. Viel besseren Stoff eben wie die genial probierten Weine aus Volnay, Beaune, Chambolle, Santenay, Puligny, Meursault und Ladoix. Verblüffend dicht, aromatisch und faszinierend in der fruchtstarken Substanz sind die extrem Lagentypischen Roten, der erste wirklich tolle Santenay meines Lebens, und der kleine weiße Ladoix ist der Hammer. Der Anspruch bei Jadot geht jedoch noch weiter: In jedem Ort will man zu den drei besten Erzeugern gehören. Wo sich die Gelegenheit bietet, werden Top-Lagen gekauft. In Beaune hat man eine ultramoderne Kellerei gebaut, in der Jacques Ladiere, einer der anerkannt besten Weinmacher des Burgunds, unter optimalen Bedingungen arbeiten kann. Der qualitative Erfolg beruht auf der rigiden Selektion des Traubenmaterials und dem schonenden Ausbau. Im Hause Jadot kommt noch die traditionelle Maischegärung zum Einsatz: Die Trauben werden vollständig entrappt, um dann in offenen Cuves 25 Tage lang die Gärung zu durchlaufen. Der lange Kontakt mit der Maische gibt den Weinen ein kräftiges Gerüst und viel Substanz.

Zu allen Weinen

Weinproduktoin Louis Jadot

Verkostungsnotizen Jadot

Sylvain Pataille

Von Beaune aus geht es nun über die Stoßdämpfer-freundlichere Autobahn zur nördlichsten Gemeinde der Cote d’Or. Das Örtchen Marsannay schmiegt sich hier an die urbanen Ausläufer der Kulinarik-Hochburg Dijon. Genau genommen verwächst Marsannay durch die anhaltende Ausdehnung der Stadt zunehmend mit den südlichen Vororten der kleinen Großstadt. Ein Name ist untrennbar mit der Gemeinde verbunden: Sylvain Pataille. Er ist der Großmeister, der mit seinem freigeistigen Wirken dem kleinen Örtchen einen festen Platz im Herzen vieler Weinenthusiasten erobert hat. Er schafft dabei etwas, dass nur wenigen Winzern gelingt: er begeistert sowohl Jünger der Naturweinszene, als auch klassische Burgunderfans. Denn seine charakterstarken Weine sind best of both worlds.

Heiner Lobenberg im Gespräch mit Sylvain Pataille

Einst als junger Wilder angetreten, ist Pataille heute eine feste Größe im Burgund. Seinem hoch-individuellen Stil ist er dabei stets treu geblieben, mehr noch, er setzt weiterhin Maßstäbe, was naturbelassene Weine der allerersten Reihe angeht. Aber nicht nur Marsannay steht auf seiner Flagge. Er ist ebenso einer der Mitbegründer und Vorreiter einer dynamischen Szene, die die alt-burgundische Rebsorte Aligoté in neuem Glanz erstrahlen lässt. Aligoté ist jetzt cool – zu Recht! Denn wer einmal seinen Aligoté aus der hervorragenden Lage Clos du Roy im perfekten Trinkfester im Glas hatte, der wird die viel zu lange stiefmütterlich behandelte Rebsorte in einem völlig anderen Licht sehen. In Sachen Größe und Eigenständigkeit kommt da höchstens noch Laurent Ponsots 1er Cru Monts Luisants mit, der seit 2005 ebenfalls wieder ein reinsortiger Aligoté ist. Pataille und unter anderem auch unsere Winzerin Agnes Paquet, haben mit der Vereinigung »Les Aligoteurs« eine qualitative Speerspitze für die Sorte ins Leben gerufen. 2019 war deren erste groß angelegte Verkostung in Paris. 2020 werden sicher weitere folgen – Fans der Rebsorte sollten dran bleiben. Wer noch keiner ist: Mit Patailles Weinen ist der Weg dorthin sehr kurz. Der Jahrgang 2018 ist keiner nach Sylvain Patailles persönlichem Geschmack gewesen. Er ist kein Fan von »millesimes solaires«, also Hitzejahren. Spannung geht für ihn über alles, und die ist in solch einem Jahr natürlich umso schwerer zu erhalten. In seinen Augen ist das Jahr eine etwas üppigere Mischung aus 2009 und 2012, also unserer Meinung nach dennoch sehr vielversprechend.

Weinkeller von Sylvain Pataille

Sylvain liest die Weine in seinem Keller wie andere Bücher. Sein Chardonnay Charmes aux Pretres ist im ersten Jahr des Ausbaus immer der oxydativste aller Weine, um dann im zweiten Jahr in eine extrem kreidige Reduktion zu drehen. Total abgefahren was hier in den alten Fässern schlummert. Für Pataille ist es eine charakteristische Eigenart der Lage. Ich kann nur sagen, dass wir überwältigt wurden von der Spannung und dem mineralischen Druck dieses Weines. Eine große Show! Sicher einer der grandiosesten, wenn auch etwas extremen Weißweine, die wir aus diesem Jahr probiert haben. Pataille-Style vom Feinsten, ein Megawein. Die Lagen-Pinot Noirs sind zum Zeitpunkt unseres Besuchs noch sehr reduktiv, weil sie noch gar nicht abgestochen wurden. Sie liegen überwiegend ungeschwefelt und unberührt im Fass. Auch bei den Roten glänzt Charme aux Pretres. Die Lage ist bei der INAO (zuständig für die AOCs Frankreichs) zur Hochstufung als Marsannay Village angemeldet. Aktuell liegt sie auf Bourgogne regional Einstufung. Das ist ein großer Witz bei dieser Qualität im Glas. Aber eigentlich auch egal am Ende, Insider wissen ja was Sache ist. Sylvain Patailles 2018er Pinot Noirs sind reichhaltig, fruchtstark und zugleich fest strukturiert. Die feinporigen, samtigen Tannine legen sich wie feinstes Puder über den Gaumen. Pataille ist auch in diesem Jahr ein eigener Kosmos. Vielleicht etwas unkonventionell im ersten Angang, aber unwiderstehlich, wenn man erst mal angefixt ist.

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Weine von Sylvain Pataille

Verkostungsnotiz Pataille

Der Aligoté ist Patailles absolutes Steckenpferd, fünf verschiedene erzeugt er mittlerweile. Alle Weine bei Sylvain entstehen in biodynamischer Weinbergsarbeit, Handlese mit kleinsten Erträgen, alles macht der Großmeister höchstpersönlich. Alles wird spontanvergoren. Das Ausgangsmaterial wird angequetscht und dann als Ganztraube auf der kleinen Korbpresse über mehrere Stunden gekeltert. Der Most geht dann ungeklärt, ungeschwefelt und unbearbeitet direkt ins Holz in die Spontangärung. Der Basis Aligoté wird je zur Hälfte in Edelstahl und im Barrique vergoren. Der Ausbau erfolgt dann im gebrauchten Barrique. Sylvain Pataille mag keinen Schalenkontakt bei Weißweinen, weil er nicht mag wie es die Aromatik verändert. Die Nase dieses Aligotés ist gerade für einen 2018er sehr überraschend, weil sie so frisch ist, leicht grüne Elemente enthält. Grünliche Reneklode, ein bisschen Avocado dahinter, echt spannende Nase, ein ganz kleiner Touch Holz, hohe Intensität und unglaubliche Frische. Obwohl der Wein die Malo durchlaufen hat, hat er fast zitrische Säure. Erstaunliche Länge und viel Terroirabdruck, Kalkstein, Salz und Kreide. Und immer wieder diese schön angenehme, leicht grünliche Frische. Aligoté in einer famosen Ausprägung mit ganz viel Eigenständigkeit und Charakter. Am Ende rollt wieder ein bisschen Quitte hoch, wieder die leicht grünliche Aprikose mitsamt Aprikosenkernen. Das macht wirklich viel Freude und ist ein eindrucksvoller Stil für Aligoté. Sylvain Pataille ist eben der Großmeister schlechthin für diese Sorte. 93–94/100

Die Reben sind uralt, die Reben wurden 1932 und 1961 gepflanzt. Lehm- und tiefe Kiesböden. Auf 200 Metern N.N. im Talboden gepflanzt. Alle Weine bei Sylvain entstehen in biodynamischer Weinbergsarbeit, Handlese mit kleinsten Erträgen, alles macht der Großmeister höchstpersönlich. Alles wird spontanvergoren. Das Ausgangsmaterial wird angequetscht und dann als Ganztraube auf der kleinen Korbpresse über mehrere Stunden gekeltert. Der Most geht dann ungeklärt, ungeschwefelt und unbearbeitet zunächst zur Angärung in Edelstahl und dann zur weiteren Vergärung, für Malo und Ausbau in Demi-Muid Fässer von 350 Litern, zweite und dritte Belegung. Ausschließlich Spontangärung. 15 Monate Ausbau, normalerweise ohne Batonnage, das ist ein bisschen abhängig wie sich der Wein bezüglich Reduktion und Oxidation verhält. Wenn der Wein zu sehr Richtung Oxidation geht rührt er die Hefen etwas auf, um deren reduktive Wirkung zu verstärken. Vor der Abfüllung wird der Wein nochmal für vier bis fünf Wochen im Edelstahl homogenisiert. Dieser Wein besticht in der Nase nicht durch Holzeinfluss, denn gebrauchte 350 Liter Fässer geben kaum noch Holzaromatik ab. Bestechend ist diese Tiefe aus den uralten Reben, so profund, man ahnt kaum, dass Aligoté eine solche Ausdruckskraft hervorbringen kann. Quitte, Kimchi, anfermentiertes Gemüse, etwas Sauerkraut, eine Aromatik von der Spontangärung und der Reduktion, dazu grünliche Ananas, das ist wirklich spannend. Der Wein erweckt auch ein wenig den Eindruck als hätte er einen gewissen Schalenkontakt bekommen, das hat er aber nicht. Hier gibt es immer nur Direktpressung. Eine unglaubliche mineralische Tiefe, der Duft reicht schon, so immens, so reich, so dicht. Und das ist ein Aligoté! Blind hätte ich ihn wahrscheinlich für einen großen Chenin Blanc von der Loire gehalten. Dass es kein Chardonnay ist, ist eindeutig. Aber Aligoté?! Der Wein ist durchaus würdig der Nachfolger des großen Aligoté Clos du Roy von Pataille zu sein, der für mich zu den größten Aligotés überhaupt zählt. Sehr persönlich, sehr ausdrucksstark. Der Wein steht für Minuten und zeigt eine wahnsinnige Frische für 2018. Patailles Weine zeigen 2018 fast die selbe Frische wie die 2017er, das ist eine wirkliche Besonderheit hier. Der Mann kann es wirklich. Der Champs Forey rollt immer wieder hoch, diese Fruchtintensität, Kimchi, grüne Ananas, zerstoßene Aprikosenkerne, ein bisschen Quitte und leichte zitrische Noten dazu. Aber das ist auf keinen Fall Everybody’s Darling, sondern ein Wein für Kenner oder Freaks. Nur der Basis Aligoté von Pataille ist ein Wein für Jedermann, aber in gehobenen Qualitäten. Dieser Champs Forey ist wirklich super spannend, aber man sollte schon etwas rumgekommen sein in der Welt der freakigen, leicht schrägen Weißweine. 94–95/100

Domaine Trapet

Es bleibt nicht viel Zeit darüber nachzudenken wie Sylvain Pataille es wohl geschafft hat, dem üppigen Jahrgang so viel Spannung und Vibration zu entlocken. Denn der nächste Termin liegt nur einen Steinwurf entfernt im benachbarten Gevrey Chambertin. Die berühmte Gemeinde ist nur durch das noch kleinere Fixin von Marsannay getrennt. Hier residiert mit Jean Louis Trapet nicht nur einer der berühmtesten Botschafter des Ortes, sondern auch einer der ursympathischsten Winzer der Region. Man sieht Jean Louis Trapet selten ohne sein mildes Lächeln im Gesicht. Dazu zählen Patailles und Trapets Bourgogne Rouge regelmäßig zu den allerbesten im Burgund, weil sie unglaublich saftig und aromatisch sind. Die reinste Trinkfreude.

Jean Louis Trapet schenkt Wein ein

Genau wie bei Pataille ist auch hier die Biodynamie eine maßgebliche Konstante in den Weinbergen. Bereits seit über 20 Jahren arbeitet die Domaine biologisch und seit 10 Jahren auch biodynamisch zertifiziert. Die Familie Trapet ist seit Jahrhunderten mit dem Weinbau in Gevrey verwurzelt. Der sanftmütige Patron kann stundenlang über die Historie dieses Ortes referieren. Zum Beispiel darüber, wie sein Urgroßvater während der Reblauskrise in einer Nacht-und-Nebel-Aktion als erster Pfropfreben mit amerikanischen Wurzeln in Gevrey gesetzt hat. Zu einer Zeit als das in Frankreich noch illegal war. Doch viele folgten seinem Beispiel, als es erst mal funktionierte. Jean Louis Trapet ist die Ruhe selbst. Er bewirtschaftet entschleunigte Weinberge, dessen Ökosysteme er zu verstehen sucht. In der Domaine folgt eine minimalistische, langsame Vinifikation mit überwiegend moderatem Holzeinsatz. In diesem Ruhepol von Weingut entstehen echte Slow-Wines. Umso überraschender ist es, dass Trapets Weine alle mit einer begeisternden Vitalität gesegnet sind. Es sind rotfruchtige Energiebündel, die dank kreidigem Gripp und elektrisierenden Säuren über die Zunge donnern wie ein Kugelblitz. Die 2018er Kollektion ist eine Wucht, aber abermals eine in saftiger Delikatesse und feinnerviger Eleganz. Selbst in diesem Jahrgang keine Spur von blanker Üppigkeit. Familie Trapet schafft es auf wundersame Weise, auch in höllisch warmen Jahren eine brillante Balance zu erhalten. Selbst in Jahren wie 2009 oder 2015 füllt Trapet seine Gevrey Chambertin Villages beizeiten mit 12,5 % vol. ab, und schafft es dennoch den Weinen Tiefe und das nötige Format mitzugeben. Das ist schon einmalig. Viele Winzer berichten davon, dass die Biodynamie dabei hilft, eine physiologische Traubenreife schon bei niedrigeren Öchslegraden zu erreichen. Trapets Weine sind ein eindrückliches Beispiel dafür.

Weinlagerung bei Jean Louis Trapet

Als einer der wenigen Winzer auf unserer Reise schätzt Jean Louis Trapet den Jahrgang 2018 sogar höher als den extrem vielversprechenden 2019er. Seine Begründung sind die Ertragseinbußen durch Hitze und Trockenheit in 2019, das eben das zweite Trockenjahr in Folge war. Dafür bescheinigt er den 2018ern eine Steigerung der 2005er zu sein. Vor allem auf Grund noch besserer Weinbergsarbeit und fortschrittlicherem Phenol- Management. Besonders bemerkenswert ist immer Trapets Latricières Chambertin. Der reicht zwar nicht an die Größe seines Le Chambertin heran, ist aber einfach ein höchst faszinierender Wein. Latricières war die erste Grand Cru Lage im Portfolio der Domaine. Der Urgroßvater erwarb die unterhalb des 1er Cru Lavaut-St-Jacques liegende Parzelle im Jahr 1904. Latricieres ist wie ein Amphitheater exponiert. Dazu ist der Boden von hellen Kalk- und Kreidebruchstücken übersät, was eine gewisse Wärme verleiht. Zugleich liegt die Lage aber in einer Combe, also Kuhle, wie sie für die Terroirs des Burgunds von ganz entscheidender Bedeutung sind. Durch die Mulde des St- Jacques und des Latricieres zieht fast permanent ein kühler Abwind aus dem Wald. Die Gegenpole zwischen frischem Wind und der Wärme der Lage machen die Charakteristik von Latricières aus. Ein Wein von beinahe unbegreifbarer, intrinsischer Energie, die mit Laser-artiger Präzision die wollüstige, samtig-weiche Phenolstruktur durchbricht. Ein Wein, der Gegensätze vereint. Wenn man von hoher Vertikalität sprechen mag, ist das ein Wolkenkratzer. Trapet ist einfach total unique. Wir sind hocherfreut, Ihnen seine sehr limitierten Weine nun anbieten zu können.

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Weine von Jean Louis Trapet

Verkostungsnotizen Trapet

Domaine Thierry Mortet

Dank dem strikten französischen Erbteilungsrecht, das für einiges Kopfzerbrechen im Weinbau sorgt, verfügt Thierry Mortet über die selben herausragenden Weinberge wie sein zur Legende gewordener, verstorbener Bruder Denis Mortet. Letztere Domaine wird mittlerweile von dessen Sohn weitergeführt. Der dynamische Bruder Thierry steht noch selbst und sehr gesund voll im Berufsleben. Er hat Parzellen in den selben 1ers Crus wie Trapet in Gevrey. Thierrys Weine sind eher klassisch, ausgewogen, etwas kerniger und weniger auf Säuren gebaut als der Superstyler Trapet. Bei einigen von Thierrys 2018ern merkt man die Problematik des ultracharmanten Jahrgangs. Einige Weine drohen etwas von der üppigen, dichtgewobenen, schwarzen Frucht in ihrer Lagencharakteristik und Unterscheidbarkeit beeinträchtigt zu werden, sie sind dann zu nett.

Thierry Mortet

Positiv ausgedrückt eben sehr gefällig, das ist kein geschmacklicher Nachteil, aber es fehlen einige Ecken und Kanten. Der Klassiker wird vielleicht hier und da, zumindest außerhalb der Gemeinde Gevrey, zu lieb. Hier muss Heiner sorgfältig sortieren. Gerade auch im Anbetracht von Thierry Mortets grandios tänzelnden und spannungsgeladenen 2017er, die wir so sehr schätzen. Aber die besten Weine von Thierry sind 2018 ganz superb, archetypische Gevreys in einer dunkleren, charmanteren und etwas reiferen Ausprägung als Trapet. Nicht ganz so delikat und feingliedrig, dafür mundfüllend, samtig weich und immens lecker. 2018 Thierry Mortet ist voll von wollüstigem, dunkelfruchtigem Charme. Wer die Spannung liebt, dem wird 2017 immer besser gefallen. Wer mehr den samtigen Druck sucht, den vollen aromatisch fruchtigen Druck, der wird mit 2018 bestens bedient.

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Weine von Thierry Mortet

Domaine de Bellene

Verglichen mit dem bzgl. 2018 schon höchst zufriedenen Jean Louis Trapet legt Nicolas Potel noch eine Schippe drauf bei seinem Lobgesang auf den Jahrgang 2018. Wir treffen den umtriebigen Winzer wie meistens recht spät. Die letzten Sonnenstrahlen fielen gerade durch das Fenster seines Wohnzimmers. Wir sind mitten in Downtown Beaune. Potel ist ein gefragter Mann, neben seiner eigenen Domaine de Bellene betreibt er mit dem Maison Roche de Bellene auch noch ein renommiertes Negociant-Business und ist auch Consultant. Sein Vater Gerard Potel ist eine Legende der alten Garde im Burgund. Er war lange Jahre für die Weine der Domaine de la Pousse d’Or in Volnay verantwortlich. Nicolas verfolgt bei De Bellene heute allerdings sein eigenes Ding. Hier hat er völlig freie Hand und kann seinen eigenen Stil entwickeln, ohne an die DNA eines altehrwürdigen Hauses anknüpfen zu müssen. Am charakteristischsten sind sicher seine Abfüllungen aus Beaune und dessen Nachbargemeinden.

Nicolas Potel von Domaine de Bellene

Die 2018er Kollektion zeigt den strukturierten, betont fest gebauten Stil von Potel in einer Reintönigkeit und einer geschliffenen Eleganz, wie vielleicht noch niemals zuvor. Durch einen extensiven Rappeneinsatz und eine klassische Vinifikation nach alter burgundischer Schule zeichnen sich die Weine von Bellene immer durch ein vielschichtiges Mundgefühl aus. Der üppigen Frucht stehen stets üppige Tannine entgegen. Lagerfähigkeit und Struktur stehen hier noch über allem, es ist kein allzu moderner Stil, den Potel pflegt. Deshalb spielt ein Jahr wie 2018 mit seiner grandiosen Phenolstruktur ihm natürlich wie maßgeschneidert in die Hände. Die Tannine sind in diesem Jahr zwar in Massen vorhanden, aber eben fein wie Samt. Es ist also kein Wunder, dass Potel den Jahrgang 2018 für den besten hält, den er in seiner Karriere als Winzer je vinifiziert hat. In seinen Augen steht 2018 über allen Topjahren der 2000er und sogar über seinem bisherigen Primus 1990. Potel schätzt das Lagerpotenzial von 2018 seiner Erfahrung nach als beinahe unendlich ein. Umso überraschender ist es, wie ansprechend und delikat die Weine schon jetzt zum Zeitpunkt unserer Probe sind. So gesehen können wir seine Begeisterung für den Jahrgang durchaus nachvollziehen. Heiner Lobenberg konnte vor kurzem hier noch eine schöne Serie von gereiften Jahrgängen wie 2011, 2012 und 2013 aus absoluten Top-Lagen erwerben. Eine hervorragende Kostprobe für das Alterungspotenzial der biologisch angebauten Weine von de Bellene – zu sehr fairen Preisen.

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Weine von Domaine de Bellene

Domaine des Monts Luisants

Unweit von Nicolas Potels Wohnung treffen wir Monsieur Dufouleur in seinem kleinen Büro, dass wie ein kleines Reisebüro mitten in der Stadt anmutet. Die Weine der Domaine des Monts Luisants sind sein Herzensprojekt. Er vinifiziert die Weine wie seine Urgroßväter, das heißt mit rudimentären Mitteln und nahezu ohne den Einsatz von Technik. Alles mit den Füßen eingemaischt, immer 100 % Ganztrauben. Fast nur der ohne Druck von der Presse ablaufende Saft wird verwendet, um eine zu massive Phenolik zu vermeiden. Im Jahr 2017 hat er eine neue Parzelle gekauft. 0,3 Hektar in einem Lieu-dit namens Le Rognet et Corton, Appellation Corton Grand Cru.

Monsieur Dufouleur

Seine Parzelle grenzt direkt an die der Domaine de la Romanée Conti im Corton an. Der Wein wird unter dem Label Dupré vermarktet, der 2017er ist das Erstlingswerk. Er darf nicht sein bisheriges Label verwenden, weil er die Parzelle durch eine Firma mit anderer Rechtsform gekauft hat. Es folgt eine irre Geschichte über die Irrungen der französischen Bürokratie, viel Stress mit dem Zoll inklusive. Im Endeffekt durfte er den Wein nicht mal in seinem Weingutskeller vinifizieren. Bis zwei Tage vor dem Erntezeitpunkt war er noch auf der Suche nach einer Alternative, dann fand er in höchster Not und letzter Sekunde einen Keller in Beaune, in dem er den Wein vergären und ausbauen konnte. Eine irre Geschichte zu einem sehr spannenden Wein, der dem ausgefallenen Stil des Jean-Marc Dufouleur in jeder Hinsicht treu bleibt.

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Weine von Domaine des Monts Luisants

Tollot-Beaut

In nördlicher Richtung aus der Innenstadt von Beaune hinaus, sind wir nach zehn Minuten in Chorey les Beaune. Das ist neben Savigny, Pernand Vergelesses, Ladoix und Aloxe Corton, eine der kleinen Gemeinden im Umland des Corton Berges. Eine der spannendsten, und unterbewertetsten Regionen der Côte d’Or. Leicht hügelig, oft kühler hier und mit diversen Bodenarten. Schatzsucher und Schnäppchenjäger werden hier am ehesten fündig. Nirgendwo sonst gibt es so viel kleine Familien-Domaines, die handwerkliche Qualität zu bodenständigeren Preisen anbieten. Eine solche ist auch Tollot-Beaut.

Nathalie Tollot

Die unglaublich liebenswürdige Nathalie Tollot und ihre Familie stehen für sehr klassische Burgunder aus biodynamischem Anbau. Seit 2014 setzt die Domaine eine moderne Entrappungsmaschine ein, die die Beeren absolut unversehrt lässt. Somit kann eine intrazelluläre Angärung innerhalb der Beeren á la Macération Carbonique auch bei vollständiger Entrappung erfolgen. Die Weine haben dadurch nochmals an Präzision, Feinschliff und vor allen Dingen Charme gewonnen. An ihrer würzigen, dichten Struktur und der großartigen Alterungsfähigkeit hat das allerdings nichts geändert. Dafür sind die Pinot Noirs noch zugänglicher, klarer und ausdrucksstärker geworden, die sehr spannenden, oft eisenhaltigen Böden am Corton sorgen dazu für den ganz speziellen Charakter. Nathalie Tollot erzählt uns von der Legende, dass Karl der Große den Corton Charlemagne von traditionell rot auf wie heute üblich weiß umpflanzen lies. Seine Frau störte sich angeblich an den Rotweinflecken in seinem weißgrauen Bart. Tatsächlich war der Charlemagne früher Rotwein Terroir und wurde erst in den jüngeren Jahrzehnten mit Chardonnay und Pinot Blanc bestockt. Viele Weinberge wurden umgepfropft, sodass der weiße Charlemagne stetig erweitert wurde und heute auch viele ost- und west-exponierte Parzellen umfasst.

Weinkeller von Tollot-Beaut

Der traditionelle Kernbereich der Lage ist der südwestliche Hangkopf. Hierher kommt der Corton Charlemagne etwa von Bonneau du Martray, und ab 2019 auch der von Domaine Romanée Conti, die von ersteren gepachtet haben. Die Ostexpositionen sind aber in einem Jahr wie 2018 gar vielleicht bevorteilt? Jedenfalls ist Tollot Beauts Corton Charlemagne, genau wie schon bei Faiveley, einer der besten Weißweine des Jahrgangs 2018, auch wegen seiner charakteristisch eher kühleren Frucht und hohen Spannkraft. Bei den roten begeistert vor allem der griffige 1er Cru Beaune Grèves, der in diesem Jahr seine würzige Kraft mit samtigem Charme vereint. Großartig!

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Heiner Lobenberg und Tollot im Gespräch

Chandon de Briailles

Im benachbarten Savigny les Beaune besuchen wir mit der Domaine Chandon de Briailles ein weiteres familiengeführtes Kleinod. Zunächst beeindruckt das traumhafte Gutshaus, das fast an ein kleines Château im Médoc erinnert, aber natürlich im mittelalterlich-burgundischen Stil erbaut ist. In Frankreich ist diese grandiose Domaine schon lange gefeiert, aber in Deutschland fliegt sie noch immer etwas unter dem Radar und ist was für eingeweihte Insider.

Heiner Lobenberg und Francois de Nicolay im Austausch

Seit 2001 wird die Domaine von Francois de Nicolay und seiner Schwester Claude gemeinsam geführt. Bereits seit 1998 wird hier ausschließlich biologisch-organisch im Weinberg gearbeitet. Francois war zuvor Weinhändler in Paris. Somit hat er die Qualitätssteigerungen einiger seiner Produzenten, die in den 1990ern zur Biodynamie konvertierten, aufmerksam beobachtet. Es stand für ihn fest, dass er diesen Weg auch in seiner eigenen Domaine umsetzen wollte. Ab dem Jahrgang 2005 wurde dann komplett biodynamisch gearbeitet, 2011 folgte die vollständige Zertifizierung. Die Bodenbearbeitung findet wieder mit Pflug und Hacke statt, Pflanzenschutz wird nur reaktiv und nicht präventiv angewendet. Aber auch der Einsatz von Kupfer wurde über Jahre auf ein Minimum reduziert. Chandon verfügt über absolute Spitzenlagen in der Region um den Corton. Zum Portfolio zählen neben vielen der besten 1ers Crus aus Savigny und Pernand-Vergelesses auch Filetstücke in Corton-Bressandes und Corton Clos du Roi.

Weinfässer von Chandon de Briailles

Um diese Lagenschätze möglichst unverfälscht zum Ausdruck bringen zu können, ging man auch im Keller den Weg des radikalen Nicht-eingreifens. Francois de Nicolay bezeichnet seinen Ansatz als »neo-klassischen« Burgunder-Stil. Es ist modernes Know-How nötig, um eben möglichst nicht in die Weinwerdung eingreifen zu müssen, und dabei trotzdem extrem langlebige, stabile Burgunder entstehen zu lassen. Die Chardonnays bleiben unberührt in überwiegend alten Fässern auf ihrer Hefe liegen, bis zur ungeschönten und unfiltrierten Abfüllung nach 12 bis 16 Monaten. Die Rotweinbereitung verläuft ebenso minimalistisch. Traditionelle, offene Vergärung im Holzcuve, für die Premiers und Grands Crus mit höheren Rappenanteilen. Dabei stetige Kontrolle von Temperatur, Dichte, flüchtiger Säure, usw.. Bis die Weine dann, noch warm und ohne Pumpen in alte Barriques zum Ausbau für 16 bis 18 Monate in den Keller abgeleitet werden. Auch hier wird den Weinen weder etwas hinzugefügt, noch weggenommen. Keine Ansäuerung, keine Aufzuckerung, keine Hefen, keine Schönungsmittel, keine Filtration, kaum Schwefel, Abfüllung per Schwerkraft. Einfach nur der pure, vergorene Saft. »Naturwein« im klassischsten Sinne. Das ist Chandons Verständnis von maximalem Terroirausdruck und minimaler Intervention.

Weingut von Domaine Chandon de Briailles

Wie schmeckt so ein old-school Natur-Burgunder? Chandons Weine bezaubern mit strahlender Frucht und großer Transparenz. Sie sind zart und geschliffen, meist schwebend fein. Und doch weisen sie eine enorme innere Dichte, eine beinahe unerklärliche Kraft und Konzentration aus niedrigen Erträgen auf. Der weitgehende Verzicht auf Schwefel während des Ausbaus, gibt den Weinen einen sehr klaren, ausdrucksstarken Charakter mit wunderschöner Frucht. Doch sie sind trotz ihrer filigranen, schmeichelhaften und tänzerischen Art eben keine easy-drinking Weine. Sondern intensive, druckvolle Burgunder mit fester Gerbstoffstruktur und zupackender Mineralik, gebaut für ein sehr langes Leben. Die Weine aus dem kühlen 1er Cru Ile des Vergelesses, der gegenüber dem Corton Charlemagne liegt, sind ein echter Geheimtipp, denn es ist die allerbeste Lage der Gemeinde. Auch Parkers Wine Advocate William Kelley attestiert den Weinen von Chandon de Briailles zu den ganz wenigen Weinen am Corton zu gehören, die es regelmäßig schaffen, das volle Potenzial der Lagen hier auszunutzen. Neben den verführerischen Natur-Burgundern, überrascht die Domaine auch noch mit extrem ausgefallenen Weinen. Wie etwa einem weißen Corton Grand Cru, der kurioserweise nicht im Charlemagne, sondern im Bressandes wächst. Oder einem Weißburgunder Orange Wine, der ganz ohne zugesetzten Schwefel auskommt. Bei Chandon de Briailles trifft burgundische Ultraklassik auf tiefe Naturverbundenheit und dynamische Moderne. Was für ein grandioses, spannendes Weingut.

Zu allen Weinen

Weine von Domaine Chandon de Briailles

Verkostungsnotizen Chandon Briailles

Ein maischevergorener Natural Wine aus dem Burgund, so etwas findet man nicht allzu häufig. Ein Kuriosum nicht wegen der Machart, sondern der Herkunft aus bester Lage im Umfeld des Corton Berges. Chandon-Gutsherr und Weinmacher Francois de Nicolay erzählte, dass dieser Weißburgunder schon von seinem Opa gepflanzt wurde, weil seine Großmutter den floralen Easy-drinking-Charakter von Pinot Blanc so sehr schätzte. Aber genau dieser Easy-drinking-Faktor störte Francois de Nicolay ein bisschen. Er wollte etwas Spannenderes aus dem Wein herausholen. Denn im normalen Bereich ist Chardonnay für ihn die einzig wahre Option. Daher baut er diesen Pinot Blanc als Natural Wine aus und hat zu seinem und unserem Vergnügen einen super spannenden Wein daraus kreiert. Aus dem Glas strömen die typischen, leicht urwüchsigen Natural-Aromen von fermentiertem Apfel und gelbwürziger Birne, auch etwas erdig, leicht oxidativ-nussig, schön geröstete Haselnuss. Aber Schalenaromen dominieren hier nicht, alles ist sehr fein verwoben. Etwas Anis und Fenchel, Grüntee, zarte pflanzliche Aromatik. Im Mund dann ein wunderbares Traubenaroma mitsamt Schalen, auch wieder angeschnittene Birne. Eingerahmt wird das Ganze von zarten Gerbstoffen im Nachhall. Das gibt eine gute Struktur und phenolische Würze. Aber auch hier dominiert nicht das Tannin. Das ist ein feiner Orange Wine, weil er eben nicht durch Schale oder Tannin überwältigt wird, sondern aromatisch und gut trinkbar bleibt. Einen spannenden Touch erhält er natürlich dennoch durch die Maischegärung. So mag ich das. Sogar eine schön druckvolle Säurespur zieht sich durch. Etwas Grapefruit und Quitte samt feiner Bitternis aus deren Schalen schwingt mit. Wirklich ein hochspannender Wein aus einer dafür gänzlich ungewohnten Region. Genial! 93–94/100

Ile de Vergelesses ist die berühmteste und beste Premier Cru Lage der Gemeinde Pernand Vergelesses. Auf einer Erhöhung unterhalb des Waldrandes gelegen schaut die nach Osten exponierte, kalksteinreiche Lage genau auf den gerade gegenüberliegenden Corton Charlemagne. Hier wachsen finessenreiche, feminine und dennoch alterungswürdige Pinot Noirs und Chardonnays. Für alle Weißweine gilt bei Chandon der gleiche Ausbau mit minimalistischer Philosophie: Ganztrauben-Direktpressung dann wird der Saft direkt per Schwerkraft in den Keller geleitet zur spontanen Gärung mitsamt Malo im überwiegend alten Barriques. Dort verbleibt der Wein ohne Batonnage und ohne Abstiche oder sonstige Eingriffe für 12 bis 14 Monate unangetastet im selben Fass bis zur Abfüllung auf der Hefe liegen. Aus dem Glas strömt eine wunderbare weiße Birnenfrucht, etwas Pfirsich, alles hell und fein, auch leicht in grüne Frucht Elemente wechselnd, etwas milde Limette von der eher frühen Lese. Feine Noten von Hefeteig gesellen sich dazu. Eine komplexe, wunderschön zarte Chardonnay Nase, fast ein bisschen Corton-Charlemagne Reminiszenz, der ja nur einen Steinwurf entfernt liegt. Am Gaumen geht es fein weiter aber gleichzeitig auch druckvoll mit viel weißem und auch etwas gelbem Pfirsich, Zitrusschale, schöne Salzigkeit und Kreide als Unterlage. Versammelt, reif und dicht aber nie fett werdend, sondern immer von seiner vibrierenden Spannung getragen. Schöne Länge in der würzigen Weißfruchtigkeit, die sehr typisch ist für die kleinen Gemeinden zwischen dem Corton und Beaune. Das ist ein veritabler Beweis der minimal-invasiven Philosophie von Chandon, purer Terroirausdruck und nur minimalste Beeinflussung. 94–95/100

Dieser weiße Corton Grand Cru ist eine absolute Seltenheit. Fast alle weißen Corton kommen normalerweise aus den Corton-Charlemagne Parzellen, dieser hier aber nicht. Er wächst im hervorragenden, aber eigentlich Pinot Noir geprägten Corton-Bressandes, der eine Ostausrichtung aufweist. Die Parzelle sitzt weiter unten am Hang, unterhalb des östlichen Teils von Corton-Charlemagne, dort wo der Boden schon tiefgründiger wird und mehr Lehm enthält. Wir haben hier also immer satte Power und hohe Reife in diesem Corton Blanc. Das ist ein außergewöhnlicher Chardonnay und sicher einer der seltensten weißen Grands Crus des Burgunds. Für alle Weißweine gilt bei Chandon der gleiche Ausbau mit minimalistischer Philosophie: Ganztrauben-Direktpressung dann wird der Saft direkt per Schwerkraft in den Keller geleitet zur spontanen Gärung mitsamt Malo im überwiegend alten Barriques. Dort verbleibt der Wein ohne Batonnage und ohne Abstiche oder sonstige Eingriffe für 12 bis 14 Monate unangetastet im selben Fass bis zur Abfüllung auf der Hefe liegen. Ganz zart anklingende erste Reifenoten wehen aus dem Glas. Gebackener Apfel und ein Hauch von englischer Bitterorangenkonfitüre, etwas grüne Aprikose und dann dichte, helle Birne darunter. Der Duft von Buttergebäck verrät die bereits anklingende feine Süße. Der Auftakt am Gaumen ist zunächst samtig und weich in würziger gelber und etwas weißer Frucht mit frischen Zitruseinsprengseln, Mandarine nebst Orangenschale, dazu Birne und roter Weinbergspfirsich. Das Ganze ist würzig und leicht salzig unterlegt. Hinten raus zieht dann eine fast elektrisierende Säurespur nach und schiebt reife Limetten und satte Kalksteinmineralik mit viel Energie und Lebhaftigkeit über die Zunge. Dieser Corton blanc ist wirklich eine Wucht. Ein positiv mächtiger Chardonnay, der alle Sinne berührt. 2014 war einfach ein grandioses, super spannendes Jahr für Weißwein im Burgund und es ist zusammen mit 2010 und 2017 sicher das beste der letzten 10 Jahre. 97/100

Dieser weiße Corton Grand Cru ist eine absolute Seltenheit. Fast alle weißen Corton kommen normalerweise aus den Corton-Charlemagne Parzellen, dieser hier aber nicht. Er wächst im hervorragenden, aber eigentlich Pinot Noir geprägten Corton-Bressandes, der eine Ostausrichtung aufweist. Die Parzelle sitzt weiter unten am Hang, unterhalb des östlichen Teils von Corton-Charlemagne, dort wo der Boden schon tiefgründiger wird und mehr Lehm enthält. Wir haben hier also immer satte Power und hohe Reife in diesem Corton Blanc. Das ist ein außergewöhnlicher Chardonnay und sicher einer der seltensten weißen Grands Crus des Burgunds. Für alle Weißweine gilt bei Chandon der gleiche Ausbau mit minimalistischer Philosophie: Ganztrauben-Direktpressung dann wird der Saft direkt per Schwerkraft in den Keller geleitet zur spontanen Gärung mitsamt Malo im überwiegend alten Barriques. Dort verbleibt der Wein ohne Batonnage und ohne Abstiche oder sonstige Eingriffe für 12 bis 14 Monate unangetastet im selben Fass bis zur Abfüllung auf der Hefe liegen. Eine dichte, versammelte Nase klingt hier an. Bauernbrotkruste, Birne und feiner gelber Apfel, frische Zitruseinschübe. Aber aktuell dominieren eigentlich vor allem hefige, steinige und kreidige Nuancen über die Frucht. Muschelschale und Meeresbrise liegen wie ein kalkig-salziger Schleier über allem. Am Gaumen viel Druck und Power zeigend, wow, da ist richtig was los im Mund. Birne und heller Pfirsich, auch Aprikose, dann etwas rötlich werdend in der Frucht mit Orangenschale und Mandarine im Nachhall. Feine Gerbstoff geben Struktur und verbinden sich mit der kreidigen Mineralität zu einem festen Gerüst. Da kommt auch etwas lehmig-tonige Mineral-Anmutung im griffigen, langen und einnehmenden Nachhall. Der Wein steht wie ein Fels in der Brandung. Das lässt auch auf sein gutes Alterungspotenzial schließen. Einer der seltensten und zugleich spannendsten weißen Grands Crus des Burgunds. 97/100

Ile de Vergelesses ist die berühmteste und beste Premier Cru Lage der Gemeinde Pernand Vergelesses. Auf einer Erhöhung unterhalb des Waldrandes gelegen schaut die nach Osten exponierte, kalksteinreiche Lage genau auf den gerade gegenüberliegenden Corton Charlemagne. Hier wachsen finessenreiche, feminine und dennoch alterungswürdige Pinot Noirs und Chardonnays. Eine zarte, fein schwebende Nase weht aus dem Glas. Saftige Griotte Kirsche und Himbeere, alles eher rotfruchtig und getragen, sehr fein. Eine zarte Duftwolke ist das. Feinste Kalksteinanmutung und etwas salzige Muschelschale darunter. Aber immer höchst transparent und zart bleibend, nichts Massives oder Üppiges liegt in diesem schwebenden Traum von einem Pinot Noir. Der Mundeintritt ist rassig und energetisch, typisch 2017 mit salzbeladener, agiler Säurespur, die eine wunderbare Lebhaftigkeit und Energie in diesen Wein gibt. Sauerkirsche und Johannisbeere, traumhaft feine, getragene rote Frucht, über den Gaumen schwebend mit seinem ultra feinen Tannin und einem langen, feinsalzigen Nachhall. Ein fast schon ganz großer Wein. Aber einer für Liebhaber der Feinheiten und der schwerelosen Eleganz. Ein rotfruchtig-tänzelnder Pinot Noir wie ich ihn liebe und die Verkörperung dessen, weshalb 2017 so ein wunderschönes Jahr ist. 95+/100

Der Corton Bressandes liegt unterhalb des östlich ausgerichteten Teils des Corton Charlemagne und noch unterhalb des Corton Renardes. Wir sind hier also ziemlich in der Hangmitte in überwiegender Ostexposition. Der Boden ist von Lehm durchzogener Kalkstein. Chandon hat das große Glück über ganze vier verschiedene Parzellen in unterschiedlichen Bereichen des Bressandes zu besitzen. Domaine-Besitzer François de Nicolay ist daher überzeugt, dass sein Bressandes eine der komplettesten Interpretationen dieser Lage darstellen kann, weil er alle Unterschiedlichen Aspekte zum Ausdruck bringen kann. Eine sehr feine und dennoch konzentrierte Nase, die mit Corton-typischer dunkler Würze unterlegt ist. Etwas Graphit, Goudron und schwarzer Tee lauern unter der schwebend-feinen roten Frucht. Süße und säuerliche rote Früchte geben den Takt vor, darunter blitzen auch rote Wildbeeren hervor. Sauerkirsche und Johannisbeere, daneben Waldhimbeere und sogar etwas wilde Erdbeere, auch ein wenig Walnuss daneben. Alles wirkt fein und getragen, eigentlich permanent schwebend und gleichzeitig viel Kraft und Dichte ausstrahlend, ohne ein Gramm Fett zu viel auf den Rippen. Eine Ballerina, die einen sehr harmonischen, spannungsgeladenen und einfach extrem eleganten, anmutigen Gesamteindruck erzeugt. Wow, ist das eine wunderschön verspielte, zarte und doch typisch würzige Corton-Nase! Der Mundeintritt ist dann ein verblüffend rassiges Feuerwerk in roter Frucht. Da kommt viel Johannisbeere und Sauerkirsche, druckvoll und Energie versprühend. Dieser Bressandes zeigt so viel Spannung und vibrierendes Spiel, dass es die reinste Trinkfreude ist. Unglaublich fein und verspielt für die Appellation und dennoch ist er terroirgetreu mit dieser dunklen Spur aus Graphitmineralik, Teer und Tee im Ausklang. Doch die so reifen, geschliffenen Tannine und die tänzelnde Rotfruchtigkeit des Chandon-Stils machen den Wein zu so einer saftigen Schönheit und einem komplexen Wunderwerk wie es wirklich nur die besten Cortons darstellen können. Eine bezaubernde Wein, weil er sicher eine der allerfeinsten Interpretationen dieser Lage überhaupt ist. Eine perfekte Vermählung aus dem druckvollen Power-Rückgrat der Corton Terroirs und dem unglaublich gourmanden Stil des Hauses. Die leichte Rustikalität, für die der Corton auch stehen kann, wird von dieser Feinheit und Verspieltheit beinahe komplett negiert. Was für ein überaus delikater und energetischer Pinot Noir. Obwohl er mit seinem vibrierenden, etwas wilden und zugleich Ballerina-artigen Ausdruck nicht ganz die Tiefe des Corton Clos du Roi heran kommt, sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass er mit dem Rückgrat eines Grand Cru vom Corton ein paar Jahre im Keller brauchen wird. Mit dieser Dichte wird er ein sehr langes Leben vor sich haben. Wenn Sie es denn lange genug schaffen die Finger von dieser rotfruchtigen Delikatesse zu lassen, was zugegebenermaßen nicht so einfach ist. 97–98+/100

Das ist der Wein, der Domaine mit der geringsten Produktion und entsprechend leider ein extrem limitierter Wein. Nur ein ganz kleines Stück hat Chandon in diesem häufig als beste Lage am Corton gehandelten Weinberg. Auch dieser Clos du Roi ist wie der Bressandes zunächst vor allem ein wunderbarer Ausdruck dieser so feinen, Ballett-tänzerischen Interpretation eines Corton, wie sie Chandon de Briailles als Haus-Stil pflegt. Dieses verführerische, fast verschwenderische Parfüm von tiefer, satter Rotfruchtigkeit! Nur hier kommen auch noch ein paar dunklere, erdigere Einflüsse dazu. Viel Sauerkirsche und süße Kirsche, Schlehe, auch schwarze Kirsche. Kreidestaub und Muschelschale lassen einen Kalksteinabdruck durchscheinen. Erdige, würzige Untertöne, Unterholz und feinstes Kakaopuder, vielschichtig, komplex und bereits fast magisch schön verwoben und harmonisiert. Lang und getragen, Dichte ohne Schwere, wie es angenehmer am Gaumen sich kaum ausdrücken könnte. Zupackender, fester aber ultra-feinporiger Tanninteppich im Nachhall. Wow, da kommt sie durch, die Power und das massive Rückgrat eines Corton. Aber das verbindet sich so scheinbar mühelos mit dieser strahlend-transparenten, saftigen Frucht aus purer roter und schwarzer Kirsche mit Schlehe und Johannisbeereinflüssen, fast sogar etwas Sanddorn. Ein Fruchtausdruck und eine Anmutung wie ich sie liebe. Kraftvoll und immens strukturiert, aber gleichzeitig geschliffen fein, niemals üppig oder belastend, nie ermüdend. Die Cortons von Chandon zählen mit zum größten was die Côte de Beaune im roten Bereich zu bieten hat. Bitte für viele Jahre, besser 10 bis 15 Jahre im Keller wegsperren, um dann in den Himmel des allerfeinsten, ultrakomplexen Burgunderhimmels aufzusteigen. Ein ganz großer Wein, aber einer mit ebenso viel Feinheit wie Struktur. Nur leider so extrem rar, dass es ein Jammer ist angesichts dieser Schönheit. 97–100/100

Domaine Marc Morey

Dass es die Weißweine in einem warmen Jahrgang wie 2018 generell etwas schwerer haben als die Pinot Noirs ist nicht ungewöhnlich im Burgund. Es gibt nur wenige Jahre, in denen beide gleichzeitig herausragend gut sind. 2017 ist da vielleicht nah heran gekommen, 2013 und 2010 auch. Umso gespannter waren wir, als wir uns ins Herz der Côte de Beaune begaben. Dichte Nebelschwaden wabern zwischen den strahlend-hellen Steinhäusern von Chassagne Montrachet, die wie Wegweiser an jeder Ecke plötzlich auftauchen. Es ist 7.30 Uhr morgens und die erste Probe bei der Domaine Marc Morey steht an. Dabei ist das letzte Glas Wein im Restaurant in Beaune gar nicht mal so lange her.

Weinverkostung bei Domaine Marc Morey

Eine Feststellung, die nicht zum morgendlichen Alkoholkonsum anstiften soll: so ein elektrisierender Chassagne Montrachet, der mit dem satten Punch eines 2018ers den gesamten Mundraum traktiert, macht ebenso wach wie ein doppelter Espresso. Das wissen wir jetzt aus eigener Erfahrung. Es gibt zwei extrem spannende Lagen in Chassagne, die in einem heißen Jahr besonders strahlen. La Grande Montagne und En Virondot. Es sind die höchstgelegenen Weinberge der Gemeinde, am Waldrand, auf einem sehr kargen, steinigen Boden gelegen. En Virondot ist mit 99 % Besitz ein Quasi-Monopole der Domaine Marc Morey. Ein alter, stoischer Nachbar will seine paar Reben hier nicht abgeben. En Virondot verkörpert alles, was Heiner und ich an modernem Chassagne lieben. Eine strahlende, helle Frucht, elektrisierende Spannung, kreidige Mineralität und auch 2018 eine strukturgebende, salzig pointierte Säurespur wie ein Laserstrahl. Ein berührender, geradezu packender Wein, der in diesem Jahrgang die perfekte Balance umso mehr darstellen kann. Reiht sich in die Riege der wenigen wirklich genialen Chardonnays des Jahres ein.

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Weine von Domaine Marc Morey

Agnes Paquet

Die nächste Station ist Agnes Paquets altes Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert in Meloisey, in dem man übrigens auch per AirBNB übernachten kann. Ein grandioser Geheimtipp für alle, die das urtümliche, ländliche Burgund unweit der etwas überlaufenen Grands Villages erleben möchten. Die hiesige Appellation Auxey Duresses erstreckt sich oberhalb von Pommard und Meursault. Hier wachsen rassige, kühle und bezahlbare Hochlagen-Weine, denen der Klimawandel in die Karten spielt. Die teilweise ost- oder west-exponierten Weinberge werden immer interessanter und die Weine immer besser.

Agnes Paquet

Agnes Paquet erzählt uns mit einnehmendem Lächeln auf den Lippen von ihren Zukunftsplänen. Einen Weinberg in Volnay würde sie sich wünschen, denn die Gemeinde käme ihrem filigranen Stil schon von Haus aus sehr entgegen. Aber die Verfügbarkeit, die Preise ... die altbekannten Probleme. Hoffentlich klappt es irgendwann! Im benachbarten, druckvolleren Pommard erzeugt sie schon einen Wein, der deutlich mehr Kraft und Dichte aufweist als ihre zarten Hausweine aus Auxey Duresses. Außerdem überlegt sie für ihre Basislinie Screwcaps einzuführen. Sie ist ein großer Fan dieser Idee, aber sie weiß auch um die geringe Akzeptanz dieses Verschlusses im traditionalistischen Frankreich. Für die großen Weine erwägt sie nun DIAM, den die Granden Leflaive, Comte Lafon und Co. schon lange verwenden. Obwohl Agnes nie Probleme mit vorzeitiger Oxidation hatte.

Wein von Agnes Paquet

Den kühleren Hochlagen und ganz generell etwas weniger opulent-reifen Weinbergen in und um Auxey Duresses tut ein Jahr wie 2018 keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, es kommt der manchmal fehlende Turbolader hinzu. Agnes Paquet sucht stets die Frische im Wein, tendiert zur frühen Lese. Diese Stilistik hat sie auch 2018 durchgezogen, und damit wunderbar satte, aber dennoch ausreichend spannungsgeladene und saftige Weine erzeugt. Wo es nötig war kamen ein paar Rappen zu den Roten, um genug Struktur zu wahren. Ansonsten blieb sie ihrem feinen Stil treu, der hervorragend zu diesen etwas rustikaleren Terroirs passt. Ganz sanfte Extraktion und nur sehr geringe Neuholzanteile sind Konstanten der Domaine. Weine, die so klar, animierend und erfrischend sind, dass sie trotz dem kleinen Plus an 2018er-Reife mundwässernd und leichtfüßig über den Gaumen schießen wie geölt. Ohne Schnickschnack und Allüren, aber mit genug Tiefgang, um auch Burgundfreaks zu begeistern. Agnes Paquet ist nicht nur wegen ihrer bestechend sympathischen Art, sondern auch wegen der entwaffnenden Klarheit ihrer Weine die beste Botschafterin für diese kleine Gemeinde.

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Gelagerte Weine bei Agnes Paquet

Verkostungsnotizen Paquet

Pierre Morey

Von Auxey Duresses gerade herunterkommend stoßen wir fast automatisch auf die Gemeinde Meursault. Hier besuchen wir mit Pierre Morey eine lebende Legende der Bourgogne. Umso erfreuter bin ich, dass er uns persönlich empfängt und sogar mit uns verkostet. Pierre Morey stand als langjähriger Winemaker der Domaine Leflaive und auch Comte Lafon eher für die Weine der Nachbargemeinde Puligny Montrachet.

Pierre Morey

Seine persönliche Heimat und Sitz der Domaine ist aber Meursault. Dennoch habe ich bei seinen Weinen immer das Gefühl, dass ein Hauch von dieser mineralisch unterfütterten Rundheit mitschwingt, die man heute eigentlich eher mit Puligny verbindet. Pierre Morey liest eben eher reifer, etwas gelbfruchtiger, vielschichtig und tief. Das ist die alte Schule, für die auch Leflaive und Comte Lafon stehen. Den modernen, grün-weißfruchtigen, fast karikaturesk reduktiven Stil, den einige der New Kids des Burgunds pflegen, sucht man hier vergebens. Pierre Morey gibt zu, dass er sehr überrascht war von der Saftmenge, die 2018 von der Presse gelaufen ist. Er hatte auf Grund der trockenen Verhältnisse mit dramatischen Ertragseinbußen gerechnet, die am Ende aber ausblieben. Insgesamt hält er den Jahrgang für sehr ausgewogen in Meursault. Das regenreiche Frühjahr hat die Reben über die Sommertrockenheit gerettet. Es wurde in allen Lagen die volle Reife erreicht, die Säurewerte sind moderat aber ausreichend hoch. Die Alkoholgrade sind 2018 in Meursault tatsächlich etwas niedriger als 2019. Nicht nur deshalb schätzt Pierre Morey die 18er aktuell sogar etwas höher ein.

Weinstöcke von Pierre Morey

Schon der erste Schluck hier ist ein Statement, das uns seiner Ansicht nahtlos folgen lässt. Für mich der beste Bourgogne Blanc, den wir auf unserer Reise probieren. Das ist ein original Baby-Meursault, sehr beeindruckend. Sein Meursault Perrières, eigentlich ein verkappter Grand Cru, setzt auch in diesem Jahr wieder Maßstäbe. Er verbindet die Dichte und die Schubkraft eines Meursault mit der Spannung eines Riesling GG. Dazu dieser unnachahmliche, tiefgreifend salzige Mineraleindruck, der den Abgang locker für über eine Minute durchzieht. Höchstfaszinierend, aber lange, lange, lange Zeit brauchend. Wow! Dieser Perrières wird nicht mal vom unglaublich feinen Bâtard-Montrachet getoppt. Der ist nicht besser, nur sehr anders. Er fühlt sich zwar eindringlich und hochintensiv an, aber lässt irgendwie jeden Anflug von Fett vermissen. Ein schwereloser Sumo-Ringer. Dazu eine Säure wie ein Blitzeinschlag, die gekonnt vom feinen Eichentannin des neuen Holzes abgepuffert wird. Diese perfekt komponierte Symphonie aus oxidativen und reduktiven Elementen, wie sie so typisch für Leflaive ist, findet man als unverkennbare Handschrift auch in Pierre Moreys Weinen. Der Altmeister liefert 2018 sicher eine der besten Weißwein Kollektionen des Burgunds ab. Aus einem eher durchwachsenen Chardonnay-Jahr. Erfahrung ist das Samenkorn aus dem Weisheit erwächst.

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Wein von Pierre Morey

Verkostungsnotizen Pierre Morey

Domaine d’Angerville

Von Meursault aus geht es hinauf zum krönenden Abschluss, der dieser Bezeichnung wahrlich gerecht wird. Nicht nur Agnes Paquets Sehnsuchtsort, sondern auch meiner. Wie könnte man eine solche Reise gebührender beenden als mit dem schönsten Ausblick der Côte de Beaune. Vom Clos des Ducs aus gesehen, über die verwinkelten Weinberge von Pommard, bis über die Ausläufer des bezaubernden Beaune. Wenn hier die Sonne untergeht kommt Gänsehaut auf. Insider ahnen es, wir sind im luftigen Volnay. Sitz der legendären Domaine d’Angerville.

Agnes Paquet

Sozusagen direkt in deren Vorgarten befindet sich mit ebenjenem Clos des Ducs einer der besten Weinberge der Côte d’Or. Das nenne ich mal praktisch. In diesem Biotop wird seit langem ungestört und penibelst biodynamisch gearbeitet. Einer von vielen Gründen für die unerreichte Größe dieses veritablen Herausforderers der Côte de Nuits. Doch die gesamte hier präsentierte Kollektion war von phänomenaler Qualität. Voraussichtlich werden die 2018er von d’Angerville für volle 18 Monate im Fass bleiben, das ist etwas länger als üblich. Die Weine waren nach Meinung des Teams anfangs zu offen gestrickt, gewannen dann über den Winter aber dermaßen an Präzision und Fokus, dass ein zweiter Winter im Fass angedacht ist. Die Abfüllung folgt dann in diesem Frühjahr. Die Weine zeigen eine dichte, voluminöse Frucht über samtigen Tanninmassen und zupackender Kreide-mineralischer Griffigkeit. Das ist ein Gesamtpaket der Extraklasse in 2018. Die Domaine d’Angerville hat es richtig gut getroffen, denn die Weine sind fein und elegant wie eh und je und dazu mit diesem Turbolader des Jahrgangs auf ein extraterrestrisches Level der Delikatesse erhoben. Oft muss man sich bei Weinen dieser Kategorie entscheiden, ob man einen Jahrgang eher sammeln oder eher jünger trinken soll. Angervilles traumhafte 2018er bieten eben Gelegenheit zu beidem.

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Wein von Domaine d’Angerville

Verkostungsnotizen Angerville

Domaine du Pelican (Jura)

Als wäre das nicht schon begeisternd genug gewesen, schließt sich noch nahtlos eine atemberaubende Kollektion von d’Angervilles Jura-Ableger Domaine du Pelican an. Die Domaine meint es auch hier richtig ernst. Viele neue Weine und Lagen sind hinzugekommen. Durch den Kauf der legendären Jura-Domaine Puffeney erlangte die Domaine herausragende Einzellagen, die jetzt auch teilweise separat gefüllt werden. Die Domaine ist auf 15 Hektar angewachsen, zusammengesetzt aus der Übernahme von drei Top-Domaines.

Weinentdeckung mit Agnes Paquet

Im Jahr 2018 gibt es zum ersten Mal einen Pinot Noir aus dem Jura. Man kann sich vorstellen, welch großartiger Wein das ist. Bezüglich dieser Rebsorte macht der Domaine keiner was vor. Ein rassiger Hochlagen-Pinot, der komplett auf 380 Metern wächst. Zum vergleich: Der höchste Punkt des Clos des Ducs in Volnay liegt auf 350 Metern. Obwohl Pinot, Trousseau und Poulsard ab 2018 auch alle separate Abfüllungen bekommen, wird es den genialen Blend Trois Cepages auch weiterhin geben. Der Zugewinn an Fläche macht es möglich. Insgesamt produziert die Domaine nun zehn Weine. Darunter so abgefahrene Exemplare wie ein reduktiver Einzellagen-Savagnin mit fast Riesling-artiger Mineralität oder auch ein maischevergorener Savagnin. Super spannende Weine mit einem Hang zur Größe. Auch die neue Betriebshalle ist jetzt fertig gestellt. Der erfahrene Kellermeister der Domaine blüht hier im Jura richtig auf und hat Spaß an den urwüchsigen, sehr speziellen Gewächsen, denen der reduktivere d’Angerville Style ausgezeichnet steht. Die Dependance im Jura wird zunehmend forciert, alle Zeichen stehen hier auf Vollgas bei Pelican. Eine grandiose Entwicklung für uns Genießer dieser raren, begeisternden Weine.

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Weine von Domaine du Pelican (Jura)

Verkostungsnotizen Pelican

Fazit

Um den Gedankengang des euphorischen Nicolas Potel abschließend noch einmal aufzugreifen: Natürlich verklären wir teilweise – in romantisierender Rückschau – die Highlights vergangener Jahrzehnte. Jahrgänge wie 1945, 1959, 1978, 1990 waren in ihren Zeitaltern im wahrsten Sinne des Wortes herausragend. Doch zwischenzeitlich haben wir die damals als herausragend geltenden klimatischen Bedingungen heute nicht ein bis zwei mal pro Dekade, sondern als Standard. Dies, gepaart mit der so viel fortschrittlicheren Weinbergsarbeit und dem sehr viel ausgefeilteren Ernte- und Phenol-Management der Top-Betriebe, ist einfach unschlagbar. Diese Weine werden potenziell alles bisher dagewesene des vergangenen Jahrhunderts in den Schatten stellen können. Es ist sicher nicht alles besser als früher, und der Klimawandel gibt uns sehr wahrscheinlich nur ein kleines Zeitfester zum Jubeln, bevor es sich mancherorts wieder ins Gegenteil verkehren wird.

Alte Weine

Winzer haben heute nicht unbedingt mehr oder weniger Herausforderungen als früher, nur eben andere. Eine hochqualitative Serie wie 2015, 2016, 2017, 2018, 2019 zeugt von noch nie da gewesener Konstanz und Größe in der Geschichte des Weinbaus. Und das weltweit. Da erscheint die Serie 1988, 1989, 1990 fast kümmerlich daneben. Die besten dieser Weine, die wir heute aus den kürzlich vergangenen Jahren erwerben können, sind weitläufig so viel besser, als nahezu alles, was wir bisher zu Legenden erklärt hatten. Wir produzieren gerade moderne Legenden am laufenden Band. Die Weinverrückten unter unseren Enkeln werden uns um diese Zeit beneiden. Aber auch sie werden mit Hochgenuss noch in einigen Jahrzehnten von diesen Kreszenzen zehren können. Es gibt traurigere Wahrheiten.

Zu allen Weinen des Burgunds

Elias Schlichting

Elias Schlichting

Elias liegt der Wein im Blut, schon sein Großvater besaß einen Weinberg in Heidelberg. Das er mal Weinwirtschaft studieren und dann bei Lobenbergs Wine Scout werden würde, konnte damals natürlich niemand ahnen. Elias liebt Weine aus dem Burgund, aber auch alle anderen guten Tropfen liegen ihm schwer am Herzen. An den Entdeckungen seiner Weinreisen lässt er uns alle teilhaben.

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