Lobenberg: 2019 ist an der Rhône die Fortsetzung der mediterranen Jahre, der Jahre ohne Wasser, der großen Trockenheit. Zwischen April und Mitte September gab es so gut wie keinen Regen, weder im Norden noch im Süden. Die Trockenheit war extrem. Minimale Regeschauer zwischendurch reichten noch nicht einmal aus, um von der Erde aufgenommen zu werden. Seltsamerweise starben die Weinberge nicht ab, sondern alle Weinberge mit alten Reben sahen über die ganze Zeit ganz hervorragend aus. Es gab zwar Wasserstress, aber es gab keinen Stillstand. Der Schlüssel sind also ganz eindeutig alte, tiefwurzelnde Reben. Trotzdem wäre es zu einem desaströsen Ergebnis gekommen, wenn es nicht Mitte September einige anständige Regenfälle von über 20 Millimeter gegeben hätte. Die Entwicklung wäre sonst zu weit fortgeschritten, die Weine hätten ihre Frische verloren. Die Regenfälle wendeten das Blatt vollständig. Aber man muss dazusagen, dass es in Zukunft wahrscheinlich keine großen Weine von der Rhône geben wird, sollte sich die Situation so fortsetzen. 2019 ist es nicht nur gutgegangen, sondern alle Winzer sprechen von einem legendären Jahrgang. Die Rotweine sind generös und tief und stellen eine Synthese von 2007 und 2016 dar. Die Weißweine haben einen ähnlichen Spagat, einen ähnlichen Oszillographen, wie in Deutschland, wie in Bordeaux, wie überhaupt in Europa. Crispe, frische, mineralische Weine. Extrem extraktreich, hohe Reife und hohe Frische beieinander. Man kann von einer strahlenden Zukunft und von einem Best-Ever-Jahrgang ausgehen. 2019 ist schon jetzt, ein Jahr nach der Ernte, eine lebende Legende. Das ist DIE Lage schlechthin in Saint-Joseph. Die steilste Lage in der Appellation. Bei Ferraton mit alten Reben, natürlich biodynamisch bewirtschaftet. Es ist eine Sélection Parcelaire, eine Analogie zu Chapoutiers Sélection Parcellaire. Chapoutier ist ja seit einigen Jahren der Besitzer von Ferraton. Diese Lage ist nach Südosten exponiert. Die Reben stehen zu 100 Prozent Granit. 100 Prozent Petite Syrah, hier auch Sérine genannt. Komplett entrappt, im Beton spontan vergoren und dann im neuen und gebrauchten Barrique sowie im Halbstück ausgebaut. Die Nase ist eindeutig die eines großen Weins. Es ist der siebte oder achte Wein, den ich jetzt bei Ferraton probiere. Und das ist jetzt das erste Mal, dass ich einen riesengroßen Wein vor mir habe. 2019, mit dieser unglaublichen Wucht, mit einer Fülle wie es sie in 2017 auch schon gab. Aber 2019 ist dabei frischer. Granit gibt eine unglaubliche Eleganz. Das ist in der Nase schon köstlich. Veilchen, Rosenblätter, viel rote Frucht, Kirsche, Schattenmorelle. Auch ein bisschen Schlehe. Man merkt schon in der Nase, dass dieser Wein komplett entrappt ist. Alles ist klar und rein, unglaublich dicht. Irgendwo eine Symbiose von einem großen Burgunder aus Gevrey-Chambertin, einem süßen Cool-Climate-Amerikaner und einem reifen Jahr von Château Montrose aus Saint-Estèphe. Köstlich und eindrucksvoll ist diese Nase. Der Mund ist der schiere Wahnsinn. Was für ein grandioser Saint-Joseph! Ich habe vor zwei Tagen den Saint-Joseph von Tardieu probiert und das war auch schon großartig. Aber ich gebe zu, dass dieser Saint-Joseph von Ferraton vielleicht noch ein Quäntchen darüber liegt. Weil er so unglaublich reich ist und trotzdem so mega elegant. Die Tannine sind total poliert, alles ist samtig, seidig, lang und intensiv. Diese Granitböden, diese Eleganz. Und trotzdem die Süße und der Charme des reifen Jahrgangs 2019. Einer der besten Saint-Joseph, die ich bisher in meinem Leben probiert habe. Großes Kino! 99-100/100