Lobenberg: Wunderbar offene, duftige, fast florale Nase. Wow, ist das schön, begeisternd in überwältigender charmanter Frucht, geprägt von so seidiger Schwarzkirsche! Mein erster 2021er, und wenn Seguin immer archetypisch den Jahrgang abbildete, erwartet uns der offene, fruchtige Charme von 2014 mit diesem riesigen Verführungspotenzial. Dahinter Brombeere, Mandel, Veilchen und etwas herbe Würze von Wacholderbeere. Unfassbar elegant und ätherisch. Kommt hier die feine Eleganz von 2008 durch? Im Mund dann diese hohe Pikanz ausstrahlend. Die Säurestruktur ist mild, fruchtbetont aber durchaus präsent und gibt einen totalen Frischekick, ist dabei sehr aber reif und nicht dominant. Dazu kommen eine super feingeschliffene Tanninstruktur und eben beeindruckender, intensiv fruchtiger Druck aus dieser reifen Beerenfrucht. Kirsche, rote Johannisbeere und Walderdbeere. Zusammen ergibt das ein extrem stimmiges Bild, der Wein wirkt ziemlich in sich ruhend. Alles sehr fein verwoben und balanciert. Die 2021er-Cuvée besteht aus 70% Cabernet Sauvignon und 30% Merlot. Beim Merlot gab es noch deutlich mehr Verluste als beim Cabernet. Insgesamt gibt es auch in 2021 nur rund 15.000 Flaschen Seguin, gar keine Special-Cuvées. Alles ging hier in den Grand Vin. Erstaunlich, dass wir hier so einen hohen Cabernet-Anteil haben, denn diese Rotbeerigkeit und Kirsche vom Merlot kommt viel mehr durch. Eine fast burgundische Finesse ausstrahlend in dieser trinkigen, saftig-lecken Fruchtausprägung. Im Nachhall tritt der Cabernet dann doch nochmal mit dezenter Paprikawürze und Edelbitterschokolade nach. Dabei aber sooo fein und saftig bleibend. Wirklich genial. Nicht in Konkurrenz stehend zum klassischen, La-Mission-artigen 2016er, zum schokoladig üppigen 18er oder zu den extraterrestrischen 19ern und 20ern. 2021 hat den offenen, seidig eleganten Fruchtcharme mit dieser genialen, einladenden, fruchtig offenen Trinkigkeit wie 2014. Aber 2021 hat auch frische Vibrationen wie 2019 dazu, und Pessac mag 2021 DIE Appellation des linken Ufers schlechthin sein. Nachverkostet nach Domaine de Chevalier und Smith. Das ist schon die Liga der Primaballerinas 2021. Zum Reinspringen schön, reiner Hedonismus, so ist Bordeaux die wirkliche Konkurrenz zum Burgund. 97+/100 *** Château Seguin liegt in Pessac-Léognan, also inmitten starker ozeanischer Klimaeinflüsse. Die typische Komposition der Böden ist hier ein Sand-Kies-Gemisch. Die Böden sind identisch mit denen der Nachbarn Haut-Brion und La Mission Haut-Brion, das ist auch in historischen Büchern nachzulesen. Man findet hier minimale Einsprengsel von Lehm und Sand im Kies. Das Weingut umfasst 30 Hektar, die Reben stehen in Dichtpflanzung mit 7.000 Stöcken pro Hektar. Das ist sicherlich eines der Erfolgsgeheimnisse. Die Vergärung geschieht spontan, der Ausbau erfolgt zu 60 Prozent in neuen Barriques, zu 40 Prozent in gebrauchten. Der Besitzer, Denis Darriet erzeugt den Erstwein nur aus den älteren Reben, die inzwischen über 30 Jahre sind. Trauben von sandigeren Böden gehen in den Zweitwein, jene von den Top-Böden, mit Kies und etwas Lehm, gehen in den Erstwein Seguin. Seit 2018 besitzt Château Seguin die höchste staatliche Zertifizierungsstufe im Bereich der Umweltverträglichkeit. *** Wie in den meisten Regionen Europas lautet der Tenor auch in Bordeaux »2021 - zurück zur Klassik!«. Nach mehreren warmen Jahren in Folge kommt 2021 hier mit genialer, kühler Eleganz und niedrigen Alkoholwerten um die Ecke. Sehr schick, fein, dabei aber auch so spannungsgeladen – ein absolutes Traumjahr für Finesse-Trinker. Die Weine zeigen viel aromatischen Fruchtdruck bei wirklich reifer Tanninstruktur durch die längere Vegetationsperiode. Ein großes Aufatmen unter allen Winzern, denn das Ergebnis ist quasi die Entschädigung für die harte Arbeit im Weinberg, die die Natur von Anfang bis Ende des Jahres von allen Beteiligten abverlangt hat. Hohe Niederschläge zu Beginn des Jahres, was gleichzeitig aber auch ein Segen für die trockenen Böden war. Dann nochmal ein Temperaturtief im April, schon nach dem Austrieb. Das Bordelais hat es aber nicht ganz so hart getroffen, die Frostschäden waren hier im Mittel nicht so verheerend wie in anderen Teilen Frankreichs, deshalb sind die Erträge insgesamt doch noch zufriedenstellend. Der Merlot ist außerordentlich edel, mit bemerkenswert konzentrierter Frucht, während der Cabernet unglaublich intensiv und frisch ist, was dem Jahrgang große Eleganz verleiht. Vielleicht in einer Reihe mit 2008, 2012 und 2014 mit seinen jung schon so verführerisch zugänglichen Weinen, die aber auch noch eine lange Zukunft vor sich haben.