Lobenberg: Dieses Weingut liegt ganz im Norden des linken Ufers und in direkter Nachbarschaft zum Überflieger des Médoc und Haut-Médoc, Château Clos Manou. Seit 2015 profitiert das nördliche Médoc extrem vom Klimawandel. Früher war dieser Teil des linken Ufers, inklusive der nördlichen Appellation Saint Estèphe, immer etwas benachteiligt. Feuchte und kühle Jahre funktionieren auf diesen Böden nicht ideal. Aber der Wandel zum Mediterranen, speziell seit 2015, führt dazu, dass einige der Weingüter dieses Gebiets heute im Grunde klassifiziert gehörten, weil sie großartige Weine hervorbringen. Weingüter wie Clos Manou würden sicherlich sogar in der Phalanx der viert- und drittklassifizierten Château mitspielen. So sehr überwieg die dramatisch gute Weinbergsarbeit gegenüber dem früheren Nachteil der Terroirs, der sich heute zum Vorteil gewandelt hat. Auch in Jahren der Trockenheit hat man hier durch die Lehmschicht unter dem Kies keine Probleme mit Trockenstress. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings kein einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Zumal Mitte August circa 80 Millimeter Regen fielen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Haut-Maurac gehört Olivier Decelle, dem auch Château Jean Faure in Saint-Émilion gehört. Der Großteil der 24 Hektar umfassenden Weinberge liegt an den Hängen von Mazailes, mit Blick auf die Gironde. Der nächste Ort ist Saint-Yzans. Das Terroir ist hier geprägt von Kies mit etwas Sand, nur wenig Lehm. Es ist derselbe Boden wie auf Clos Manou. Wie ich schon sagte, sind diese Böden seit dem deutlich spürbareren Klimawandel deutlich im Vorteil, früher waren sie etwas zu kühl und zu feucht. Die Reben sind inzwischen im Durchschnitt 35 Jahre alt, mit 6.200 Stöcken pro Hektar relativ dicht gepflanzt. 60 Prozent Merlot, 40 Prozent Cabernet Sauvignon. Man findet hier die einfache Guyot-Erziehung bei den jungen Nachpflanzungen. Ansonsten teilweise auch doppelter Guyot und Einzelstockerziehung bei den alten Reben. Das Weingut befindet sich in Konversion zu Bio, mehrere Plots sind bereits umgestellt. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis alles umgestellt ist. Bereits jetzt ist das Weingut zertifiziert nach ISO-1400, umweltschonendes Farming. Die Ernte und die Vinifikation erfolgen Plot für Plot. Alle Trauben werden nach der Ernte auf einem Sortierband im Weingut nochmals nachselektioniert. Der Wein wird im Beton spontan vergoren. Der Ausbau erfolgt im Beton und im Barrique. Es werden ungefähr 100.000 Flaschen erzeugt. Haut-Maurac hat sich in den letzten fünf bis sechs Jahren nochmals verbessert und ist inzwischen direkter Verfolger der beiden nördlichen Superstars Clos Manou und Château Carmenere. Vielleicht knapp hinter Château Doyac, aber mit Charmail und Du Retout in der direkten Verfolgergruppe der besten Weine des Médoc und des Haut-Médoc überhaupt. Sociando Mallet und La Lagune, die ehemaligen Superstars, wie auch Camensac und andere Arrivierte, haben sich einfach in den letzten Jahren nicht weiterentwickeln können – oder weiterentwickeln wollen. Die kleinen besitzergeführten Weingüter sind einfach im Vorteil. Die Nase von Haut-Maurac 2020 ist verblüffend frisch, total auf roter Frucht laufend, obwohl Merlot die Dominante ist. Sehr viel frische Himbeere, Walderdbeere, rote Johannisbeere und Schattenmorelle. Das Ganze mit heller Lakritze unterlegt. Feine Veilchen-Note, aber nichts Süßes, sondern eher ein feines Nasenbild, aromatisch. Nicht hochreif, sondern einfach nur wunderbar verwoben, seidig, aromatisch, schick. Die Tannine sind total seidig, aber der Wein ist unglaublich frisch. Man hat ein bisschen umgestellt. Die Merlot wird eine Woche eher geerntet als normal üblich. Die Reife lies das 2020 ja auch zu. Das Ergebnis ist einfach eine größere Frische, eine unglaublich verspielte rote Frucht. Kirsche, Schlehe, Schattenmorelle, rote Johannisbeere und Himbeere. Darunter ein ganz kleiner Hauch Cassis und Schwarzkirsche, aber die rote Kirsche und die rote Frucht allgemein dominiert den Wein. Extrem fein, extrem verspielt. Der Regen Mitte August ist dem Wein extrem zugutegekommen. Schick, rotfruchtig, frisch, eine Ode an die Freude. Mit seidigen Tanninen und wunderbar frischer Säure. Salziges Finale. Das ist kein großer Wein, nur ein extrem gelungener, harmonischer, balancierter, frischer Médoc. 94-95/100