Jean Michel Stephan ist ein einstiger Mitarbeiter von Guigal, doch in der kleinen Blase der Natural-Wine-Szene ist er mittlerweile wohl ebenso bekannt und berüchtigt wie Guigal in der Weinwelt. Obwohl er seine kleine Domaine seit Beginn der 1990er Jahre betreibt, ist er in diesen drei Jahrzehnten gerade einmal von damals 3.25 Hektar auf heute rund 4 Hektar gewachsen, alles ausschließlich in der Côte-Rotie. Der Grund hierfür liegt im irren Arbeitsaufwand, den Stephan betreibt. Er hat seine Winzerschule im Beaujolais absolviert und danach bei Naturwein-Legende Jules Chauvet gelernt, dem nachgesagt wird er habe die heutige Natural-Bewegung Frankreichs begründet.
Jean Michel Stephan war also von Beginn an auf diesem Pfad unterwegs. Er hat niemals mit chemisch-systemischen Düngern oder Pflanzenschutzmitteln gearbeitet. Seine Steilst-Lagen um die Gemeinde Tupin und in den Coteaux de Bassenon bearbeitet er mit dem Pflug oder der Sense. Die enorm alten Reben brauchen viel Pflege und die Arbeit in den steilen, steinigen Hängen ist hart und beschwerlich. Deshalb kommt eine größere Betriebsfläche für Stephan gar nicht in Anbetracht, denn dann müsste er seine extreme Philosophie vielleicht ein Stück weit aufgeben oder könnte nicht mehr alles selbst in die Hand nehmen. In seiner 1.5 Hektar großen Parzelle in der Einzellage Coteaux de Bassenon, die im Süden der Côte-Rotie an der Grenze zu Condrieu liegt, stehen Reben von 1896 und 1902.
Teilweise ist es der autochthone Vorfahre der Syrah, die Serine, die hier steht. Auch ein gewisser Anteil Viognier steht bei Stephan in jedem Weinberg. Die klassische Mischpflanzung und gemischte Fermentation von weißen und roten Trauben ist bei ihm selbstverständlich Standard, alles old school, genau wie es früher war. Neben seinen Einzellagen-Abfüllungen aus Bassenon, Les Binardes und Tupins, erzeugt er einen generischen Côte-Rotie aus allen seinen Weinbergen. Er füllt also - je nach Jahrgang - nur drei bis fünf Weine ab, mehr gibt es nicht. Durch die enorm alten Reben und die ohnehin sehr kargen Weinberge überschreiten seine Erträge selten winzige 15 Hektoliter pro Hektar. Dementsprechend rar sind die Weine und in der Naturwein-Szene sind sie weltweit heißbegehrt. Das verblüffende an Stephans meisterhaften Weinen ist, dass man ihnen nicht anmerkt, dass es Naturweine sind.
Durch die enorm alten Reben und die ohnehin sehr kargen Weinberge überschreiten seine Erträge selten winzige 15 Hektoliter pro Hektar.
So wie es im Idealfall eigentlich sein sollte, aber doch selten so ist. Sie dürfen daher immer die Appellation auf dem Label tragen und müssen nicht als Vin de France deklariert werden. Jean Michel Stephan verzichtet weitgehend, wenn möglich sogar komplett, auf das Hinzufügen von Schwefel während des Ausbaus. Er möchte den Wein so ungeschminkt und pur wie möglich belassen. Aus diesem Grund baut er die meisten seiner Côte-Rotie ungewöhnlicherweise völlig ohne Holzkontakt und nur im Edelstahl aus.
Die Trauben aus den uralten Reben der Coteaux de Bassenon werden allerdings aufgrund ihrer massiven, unglaublich komplexen, aber zumeist hochfeinen Tanninstruktur ein Jahr länger und im Holz ausgebaut. Stephans Weine sind sehr individuelle, handwerkliche Côte-Rotie, die die Seele dieser Appellation mit ungeschliffenen Ecken und Kanten ins Glas bringen, unverfälscht und pur. Ganz anders als die eher Barrique-geprägten Guigals oder die stylischen Weine von Ogier, eben nochmal eine völlig eigene, kunstvolle Interpretation dieser großen Terroirs der Côte-Rotie.