Pessac-Léognan ist der südliche Vorgarten von Bordeaux und nicht nur die Heimat fabelhaft eleganter Rotweine, sondern auch die der besten Weißweine des gesamten Bordelais.

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Im Überblick

Weinregion
Pessac-Léognan

Lange Zeit waren die Weinberge, die im Norden bis ins Stadtgebiet von Bordeaux reichen, nur ein Teil der Region Graves, deren Rebflächen sich bis nach Langon, südlich von Sauternes, ziehen. Seit 1987 ist Pessac-Léognan, der nördlichste Abschnitt von Graves, eine eigene AOC, benannt nach den beiden Hauptgemeinden Pessac (ganz im Norden) und Léognan (im Zentrum). Rund 1.800 Hektar Weinberge stehen in der Region, knapp 300 davon sind mit weißen Sorten bestockt.

Arbeit im Weinberg bei Haut Bailly
Arbeit im Weinberg bei Haut Bailly

Der Seidenmattabzug

Es ist ein fabelhaftes Terroir, das unmittelbar in den südlichen Vororten von Bordeaux beginnt: lockere Kiesböden, die mit viel Sand und vereinzelt mit Lehm und Kalk durchzogen sind. Besonders markant sind die großen Kiefernwaldflächen, welche die Weinberge teilweise komplett umrahmen. Die Böden erinnern an jene des Médoc, dennoch unterscheiden sich die Weine beider Regionen. Die Weine aus Pessac sind meist charmanter, seidiger, früher zugänglich, aber auch weniger brillant. Maurice Healey schrieb einst, die Regionen Médoc und Graves seien wie ein Hochglanz- und ein Seidenmattabzug derselben Fotografie – das matte Bild könne genauso schön sein, wirke aber nicht so frisch und scharf und hätte nicht ganz so funkelnde Farben. Hedonistisch und einnehmend sind die Weine aus Pessac-Léognan allemal, das war bereits bekannt, lange bevor der Stern des Médoc aufging: Haut-Brion war im 17. Jahrhundert das erste große Aushängeschild des Bordelais.

Die Superstars der Appellation

Damals lag Château Haut-Brion noch malerisch zwischen Pessac und Bordeaux, umgeben von einem Rebenmeer. Heute sind die beiden Orte verschmolzen und rund um das Weingut Wohnhäuser wie Unkraut aus dem Boden geschossen. Dennoch ist Haut-Brion nach wie vor ein mystischer Ort und es wird dem Status eines »Premier Cru Classé« seit 1855 gerecht. Kein anderes Château aus Graves schaffte damals den Sprung in die Klassifikation der besten Güter des linken Ufers, auch das Nachbargut La Mission Haut-Brion nicht, das seit 1983 ebenfalls der Familie Dillon gehört. Mehr Kraft und Tiefe bei gleichzeitiger Spannung und Finesse gibt es in Pessac-Léognan nicht – beide Châteaux kabbeln sich jedes Jahr um die Krone in der Appellation, sowohl bei den Rot- als auch bei den Weißweinen, die sündhaft teuer sind, aber letztlich auch sündhaft gut. Weine für den ganz, ganz dicken Geldbeutel, aber auch für den unendlich hedonistischen Genuss. Westlich von Haut-Brion liegt mit Pape-Clément eines der ältesten Güter von Pessac. 1300 wurde das Château vom Bordelaiser Erzbischof erworben, der später als Papst Klemens V. auch die Geschichte von Châteauneuf-du-Pape mit prägen sollte. Heute ist das Weingut das Flaggschiff von Weinmogul Bernard Magrez.
 

Gleich südlich von Pessac liegt die Gemeinde Canéjan, in der Château Seguin seinen Sitz hat, einer DER Aufsteiger der vergangen Jahre und zumindest stilistisch ein kleines Ebenbild von La Mission Haut-Brion.

Eine Appellation, zehn Gemeinden

Weiter geht es in der Appellation Pessac-Léognan in den Gemeinden westlich und südlich der Ringautobahn Rocade, welche die Region in zwei Gebiete unterteilt. Neben Pessac und Talence (in dieser Gemeinde liegt La Mission Haut-Brion) dürfen acht weitere Gemeinden Wein mit der Bezeichnung AOC Pessac-Léognan produzieren. Wirklicher Spitzenweinbau wird aber nur noch in wenigen von ihnen betrieben. Zu viele Weinberge mussten dem Bauboom der vergangenen Jahrzehnte weichen. Trauriges Beispiel dafür ist Château Pontac Monplaisir in Villenave-d’Ornon, dessen Fläche von ursprünglich 50 auf 16 Hektar geschrumpft ist.

Epizentrum Léognan

Gleich südlich von Pessac liegt die Gemeinde Canéjan, in der Château Seguin seinen Sitz hat, einer DER Aufsteiger der vergangen Jahre und zumindest stilistisch ein kleines Ebenbild von La Mission Haut-Brion, was nicht zuletzt an den identischen Böden liegt. Fünf Kilometer südwestlich davon erreicht man dann mit Léognan das zweite große Weinbauzentrum der Appellation, eingebettet in einen riesigen Kiefernwald. Mit Haut-Bailly, Fieuzal und Malartic Lagravière liegen hier gleich mehrere Spitzengüter fast nebeneinander. Sie wurden alle in der 1959 entworfenen Klassifikation von Pessac-Léognan als »Cru Classé« eingestuft. 13 andere Châteaux in der Appellation erhielten ebenfalls diesen Status, der entweder für den Rot-, den Weißwein oder beide Weinarten eines Weinguts gilt. Fieuzal darf beispielsweise nur seinen Rotwein als Cru Classé vermarkten.

Feldarbeit bei Domaine deChevalier
Feldarbeit bei Domaine de Chevalier

Unendliche Feinheit auf Domaine de Chevalier

Wie einzigartig die waldige Gegend rund um Léognan ist, zeigt seit einigen Jahren die Domaine de Chevalier von Besitzer Olivier Bernard. Es ist ein Kleinod inmitten der frostgefährdeten Kiefernwälder – vielleicht einer der Gründe für die unbeschreibliche Eleganz der Weine. Mehr Finesse geht in Bordeaux nicht – Weine, die mehr an die Loire oder gar an das Burgund erinnern als an das Bordelais. Unfassbar gut kann auch der Weißwein der Domaine ausfallen. Ein Langstreckenläufer, der erst nach Jahrzehnten sein ganzes Potenzial offenbart. Hier wird wohl selbst dem größten Kritiker klar, welche Klasse das Bordelais auch im Weißweinbereich in die Flasche zaubern kann. Sauvignon Blanc und Semillion können am Ende eben viel mehr als nur »aromatisch« und »süß«.

Konkurrenz aus dem Süden

Am südlichen Rand liegt mit der Gemeinde Martillac das letzte Epizentrum der Appellation Pessac-Léognan. Neben La Garde, Ferran und dem Neipperg-Gut Clos Marsalette hat vor allem Château Smith Haut Lafitte die Gegend bekannt gemacht. Seitdem Florence und Daniel Cathiard das Gut 1991 gekauft haben, sind fast unanständig große Summen Geld in das Weingut geflossen. Kein anderes Anwesen in Graves wurde so umfassend modernisiert. Investitionen, die sich auszahlen: Die Weine sind auf einem nie dagewesenen Level angekommen, egal ob weiß oder rot. Zusammen mit Haut-Bailly, Seguin und der Domaine de Chavalier ist Smith heute ein unmittelbarer Verfolger von Haut-Brion und La Mission.

»Charmant« ist wohl die beste Bezeichnung für die weißen und roten Gewächse aus Pessac-Léognan. Oft früh zugänglich und doch mit grandiosem Alterungspotenzial ausgestattet, vereinen die Weine der Appellation die Brillanz des Médoc mit dem Hedonismus des rechten Ufers. Ein genialer Ort für geniale Weine, unmittelbar südlich der Stadtgrenzen von Bordeaux.