Die Côtes de Castillon sind der östlichste Außenposten des rechten Bordeaux-Ufers.

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Im Überblick

Weinregion 
Côtes de Castillon

Alle nachfolgenden Weinberge gehören bereits zur Region Sud-Ouest, genauer gesagt zu Bergerac. Trotz der Nähe zum Périgord sind die Côtes de Castillon durch und durch eine Bordelaiser Weinregion, was nicht zuletzt am Einfluss des direkten Nachbarn Saint-Émilion liegen mag. Während sich auf dem Kalksteinplateau von Saint-Émilion die große Elite des rechten Bordeaux-Ufers tummelt, müssen sich die Côtes de Castillon (offzieller Name: Castillon – Côtes de Bordeaux) mit dem Status des kleinen Bruders abfinden, obwohl sich die Weine beider Appellationen stark ähneln: immer dunkelfruchtig, samtig, von der Merlot-Frucht getrieben und deshalb früher zugänglich als die großen Gewächse des linken Ufers.

Weinberg von Montlandrie

Trotz aller Ähnlichkeit haben die Côtes de Castillon am Ende vielleicht sogar etwas die Nase vorn, wenn es um Verspieltheit und Frische geht. Dazu kommt ein perfektes Preis-Genuss-Verhältnis. Tief in die Tasche muss man in Castillon quasi nie greifen. Seit den 1990er-Jahren befindet sich die Region im steilen Aufstieg und doch wird sie immer ein wenig im Schatten des großen Bruders Saint-Émilion stehen. Alles erinnert etwas an die Beziehung zwischen den arrivierten Altstars des Haut-Médoc und den Shootingstars aus dem nördlichen Médoc. Die kleinen, unbekannten können es qualitativ immer mehr mit den großen Namen aufnehmen. So ist es auch in Castillon, denn seit die Winzerelite des rechten Ufers das Potenzial der Region erkannt hat, befinden sich die Weine auf einem superben Niveau.

Das Terroir der Côtes de Castillon

Die Côtes de Castillon bilden mit ihren rund 3.000 Hektar Reben die östliche Verlängerung des Plateaus von Saint-Émilion. Wie beim Nachbarn spielt auch in Castillon der Kalk eine prägende Rolle im Untergrund, insbesondere im Zentrum der Region. Nach Süden hin begrenzt die Dordogne die Appellation. Dort unten, in den tiefen Lagen, trifft man neben Kalk meist auf Schwemmland-Böden, sandigen Lehm und Kies. Diese Weinberge können nicht ganz mit der Klasse der besten Kalk-Terroirs auf den Hügeln von Castillon mithalten. Besonders viel Kalk findet man eher im Norden der Appellation, an der Grenze zum höher gelegenen Nachbarn, den Côtes de Francs.

Besonders viel Kalk findet man eher im Norden der Appellation, an der Grenze zum höher gelegenen Nachbarn, den Côtes de Francs.

Clos Louie – Star der Côtes de Castillon

Den Ton geben in Castillon die Weingüter auf den Hügeln nördlich von Castillon-la-Bataille an. Rund um diesen Ort schlugen die Franzosen 1453 die Engländer und verdrängten sie endgültig aus dem Aquitaine. Nordöstlich von Castillon-la-Bataille schließen die besten Kalkstein-Terroirs direkt an die östlichen Ausläufer von Saint-Émilion an. Viele Castillon-Güter liegen hier vis-à-vis zu einigen der besten Châteaux des östlichen Plateaus von Saint-Émilion. So befindet sich der Shootingstar schlechthin von Castillon, Clos Louie, in Steinwurfentfernung zu Valandraud, Tertre de la Mouleyre, Mangot und de Pressac. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Clos Louie locker mit seinen Nachbarn mithalten kann, auch wenn das Weingut bereits in Castillon liegt. Mit Böden aus Lehm und Eisen über purem Kalkstein, einer biologischen Bearbeitung und der Mini-Parzelle mit über 150 Jahre alten wurzelechten Reben im Kern seiner Weinberge ist Clos Louie heute wohl DAS Aushängeschild der Côtes de Castillon. Läge das Weingut noch in Saint-Émilion, würde es sicherlich ganz oben mitspielen in der Appellation. Entsprechend hoch läge dann natürlich auch der Preis.

Ein Terroir weckt Begierden

Längst zu einem Klassiker der Côtes de Castillon ist Château d´Aiguilhe geworden, eines der unzähligen Projekte von Stephan Graf Neipperg, der zuerst in Saint-Émilion mit Canon-La-Gaffelière berühmt geworden ist. Ab 1998 wurde das Château mithilfe von Star-Önologe Stéphane Derenoncourt Schritt für Schritt an die Spitze der Appellation geführt. Heute gehört d’Aiguilhe zum engsten Verfolgerkreis von Clos Louie. Derenoncourt selbst hat sich mit der Domaine de L’A ein eigenes Kleinod in Castillon gekauft, quasi eine private Forschungsstation. Es muss schon etwas heißen, wenn der unumstritten beste Önologe des rechten Ufers genau hier seine Zelte aufschlägt.

Domaine de L’A – Derenoncourt
Domaine de L’A – Derenoncourt

Nicht nur Graf Neipperg erkannte vor fast drei Jahrzehnten das immense Potenzial des Plateaus von Castillon. Die Spitze der Region ist heute fest in der Hand von Persönlichkeiten, die auch in Saint-Émilion zur Crème de la Crème der örtlichen Weinszene gehören. Cathérine Papon-Nouvel, die mit Gaillard, Petit Gravet Ainé und Clos Saint-Julien gleich drei Top-Weingüter in Saint-Émilion bewirtschaftet, legte den Grundstein für ihre Karriere in Castillon, wo sie bereits 1989 Château Peyrou kaufte und zu einem der besten Betriebe der Region machte. Jaques Thienpont, Mastermind hinter Le Pin in Pomerol, ist in Castillon im Besitz von Château L’Hêtre. Thierry Valette, dessen Familie einst Château Pavie in Saint-Émilion gehörte, produziert heute auf Clos Puy Arnaud einen der kernigsten Castillons überhaupt: eher eine Hommage an Saint-Julien oder gar an die besten Rotweine der Loire als an Saint-Émilion. Auch Investoren bekommen das natürlich alles mit. Peter Kwok aus Hongkong, dem unter anderem Tour Saint-Christophe in Saint-Émilion gehört, hat 2016 mit dem Kauf von Château Le Rey sein Imperium um ein Castillon-Gut erweitert.

Weinberg von Fongaban

Château Robin – der Initialzünder

Bei den ganzen großen Namen ist es umso amüsanter, dass derjenige, der vielleicht am meisten zum Aufstieg der Côtes de Castillon beigetragen hat, schon lange nicht mehr in der Region tätig ist: Stéphane Asseo machte Castillon in den 1990er-Jahren mit Château Robin weltweit berühmt. 2005 wanderte Asseo nach Kalifornien aus und gründete das heutige Top-Weingut L’Aventure in Paso Robles. Danach verschwand Robin etwas in der Versenkung, bis ein Zweig der Thienpont-Familie das Ruder übernahm. Seitdem geht es endlich wieder steil bergauf mit dem einstigen Überflieger.

Die Côtes de Castillon sind ein Charmebolzen in jeglicher Hinsicht. Hier gibt es den wollüstigen Charakter von Saint-Émilion zu einem unschlagbaren Tarif, egal ob verspielte Eistiegsklasse à la Château Fongaban oder Weltklasse à la Clos Louie. Es sind Weine für die Freude: früh zugänglich, aber mit hohem Anspruch und der ganz typischen Prägung des rechten Bordeaux-Ufers.