VON ELIAS SCHLICHTING

Der Jahrgang 2022

Elias Schlichting probiert den Jahrgang 2022

Es gibt so viel Grandioses.

All in all der wärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen! An Vorurteilen gegenüber solchen Witterungsverhältnissen mangelt es uns als weinbauliche Nord-Nation ja nicht. Von den Winzern hatten wir aber schon einiges Erfreuliches gehört. Mit ein klein wenig gesunder Skepsis, aber gewaltiger Vorfreude starteten wir direkt nach der ProWein in unsere vierwöchige Verkostungsreise durch Deutschland.

Schon wieder ein Rekordsommer also. Da geht das Kopfkino los. Wird ein Tim Fröhlich vor uns sitzen, der mit kaltschweißiger Stirn erstmals zugeben muss, dass die Star Wars-Ära endgültig vorbei ist? Keine surrenden Laserschwerter in den Fässern?! Knackt der immer trockener werdender Oliver Haag mit seiner Juffer-Sonnenuhr den historischen Brauneberger Alkoholrekord? Und wann wird Konrad Salwey wohl geerntet haben – Ende Juli? Wir waren ja auf alles gefasst.

Im Weinberg

Doch dann glitzern die ersten Weine im Glas: fein, leichtfüßig, harmonisch, zugänglich und …elegant! 12% Alkohol! Wow!! Das glaubt einem ja keiner, der es nicht selbst auf der Zunge hatte. Der Jahrgang zeigt – bei den von uns verkosteten Weingütern, anders als etwa 2003 und 2018 – im Jungstadium kaum Anzeichen eines extremen Hitzejahres. Verblüffend. Mit der fortschreitenden Mediterranisierung der klimatischen Verhältnisse geht die Schere zwischen progressivem Weinbau und den geeignetsten Standorten und allem anderen immer weiter auseinander. Wir sehen das von Frankreich über Italien, Spanien und eben auch in Deutschland. Jeder hat mit sich ungeahnt rasch verändernden Bedingungen zu kämpfen. Doch wer im An- und Ausbau nicht vor 10 Jahren stehengeblieben ist, der beherrscht – fraglos mit teils immensem Arbeitseinsatz und Commitment – selbst solche dramatischen Trockenphasen und massive UV-Intensität.

Das glaubt einem ja keiner, der es nicht selbst auf der Zunge hatte.

Fakt ist aber auch, dass die deutschen Top-Winzer in kaum einem Jahrgang zuletzt so viel abgestuft haben, so penibel waren in ihrer Traubenselektion und so hart mit der Auswahl der Gebinde bei der Cuvetierung. Lange wurde nicht mehr so viel Wein im Fass wegverkauft, gerade auch aus den jüngeren Rebanlagen und ultratrockenen Standorten. So selektiv wie die Winzer sollten auch wir Weintrinker mit dem Jahrgang sein. Wer sich auf Top-Lagen, Top-Weinbau und Top-Betriebe fokussiert, wird ein Füllhorn an atemberaubend guten, wunderbar eleganten Weinen finden. 2022 ist kein Jahr zum wahllosen Draufloskaufen. Denn von Bordeaux über die Rhône bis nach Deutschland sind sich Winzer in einem einig: einfach war der Jahrgang nicht.

Verkostung bei Meyer Näkel
Verkostung bei Meyer Näkel

Trotz Jahrhundertsommer wurden mitnichten aus jedem Weinberg einheitlich große Qualitäten geerntet. Denn in 2022 ist durch die paradoxe Transparenz der Weine ein faszinierend klares geschmackliches Abbild der Terroirs zu erkennen – und damit auch der feinsten klimatischen Unterschiede. Rebalter, lokale Regenmengen, Wasserhaltefähigkeit, Bewirtschaftung, Laubarbeit, Erntezeitpunkt. Diese Details zählen in einem so extremen Jahr wie 2022 noch mehr als sonst. Denn selbst die kleinsten Fehlentscheidungen oder Defizite der Standorte werden von den Weinen kanalisiert.

Die Winzer sind sich in einem einig: einfach war der Jahrgang nicht.

Der Jahrgang mag auf den ersten Blick nicht so durch die Bank makellos strahlen wie es vielleicht ein 2019 tat oder so mitreißend rassig wie 2021 aus dem Glas kommen. Wir sind eher bei eleganter Frucht ohne Üppigkeit, bei sehr balanciertem, reifem Säurespiel und Zugänglichkeit wie sie auch die schicken Jahre 2020, 2017 oder 2012 hatten. In der Spitze versprechen manche 2022er auf Augenhöhe mit den genannten zu sein – und zeigen Potenzial womöglich sogar darüber hinauszuwachsen. Einige Weine sind berauschend gut. Was für ein unendlich feiner, kühler, kraftvoller Morstein bei Wittmann, Christmanns Hammer-Idig, ein superintensives Ungeheuer bei Bürklin, ungeahnt tänzerisch-leichtfüßige, brillante Kabinette von Saar und Mosel, eine superbe Kollektion bei Luckerts, eine Juffer-Sonnenuhr bei Haag, die keinen Alkoholrekord bricht, sondern mit feingliedrigem Zug glänzt und ganz große Klasse auch bei Loewen. Es gibt so viel Grandioses zu entdecken in diesem Jahr und ich denke auch Weltklasse war drin.

Keller

Weil der Jahrgang sich regional so unterschiedlich präsentieren kann, habe ich mich entschlossen kleine Abrisse der Regionen zu skizzieren. Genauere Details finden Sie in den neuen Verkostungsnotizen. Tauchen wir also ein ins heterogene, faszinierende, verführerische und teils so überraschend feine 2022, das viele Anklänge von 1999 (trockener Sommer, Regen im September), der Köstlichkeit von 2009 und dem ebenfalls verblüffend delikaten 2020 hat.

Ein heterogenes, faszinierendes, verführerisches und teils so überraschend feines 2022.

VON ELIAS SCHLICHTING

Der Witterungsverlauf 2022

Dry farming!

Die für heute ungewöhnlich späte Lese des Jahres 2021 endete nach dem nassen Sommer in einem trocken-milden Herbst, dessen Verhältnisse sich dann auch überwiegend bis durch den Winter zogen. Der Januar füllte mancherorts die Wasserreserven etwas auf, es gab aber kaum Schnee – selbst in den Alpen war häufig noch bis weit ins neue Jahr Wandern statt Wintersport angesagt. Der relativ trockene Start ins Frühjahr mündete dann – wie eingangs erwähnt – im sonnenreichsten und einem der trockensten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen. An manchen Orten hat es in der Vegetationsperiode nahezu gar nicht mehr geregnet bis September, bei wenigen Glücklichen kam der Regensegen doch mal hier und da vorbei. Etwa Westhofen hatte ein paar gute partielle Regenfälle im Spätsommer, was Wittmann wohl diese fast überirdische Präzision ermöglichte. Trier hingegen war die trockenste Stadt Deutschlands im Jahr 2022. Es wird deutlich, wie gravierend die Unterschiede der Terroirs sein können in diesem Jahrgang.

Es ist halt nicht mehr wie früher.

Für die Traubengesundheit ist die Trockenheit ein Segen, die Winzer erhielten ihre wohlverdiente Entschädigung für das knallharte, superanstrengende 2021. In 2022 war über den Sommer kaum Pflanzenschutz nötig. Florian Lauer: »2022 kann als eines der ökologischsten Jahre ever gesehen werden, pure Naturgewächse!« Einige Winzer scherzten sogar halbernst, dass man mancherorts vermutlich, völlig ohne zu spritzen, gut durchs Jahr gekommen wäre. Willkommen in Südfrankreich! Aufgrund des trockenen und entspannten Frühjahrs war auch der Fruchtansatz sehr gut und die Voraussetzungen für satte Erträge gegeben. Die extreme Trockenheit schürte dann allerdings die Angst vor kleinen, knubbeligen Beeren mit dicker Haut und wenig Saftausbeute, wie es in 2019 und 2020 oft der Fall war. Die Regenfälle im September brachten endlich Saft in die Beeren und die Erntemenge war durchschnittlich, teils leicht darüber. Das Anschwellen war dem gewünschten Ertrag zuträglich und verhinderte einen drohenden viel zu konzentrierten Jahrgang, verringerte jedoch teils die ohnehin moderaten Mostgewichte. Früher galt dann meist: wer mutig zuwartet, gewinnt. Das kann man für 2022 so nicht unterschreiben. Hermannsbergs Karsten Peter stellte sowohl für die Pfalz als auch für die Nahe fest: »Da ist nicht mehr so viel passiert in Sachen Reife nach dem Regen und viel besser ist es auch nicht mehr geworden.« Es ist halt nicht mehr wie früher.

Karsten Peter
Liebe Grüße von Karsten Peter

Der Regen brachte dann teils auch Fäulnisdruck in die Weinberge. Die biologische Uhr tickte und größerer Regen war für Anfang Oktober gemeldet. In den nördlicheren Regionen musste man sich dann schon ranhalten, die meisten waren auch dort bis Mitte Oktober mit der Hauptlese durch. In Rheinhessen, der Pfalz und Baden war es ein überwiegend entspannter Herbst mit hier und da sogar generösen Lesefenstern in etwas abgekühlter Witterung, was half die Frische zu erhalten. Gerade von den früher reifen Bios und Biodynamikern hatten hier viele schon vor dem größeren Regen Anfang Oktober ihre Schäfchen im Trockenen. Die durstigen Trauben nahmen die leichteren Regenfälle im September jedoch dankend mit und beschenken uns dafür nun mit hocharomatischen, zugänglichen, feinfruchtigen Weinen bei sehr moderaten Alkoholgehalten. So viel Intensität und Frucht bei diesen leichteren Volumen, das kann fast nur deutscher Riesling! Cool-Climate-Werte aus einem der heißesten Jahrgänge überhaupt. Kann sich keiner ausdenken sowas.

Cool-Climate-Werte aus einem der heißesten Jahrgänge überhaupt. Kann sich keiner ausdenken sowas.

Alte Reben, lehmigere und kalkigere Böden hatten auf jeden Fall die Nase etwas vorne. Mit gutem Humusgehalt und vitalem Boden war auch auf kargeren Standorten einiges drin, wie die brillante Kollektion der Familie Rebholz beweist. Das Riesling Sonnenschein GG vom Kalk… ein fulminanter Kracher! Auch Wittmanns Weine fliegen. Vom Gutswein Kalkstein übers Kirchspiel ist da richtig viel Musik drin. Und sein Gundersheimer Ortswein aus dem Höllenbrand ist unterwegs zum GG, wird spürbar jedes Jahr spannender. Lange kann das nicht mehr dauern.

Nicola Libelli
Nicola Libelli von Bürklin Wolf in seinem Element

Natürlich taten sich die extrem steinigen und ultrakargen (v.a. Schiefer-)Böden wie an der Mosel, dem Rüdesheimer Berg oder dem Roten Hang in so einem Jahr oft etwas schwerer. Man kann da nichts beschönigen, es war schon brachial trocken an diesen Standorten mit parzellenweise auch verheerenden Folgen. Aber gerade an der Mosel stehen viele sehr alte Reben, was für einen gewichtigen Gegenpol sorgt. Max Ferd. Richters Wehlen Sonnenuhr GG aus den weit über 100-Jährigen war noch nie so gut – ein Überflieger. Dito Loewens Ritsch GG, Buschs Falkenlay, die brillanten Kabis von Christian Hermann und Moritz Hofmann bei Vollenweider. All diese Weine bersten vor Vitalität und Spannung. Paradox!

All diese Weine bersten vor Vitalität und Spannung. Paradox!

VON ELIAS SCHLICHTING

Die Weinregionen im Überblick

Mosel-Saar-Ruwer

Deutschlands Dourotal hatte dieses Jahr einen wahrlich portugiesischen Sommer. Der Wassermangel ist auf den kargen Standorten, aber zugleich die – so blöd es klingt – notwendige Bremse, dass die Trauben nicht durch die Decke schießen. Man kann aber klar sagen, dass die Mittelmosel etwas mehr Wasser hatte als Saar-Ruwer, entsprechend ein bisschen mehr Power. Eigentlich etwas zu spät setzten Ende September, Anfang Oktober die längeren Regenperioden ein. Dann hieß es warten, denn für GGs fehlte bis dato den meisten noch das Mostgewicht.

Egon Müller
Auf dem Scharzhofberg bei Egon Müller

Vor dem einsetzenden Regen konnten einige sehr schöne Prädikatsweine, vor allem Kabis, geerntet werden. Die hohen Prädikate waren aufgrund mangelnder Oechsle und wenig bis Null Botrytis schwer erreichbar. Sogar Pokerface Christian Hermann hat keine TBA im Keller, aber dem Jahr mit Ach und Krach eine BA abgerungen. Damit war er dann recht alleine auf weiter Flur. Einige Lagen – wie Egon Müllers Scharzhof, der wie 2021 eine superbe Kollektion abliefert – haben auch in solchen Jahren wenig Wasserstress. Das schmeckt man dann auch in der gewaltigen Intensität von Egons nahezu voll botrytisierter Auslese. Er selbst vergleicht den Jahrgang mit dem für ihn großen 1999. Ein Ritterschlag für 2022.

Die Mehrheit der Rieslinge zeigt sich für den Jahrgang unerhört leichtfüßig.

Die GGs der Mosel sind in 2022 zum Teil sehr zugänglich, teils noch recht verschlossen und reduktiv, je nach Standort und Ausbau. Graach hat deutlich mehr Wasser als etwa der Brauneberg oder Wehlen. Man kann per se aber nicht sagen, dass deshalb Brauneberg oder Wehlen viel schwächer dastanden, vor allem die alten Anlagen in den Kernstücken haben gut performt. Man muss die Weingüter einzeln betrachten, um seine »Coup de Coeurs« zu finden. Die Mehrheit der Rieslinge zeigt sich für den Jahrgang unerhört leichtfüßig, fast filigran, niedrig im Alkohol, aber mit einem großen Orchester an Aromenintensität aufspielend. Ein im Grunde charakterlich klassisches Jahr an der Mosel mit verspielten, eher schlankeren, manchmal gar mutig kargen Weinen, die einen tollen Schliff und viel Zug haben. Die Säuren sind durch die Bank niedriger als im extremen Vorjahr, für viele sicher kein Nachteil. Im analytischen Sinne recht »normal«, präsentieren sie sich aber keinesfalls sensorisch niedrig, sondern beschwingt und angenehm frisch, was sicher auch in Zusammenhang mit den verhältnismäßig niedrigen pH-Werten steht.

Carl Loewen
Verkostung bei Carl Loewen

Der Brite würde die Mosel 2022 »a mixed bag« nennen. Vom ultrageschliffenen, schön trockenen, für mich grandiosen Fritz Haag, über viele berauschende Fässer bei Clemens Busch bis zum sehr offenherzigen, schmelzig-dichten Heymann-Löwenstein ist da für jeden Geschmack was dabei. Löwensteins Schieferterrassen ist schon aus dem Fass sooo köstlich! Tolle Erfolge sind auch die Grünhauser Abtsberg und Bruderberg GGs, sowie das neue, feine Schloss Kabinett. Eine fantastische Kollektion hat uns auch Familie Loewen eingeschenkt. So glockenklare, intensive und dichte Weine… atemberaubend steinig der Ritsch, großartig der kraftvoll-elegante Riesling 1896.

So glockenklare, intensive und dichte Weine…

Nahe

Nach der Reise rief mich Stephan Reinhardt an, um sich nach meinen Eindrücken zu erkundigen. Seine erste augenzwinkernde Frage: »Gibt es Highlights – also außer der Nahe?« Er hatte noch kaum etwas probiert von dort, aber der Höhenflug der Region der letzten Jahre ist ja unbestreitbar. Was zum einen an der Handvoll extrem ambitionierter Topbetriebe dort liegt, zum anderen an diesem klimatischen Mittelweg zwischen Mosel und Rheinhessen – da passt einfach oft alles. Familie Dönnhoff: »Von Anfang Juli bis Ende August regnete es in Oberhausen keine 10 Liter/m2. Die Landschaft wirkte ausgetrocknet. Noch nie haben wir den Wasserspiegel der Nahe auf einem so niedrigen Niveau gesehen. Nur die Weinberge unterbrachen mit ihrem Grün das karge, wüstengleiche Bild.« Und dann bekommt man dort Weine ins Glas, die einen umhauen mit ihrer Brillanz und Harmonie, kaum zu glauben. Wie im Vorjahr, anders als Herr Wine Advocate, finde ich die Hermannshöhle wieder den kompletteren Wein neben dem Dellchen. Eine Hermannshöhle, die in 10 Jahren neben den besten Jahren bestehen kann. Fantastisch auch die Spätlesen aus der Brücke, Vibration und Spiel ohne Ende. Spannend auch die Late Releases aus der Schatzkammer, eine 2019er Brücke BA und eine der sehr raren Spätlesen aus dem Felsenberg von 2018.

Bei Dönnhoff
Beim Altmeister Dönnhoff

Herausragend gut ist in den letzten Jahren auch Frank Schönleber, der vor allem mit dem Halenberg zuletzt die Quadratur des Kreises aus dunkler Kraft und riesiger Finesse ziemlich perfekt trifft. Da noch kein ungefährer Blend machbar war, probierten wir einige GG-Fässer durch: da war so viel Potenzial schmeckbar und was fast alle einte, war, dass die Partien viel mehr über eine ganz feine, nachhaltige Länge als über Wucht kamen. Ich vermute, da kommt Großes. Die Zwischenzeit kann mit sich wunderbar mit dem superben Halgans 2022 vertreiben. Beim Tausendsassa Karsten Peter auf dem spektakulärsten Weingut Deutschlands, Gut Hermannsberg, gefielen mir auch dieses Jahr vor allem die Weine von Vulkanböden. Schon der Vom Vulkan ist berauschend, annähernd GG-Qualität, Wahnsinn. Der Felsenberg bleibt auch 2022 ein Wein für Puristen. Die Late Release GGs Hermannsberg und Kupfergrube werden dieses Jahr aus 2018 kommen. Wow, was für Monster. Für mich ist die Kupfergrube faszinierender aktuell, dicht, gelb, rauchig, mit so gewaltigem Schub aus Karamellen und Cremigkeit. Ein Montrachet von der Nahe. 2018 ist anders als 2022. Das schmeckt man hier nochmal ganz deutlich.

Wieder ganz weit vorne in Deutschland.

Dann kommt der Jedimeister Tim Fröhlich. Der moderate Trockenstress im Sommer hat die Wildheit, die Tim sucht, sogar noch ein bisschen gefördert, hat die Reife moderat gehalten, aber die Würze maximiert.  Für ihn ist der Jahrgang eigentlich absolut mega, auch wenn er nicht einfach war. Laubarbeit im Sommer, schnelle Lese und gute Pressprogramme, die Phenoleinträge minimieren – dann lief es aber wie am Schnürchen. Von der goldgelben Traubenqualität erinnert es Tim ein bisschen an 2011, aber es hat mehr Säure und Frische als 2011. Seine GGs zeigen Eleganz, Salz, Schieferwürze, Kargheit, Finesse – alle Regler nach rechts und ab gehts. Wieder ganz weit vorne in Deutschland. Er ist eben mit KPK vielleicht der größte Freak, den wir haben in Deutschland. Reduce to the max.

Rheinhessen

Rheinhessen ist das größte Anbaugebiet, daher auch das diverseste. Kalk im Norden, die Rheinfront auf Tonschiefer und der etwas pfälzischere, südliche Wonnegau mit Lehm-Kalk. Die Reife ist auch hier moderat, aber höher als an der Mosel, vergleichbar mit der Nordpfalz um Kallstadt, Freinsheim und Co. Entsprechend fein austariert sind die Alkoholgrade, in Tateinheit mit sehr reifen, wunderbar geschmeidigen Säuren, haben viele Rheinhessen ein tolles Texturspiel. Da kann man texturell teils fast Vergleiche zum klimatisch völlig anders gearteten 2016 ziehen, aber das war 2020 auch schon so. Vom Kalksteinriff im Norden zeigt Bischel Weine, die nahezu gar keine Wärme ausstrahlen, so kühl und geschliffen, ein unglaublicher Job! Carsten Saalwächters 2021er Burgunder stehen jetzt in den Startlöchern und aus dem kühleren Jahr bekommt es einen Chablis-Touch, hat diese Spannung aus der grünen Aprikose und dem extraktsüßen, kalkigen Grip. Top!

Wittmann

Die Rheinfront stand schon arg unter Druck mit der Trockenheit. Es ist einfach brutal karg und noch dazu superwarm. Wer da nicht ackert wie verrückt, wie KPK oder ein HO Spanier mit Strohabdeckungen, die etwas Kühle an den Boden bringen und Feuchtigkeit halten oder teils Bewässerung stehen hat wie Gunderloch, der sieht bald kein Land mehr. Felix Peters sagte mir, dass er in bald 20 Jahren Erfahrung am Roten Hang niemals auch nur ansatzweise so brachiale Zustände in den Weinbergen gesehen hat wie 2022. Toskanisch staubig. Puh! Und dann macht Gunderloch da so einen gnadenlos spannungsreiches, reduktives Rothenberg GG, eigentlich unglaublich. Kabinettjahre wie 2022 sind ja immer auch Schätzel-Jahre. Wer tiefer in das Thema »Naturwein« einsteigen will, der muss sich mit Kai Schätzel beschäftigen, jetzt und in den kommenden Jahren. Sein Stoff ist Pionierarbeit. Felix Peters selbst ist immer mehr auf dem Weg eine Burgundergröße in Deutschland zu werden, in Weiß dauert das vielleicht noch ein paar Jahre, aber gerade beim Spätburgunder ist er jetzt schon spitze. Sein Niersteiner Paterberg 2021 ist mega, da kann tatsächlich nicht viel mit in Rheinhessen.

In so einem extremen Jahr: wow, wow, wow!

HO und Carolin Spaniers faszinierendste Weine kommen dann aber eben doch aus dem Wonnegau und Zellertal dieses Jahr, groß sind das Frauenberg GG und Kreuzberg, der auch von den dortigen Wasseradern gesegnet ist. Der Zellertaler, Deutschlands teuerster Ortswein, wird eventuell bald als Zweitwein des CO, der er ja ist, auch auf dem Place de Bordeaux gehandelt. We will see!

Wittmann
Bei Philipp Wittmann

Absolut umgehauen hat mich dieses Jahr der Fokus und die Präzision von Wittmann. Das hat er ja immer, aber in diesem Jahr und gerade in so einem extremen Jahr: wow, wow, wow! Probieren Sie mal diesen Morstein 22, ich war hin und weg davon. Fein, kühl, dicht und kraftvoll ohne Schwere – ich weiß nicht, wie er es gemacht hat. Der Wonnegau war sicher etwas privilegiert in diesem Jahr aufgrund der guten Wasserhaltefähigkeit der Lehmkalkböden. Probiert man Wittmann, merkt man das sehr schnell. Top of the tops!

Pfalz

Viele Sonnenscheinstunden ist die Pfalz gewohnt, die Trockenheit schlug jedoch auch hier voll durch. Trockenstress gab es vor allem auf den sandigeren Böden etwa in Freinsheim oder Deidesheim. Junge Reben hätten das ohne zusätzliches Wasser nicht ausgehalten. Die alten Knorzen im Kalkstein, Vulkan- und Buntsandstein haben sich aber wacker geschlagen. Zudem gibt es gerade hier so viele Biobetriebe, die seit Jahren mit Hochdruck am Humusaufbau arbeiten, was sich in so einem Jahr dann hoch bezahlt macht. Die berstende, fast moselanische Säurefrische, die die Pfalz 2021 hatte, fällt in diesem Jahr deutlich geschmeidiger aus. Wir sind zurück beim pfälzischen Schmelz, bei textureller Gelassenheit, tolle Weinsäuren, rund und balanciert, da rutscht man ein Stück tiefer in den Sessel. Die Weine sind überwiegend elegant und haben ein schon ausgewogenes Verhältnis zwischen Reife, Säure und Mineralität. Transparent, zugänglich und mit brillantem Fruchtausdruck. Einfach schick, herbsaftig und sehr passend – den Pfälzern fehlt nichts. Und ich bin jetzt schon gespannt auf die 22er Spätburgunder von Rings, Knipser, Sophie Christmann, Jülg, Becker, Kuhn … legends in the making!

Verkostung Rings
Verkostung bei Rings

Rings macht den Auftakt mit dem von den Gebrüdern gewohnten kühlen Druck, geschliffen, aber immer mit dieser gewissen Wildheit von zarter Reduktion und steinigem Phenolbiss. Herrlich herb, weichgespült gibt es woanders. Neu bei uns im Programm ist ein toller Gutswein, eine Burgundercuvée. Mitgerissen hat mich der Kreid – was für eine strukturelle Power! Auch wenn der Ertrag im Grunde gut war, haben die Rings-Brüder sehr selektiv gearbeitet und im Zweifel lieber mehr abgestuft, es gibt also keine großen Mengen in der Spitze leider. Schade, weil teils superstark!

Bestechend kristallin und so pur in ihrer Aromatik.

Betriebe, die einen geradlinigen, kühlen, eher schlankeren und säuregetriebeneren Stil fahren, haben den Jahrgang besonders gut einfangen können. Es war einfach nicht das Jahr für späte Lese und Schmelz im Ausbau. Viele entschieden sich auch die Weine teils etwas früher von den Hefen zu nehmen, um sie nicht in die Breite gehen zu lassen. Wenig verwunderlich, dass die kristallinen Christmanns wieder top sind, dass der Moselaner Martin Franzen bei Müller-Catoir mit seiner rassigen Puristik tolle Rieslinge gemacht hat. Aber auch Stephan Attmann hat viel grandioses im Keller! Gerade auch für Sauvignon Blanc muss das ein fantastischer Jahrgang werden, schon die Basis-Sauvignon Blancs sind bestechend kristallin und so pur in ihrer Aromatik. Wahrscheinlich best ever. Eine Premiere gibt es auch noch: 2021 wird der erste Jahrgang sein, indem mir der Marmar besser gefiel als der Ozyetra – die Feinheit des Marmar ist einfach extraterrestrisch, herausragender Stoff.

Krack
Verkostung beim Sekthaus Krack

Dass die biodynamische Topriege der Region in so einem Weinbau-Jahr glänzt, liegt auf der Hand. Bei Familie Frank John sind nun die Kinder Sebastian und Dorothea fest mit im Betrieb, entsprechend der Man- bzw. Woman-Power ist er auch etwas gewachsen. Uns erwarten bald Lagenweine in Weiß und Rot – tolle Entwicklung und weinbaulich klar einer der stärksten Betriebe des Landes. Rebholz im Süden dürfte herausragend werden, wie eingangs erwähnt. Dr. Wehrheim steht da, mit seinem ebenso handwerklichen Weinbau, in Nichts nach, der Kastanienbusch ist konzentriert und wollüstig tief. Genau wie die dieses Jahr sehr starken Burgundersorten, die mit den klimatischen Verhältnissen besser klarkommen als der filigranere Riesling.

Franken

Rudolf May
Rudolf May

In Franken haben wir nicht viele Betriebe, aber alle sind sehr eigen in ihrer Stilistik, das ist erfrischend. Mit die wichtigste Nachricht vorweg: Familie Luckert hat Wein in den Kellern ihres Zehnthofs! Nach zwei Jahren herber Verluste (Frost, Hagel und Mehltau) gibt es nun endlich wieder eine reguläre Ernte. Eine herausragend gute noch dazu. Der Sulzfelder Ortswein ist für mich der beste Silvaner in seinem Preisbereich, kompakt, griffig, stoffig, brillant, ein toller Wert. Alle Weine haben eine gute Konzentration, sind betont elegant, zeigen nichts Üppiges. Luckerts Silvaner bleiben auch in 2022 eher auf der frischen und kühlen Seite, haben aber eine geniale Dichte. Luckerts sind schon gewissermaßen Zauberer mit dieser Rebsorte – und der entspannte Trinkfluss ist immer dabei, das ist das Schönste daran.

Aus Franken hätte ich so einen Stoff jedenfalls nicht erwartet, genial!

Der Holz-Virtuose Rudi May und sein Sohn Benedikt haben eine superbe Kollektion in den Fässern, schon der Silvaner Schäfer Erste Lage zeigt wo es langgeht: nur zur Eleganz, aber mit gutem Druck und meisterlich integriertem Holzausbau, auf den hier viel Wert gelegt wird. Nach einer Umveredelung können sich die Mays an den wohl ältesten Chardonnay-Rebstöcken Frankens erfreuen, 50 Jahre. Am ehesten mit einem kühlen Hochlagen Saint-Aubin oder vielleicht sogar einigen Jura-Chardonnays vergleichbar in seiner straffen und würzigen Art. Aus Franken hätte ich so einen Stoff jedenfalls nicht erwartet, genial! May ist etwas wilder und naturweiniger als die supergeschliffenen, feinen Luckerts.

Weingut Sauer
Horst und Sandra Sauer

Horst und Sandra Sauer spielt 2022 in die Karten, denn die feine Frucht und Zugänglichkeit sind ja ohnehin ihr großes Plus. Die Weine sind immer schön, umarmend, haben Grip und Zug, sind fränkisch-trocken und haben doch eine ganz zarte Exotik, die sie einfach köstlich macht. Extreme gibt es hier keine, aber tolle Weine aus dem entgegenkommenden Jahr.

Im Spannungsfeld aus Hedonismus und Eleganz

Rheingau

Da im Rheingau mittlerweile so viele unserer Betriebe mit Late Release in verschiedenen Rhythmen arbeiten, ist es nicht einfach darüber in einem Atemzug zu berichten. Zu divers. Deshalb schnappe ich mir Weil als Generalbeispiel für 22. Der Gräfenberg hat in weiten Teilen Wasser aus dem darüberliegenden Wald. Die 2022er bewegen sich also im Spannungsfeld aus Hedonismus und Eleganz, mit gewaltigem Fruchtdruck und Power, sehr wuchtig und intensiv, gerade noch ausgewogen. Weil hat durch seine Größe und die ewige Erfahrung in diesem Hang, die Möglichkeit immer das beste Traubenmaterial rauszuholen.

Kühn
Kühn Schiefer

In anderem Jahrgangs-Turnus unterwegs, dennoch hier nicht zu unterschlagen – und oft auch nicht zu schlagen: PJ Kühn. Der 2021er Sankt Nikolaus ist expressiv und krachend, bleibt aber schlanker und säuregetriebener als in allen Vorjahren. Sehr, sehr pikant, superfrisch und mit berauschender Frucht – das muss man mögen, ich finde es Weltklasse. Zudem gibt es mal wieder einen der heiß begeherten Spezialreleases. 2020 Ortswein Reserve aus den brillierenden, kühlen Hochlagen von Hallgarten. Der ist große Klasse!

...muss man mögen, ich finde es Weltklasse.

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Weine in Subskription kaufen
– So funktioniert’s

Der Kauf eines Weines in Subskription ist im Grunde ein Warentermingeschäft: Sie bestellen heute z. B. den Jahrgang 2021 und bekommen diesen im Herbst 2024 ausgeliefert. In der Regel kommen gerade die raren Weine zwei Jahre später deutlich über dem Subskriptionspreis auf den Markt. Wenn Sie sich für Wein begeistern und die Entwicklungen in Frankreich, Spanien und Deutschland verfolgen, haben Sie als informierter Konsument so oft einen großen Preisvorteil – zumal Sie gerade rare Weine aus Bordeaux häufig nicht mehr bekommen, wenn diese abgefüllt auf den Markt gelangen. 

Sicherheit

Mit dem Kauf in Subskription stellen Sie sicher, dass Sie die Weine, die Sie begeistern, auch bekommen.

Preisvorteil

Weine in der Subskription sind zwischen 25 und 50 % günstiger bevor sie abgefüllt auf den Markt gelangen.

Bestätigung

Nach dem Kauf erhalten Sie eine schriftliche Bestätigung – der Wein liegt auf dem Château noch im Fass und Keller.

Auslieferung

Knapp 2 Jahre nach dem Kauf erfolgt die Auslieferung und die Freude über den gesicherten Genuss setzt ein.

Ergänzende Hinweise

Die Zahlung der Subskriptionsrechnung ist, ergänzend zu unseren AGB, unmittelbar und ohne Abzug fällig. Die Auslieferung erfolgt i. d. R. im Herbst des dritten Jahres auf den Weinjahrgang. 

Die Abgabe aller Subskriptionsweine in 0,75l-Flaschen erfolgt i. d. R in 12er-Original-Holzkisten. Selten ist die 0,75-Liter-Flasche auch in 6er-Original-Holzkisten als Packgröße möglich. In vielen Fällen sind Bordeaux-Weine auch als Magnum (1,5l), seltener auch als Doppelmagnum (3,0l) oder sogar Imperial (6,0l) erhältlich. 

Alle erhältlichen Größen finden Sie immer direkt in unserem Shop. Wenn es einen Wein in abweichenden Formaten und Größen gibt, finden Sie auch immer unter dem Artikel mit dem Dropdown-Button »Andere Jahrgänge und Größen« die Möglichkeit das entsprechende Format auszuwählen:

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Für Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich zu den Geschäftszeiten gerne auch telefonisch zur Verfügung: +49 421 696 797-0