Bulgarien ist zwar seit 2007 Mitglied der europäischen Union, doch dürfte das Land am Schwarzen Meer den meisten Europäern recht unbekannt sein. Das gilt auch für den Weinbau, der in Teilen immer noch dort stattfindet, wo das antike Thrakien lag, mit dessen schwerem süßen Rotwein Odysseus den Polyphem in Schlaf versetzte, um seine Getreuen zu retten.
Ob der Weinbau seinen Ursprung rund um das Schwarze Meer hatte oder weiter östlich in Asien entstanden ist, lässt sich heute nicht mit Gewissheit sagen. Wohl aber ist sicher, dass Thrakien, zu dem Teile Griechenlands, Bulgariens sowie der europäische Teil der Türkei gehörten, die älteste Weinbauregion Europas ist. Dort wurden die ersten Trauben in Amphoren ausgebaut, und es gab eine ausgeprägte Kultur zu Ehren des Weingottes Dionysos. Der thrakische Wein wurde nicht nur von Homer besungen, sondern auch Jahrhunderte später unter römischer Herrschaft in alle Teile des Reiches exportiert. Bis ins Jahr 1393 wurde der Weinbau flächenmäßig immer weiter ausgedehnt und kam dann mit der Eroberung durch das Osmanische Reich für die folgenden fünf Jahrhunderte komplett zum Erliegen. Bis ins Jahr 1393 wurde der Weinbau flächenmäßig immer weiter ausgedehnt und kam dann mit der Eroberung durch das Osmanische Reich für die folgenden fünf Jahrhunderte komplett zum Erliegen. Wie andere moslemisch geprägte Weinbauländer auch wurde Bulgarien zum Tafeltraubenexporteur.
Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Untergang des Osmanischen Reiches wurde der Weinbau wieder aufgenommen – meist von kleinen Familienbetrieben, die sich vor allem um die lokalen Rebsorten wie Mavrud, Rkatsiteli, Misket Cherven oder Kadarka kümmerten. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der folgenden kommunistischen Planwirtschaft wurden die Betriebe dann zu Kollektiven zusammengefasst, und es wurden und vor allem französische Rebsorten wie Merlot und Cabernet angepflanzt, die sich im gemäßigt kontinentalen Klima sehr gut entwickelten. Tatsächlich wurde Bulgarien wieder ein Weinexportland. Die Qualität der günstigen Weine war so gut, dass diese nicht nur die Regale in sowjetischen Läden füllten, sondern auch im westlichen Europa. In Großbritannien war bulgarischer Rotwein in den 1970ern und 1980ern das, was später die günstigen Marken aus Australien, Chile und Argentinien geworden sind. Doch nicht nur die Überseekonkurrenz hat die bulgarischen Weine aus den Regalen verdrängt. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs fielen die Strukturen in sich zusammen, die Kollektive wurden wieder aufgelöst und große Mengen an Weinbergsflächen gerodet.
Die bulgarische Weinwirtschaft musste sich neu erfinden. Und sie bekam Hilfe von außen. Vor allem gehörten Exilbulgaren, die in anderen europäischen Ländern zu Wohlstand gekommen waren, zu den ersten Investoren, da sie um das Potential der fünf Weinbauregionen wussten. Der in Berlin lebende Ivailo Genowski war einer der Ersten, der mit seinem Engagement im Weingut Santa Sarah für Aufsehen sorgte. Der in London ansässige Konzertpianist Ivo Verbanov hat sich mittlerweile mit Haut und Haaren dem heimatlichen Wein verschreiben und erzeugt heute einige der besten Weine Bulgariens. Wie interessant die Regionen Dunavska Ravina (Donauebene), Thrakiiska Nizina (thrakische Ebene), Tschernomorski (Schwarzmeer), Jolianka Na Struma (Struma-Tal) und Podbalkanski (Balkanrand) für den Weinbau tatsächlich sind, zeigt sich vor allem am Engagement ausländischer Investoren. Der bekannteste dürfte Stephan Graf Neipperg sein. Neipperg hat in den frühen 1970ern in Bordeaux-Weingüter wie La Mondotte, Canon La Gaffelière oder Clos de l’Oratoire investiert und gehört zu den wichtigsten Impulsgebern in Bordeaux. Er hat früh das Potential der thrakischen Tiefebene erkannt und zusammen mit Karl-Heinz Hauptmann das Weingut Bessa Valley gegründet. Auf dem Niveau der Weine von Neipperg und Ivo Verbanov haben sich vor allem die französischen Rebsorten Merlot, Syrah, Cabernet und Petit Verdot durchgesetzt, manchmal ergänzt durch etwas Mavrud. Vinifiziert wird heute auf höchstem Niveau. Ein Land wie Bulgarien braucht genau diese Vorreiter, um seine Möglichkeiten besser ausschöpfen zu können.